Bilderpolitik in Zeiten von Krieg und Terror

Politisch anspruchsvoll und theoretisch präzise überquert Linda Hentschels Buch „Bilderpolitik“ ein wüstes Feld zwischen Ethik, Ästhetik, Geschlechterpolitiken und visueller Gewalt. Um Bilder des Krieges, der Folter und des staatlich sanktionierten Mordens geht es darin und darum, wie die, die solche Bilder anblicken, in Situationen visueller Darstellungsgewalt verwickelt sind.

Politisch anspruchsvoll und theoretisch präzise überquert Linda Hentschels Buch „Bilderpolitik“ ein wüstes Feld zwischen Ethik, Ästhetik, Geschlechterpolitiken und visueller Gewalt. Um Bilder des Krieges, der Folter und des staatlich sanktionierten Mordens geht es darin und darum, wie die, die solche Bilder anblicken, in Situationen visueller Darstellungsgewalt verwickelt sind. „Es gibt Bilder“, schreibt Hentschel, „die es einem westlich sozialisierten Subjekt nicht leicht machen, sie mit einem intellektuellen oder affektiven Akt abzulehnen.“ Wie also umgehen zum Beispiel mit den in Abu Ghraib entstandenen Folterfotografien? Denn diese Bilder provozieren augenblicklich die Frage der Beteiligtheit der Betrachter_in an ihrer gewaltvollen Struktur. Damit ist auch die Frage nach einer Verbindung zwischen Schaulust, visueller Verantwortung und einem möglichen Handlungsspielraum der Betrachter_in gestellt. An diesen Bildern wird aber auch klar: Kritische Auseinandersetzungen mit expliziten Gewaltdarstellungen bedürfen einer Perspektive auf das westliche Repräsentationssystem als selbst auf struktureller Gewalt basierend. Zudem besteht das Buch auf einem Begriff des Politischen, der betont, dass das „Politische“ an Politik nicht in Konsensbildung und der Produktion einer homogenen Gemeinschaft liegt. Um eben nicht das Autoritäre sondern das Politische zu stärken, gilt es, Dissens, Differenz und Unvergleichbarkeit zu unterstreichen. Auf eine kritische Bilderpolitik umgelegt bedeutet das unter anderem: kritische Bilderpolitik nicht auf ein Engagement für oder gegen bestimmte Bilder zu beschränken, sondern gegen konsensuelles Zeigen ebenso wie Verschweigen zu agieren und mit und für Antagonismen zu handeln.

Die neun Aufsätze, die das Buch versammelt, untersuchen, wie visuelle Gewaltdarstellungen in ihrer Koppelung an Geschlechterkonstruktionen als Macht- und Regierungstechniken funktionieren, wenn es zum Beispiel um „Angststeuerung“ und „trans/nationale Sicherheitsversprechen“ (Hentschel) geht. Der erste Text etwa diskutiert aus westlicher Perspektive das Verhältnis zwischen westlichen (z.B. us-amerikanischen) und nicht-westlichen (z.B. palästinensischen) Bildspektakeln und deren jeweilige sexuelle Politiken (Silke Wenk). Deutlich wird, wie diese Inszenierungen weibliche Körper als „Basismaterial eines transnationalen Einsatzes von Bildern“ behandeln, und wie westliche Bilder nichtwestliche Gegnerschaft repräsentieren, indem sie Entmännlichung und Entmenschlichung in der Darstellung männlicher Körper verschalten. Der siebte Text untersucht Todd Heislers 2006 mit dem Pulitzer Prize for Feature Photography ausgezeichnete Fotoserie Final Salute (Tom Holert): Jahrelang waren Bilder der Särge im Irakkrieg getöteter US-Soldaten mit einem Veröffentlichungsverbot belegt gewesen. In einer fulminanten ideologischen Affekt-Arbeit aber sind diese Fotografien der Witwe eines US-Marines nun beteiligt an der Rekonstruktion der Rächer- und Weltvorreiternation USA als nationales Kollektiv aus Trauernden und Traumatisierten. „Bilderpolitik“ schließt mit dem sorgfältig von Irmgard Hölscher übersetzten Text Judith Butlers über Folter und die Ethik der Fotografie. (Apropos: Eva Moldenhauer, berühmte Übersetzerin französischer post- und strukturalistischer Philosophen, hat Anfang der 1990er Jahre als Initiative der deutschen Übersetzergemeinschaft Blätter in Postkartengröße verschickt. Die Vorderseite trug eine gezeichnete Distel. Auf der Rückseite stand: „Wie schade, dass Sie es versäumt haben, den Namen der Übersetzerin/des Übersetzers zu nennen.“ Immer noch fehlen in den meisten deutschsprachigen wissenschaftlichen Publikationen die Namen der Übersetzer_innen in der im Buch zitierten Literatur. Auch „Bilderpolitik“ hätte sich hier eine Übersetzer_innendistel eingehandelt.)

Linda Hentschel (Hg.): Bilderpolitik in Zeiten von Krieg und Terror: Medien, Macht und Geschlechterverhältnisse. Berlin: b_books 2008

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