Das Märchen von der Arbeiterpartei. Von der SPÖ lernen, heißt verlieren lernen

Es war einmal, vor langer, langer Zeit, eine Partei, die nannte sich sozialistisch oder sozialdemokratisch und wurde gegründet, um sich für die Arbeiter einzusetzen und deren Interessen wahrzunehmen.

Die SPÖ hat der Welt gezeigt, wie man einem Rechtspopulisten sozialdemokratische Traditionswähler scharenweise in die Arme treibt. Die SPD hinkt hinter der SPÖ her. Sie führt vor, wie sich eine noch regierende sozialdemokratische Partei selbst verzichtbar macht, indem sie sich als zuverlässigere Partnerin des Kapitals profiliert.

Es war einmal, vor langer, langer Zeit, eine Partei, die nannte sich sozialistisch oder sozialdemokratisch und wurde gegründet, um sich für die Arbeiter einzusetzen und deren Interessen wahrzunehmen. Dafür wurde sie von den Unternehmern gehasst, denn deren Interessen waren jenen der Arbeiter entgegengesetzt. Der Staat schlug sich zeitweilig auf die Seite der Unternehmer, erließ ein Gesetz, das die Arbeiterpartei verbot, konnte aber deren Aktivisten nicht mundtot machen, denn die waren mutig, aufrecht und wußten, wofür sie kämpften. Es war einmal, vor langer, langer Zeit, ein Führer dieser Partei, der sagte voll Zuversicht: "Die SPD ist wehrlos, aber nicht ehrlos."

Wehrlos ist die SPD heute nicht mehr. Ist sie dafür ein wenig ehrloser geworden? Die Arbeiterpartei von einst hat sich zunehmend dem Kapital angenähert. Nicht dem von Karl Marx, sondern jenem Kapital, das nach der Analyse von Karl Marx in einem Konflikt steht zu eben jener Arbeit, die traditionell die Domäne der Sozialdemokraten war. Dafür wird die SPD von den Unternehmern nicht mehr gehasst und bekämpft, sondern umarmt. Das Allensbacher Institut der nicht gerade für ihre linken Neigungen bekannten Demoskopin Noelle-Neumann hat herausgefunden, daß zwei Drittel der befragten Spitzenkräfte aus der Industrie mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Koalition in Deutschland zufrieden sind. Die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftsführer unterstützt die Steuer- und Rentenpolitik Gerhard Schröders und kritisiert die CDU/CSU, weil diese gegen die Regierungspolitik Widerstand leistet.

Es war einmal, vor langer, langer Zeit, da galt in den Arbeiterparteien der Grundsatz: "Wenn dich dein Gegner lobt, frage dich, was du falsch gemacht hast." Unternehmer streben nach Profit. Das ist ihr Geschäft. Die Arbeiter und Angestellten wollen höhere Löhne und Gehälter. Beides kann man nicht haben. Das eine geht auf Kosten des anderen. Unternehmerprofite oder Arbeiterlöhne.

Sozialdemokraten müssen sich entscheiden. Wenn wir das Lob der Wirtschaftsführer richtig verstehen und wenn diese die Politik Gerhard Schröders richtig verstehen - dumm sind sie ja nicht -, dann hat der sich schon entschieden. Daß, was für die Unternehmer gut ist und wofür sie die SPD loben, auch für die Arbeiter gut sei, kann ernsthaft nur glauben, wer sich mit dem Bild vom Spatzen begnügt, der vom kräftig gefütterten Pferd profitiert, wenn das hinten etwas fallen lässt. Das Argument ist genauso zynisch wie, im internationalen Maßstab, das Argument, europäische oder nordamerikanische Unternehmen täten Gutes für die Menschen der Dritten Welt, wenn sie deren Arbeitskraft unter demütigenden Bedingungen und für Spottlöhne ausbeuteten, weil es ihnen ja ohne dieses "Angebot" noch schlechter ginge. Die Kolonialherrenmentalität feiert im Zeitalter der Global Players Auferstehung und spiegelt die Omnipräsenz der kapitalistischen Ideologie und die sie begleitenden Dünkel im nationalen Rahmen.

Die einstige Arbeiterpartei hat, in Deutschland wie in Österreich, ihren Frieden gemacht mit den Gegnern von früher. Ihre Spitzenfunktionäre fühlen sich unter diesen genau genommen wohler als bei der Bezirksversammlung. Die Wirtschaft braucht sich vor dieser Sozialdemokratie nicht zu fürchten. Sie hat sie in der Hand. Für eine Zulassung von ausländischen Arbeitnehmern ist die SPD genau dann, wenn die Industrie, nicht wenn die Menschlichkeit oder internationale Solidarität - ein längst vergessener Begriff - es fordern. Daß Oskar Lafontaine diese Wende nicht mitmachen wollte, ist der tiefere Sinn seines Rücktritts und erklärt die üble Nachrede: Schurken mögen kein personifiziertes Gewissen, das sie an ihren Verrat erinnert.

Der Hörigkeit gegenüber den Interessen der Wirtschaft, der Unterordnung aller anderen Prioritäten unter das Dogma des Wachstums entspricht die sozialdemokratische Kulturpolitik. Zeichnete sich diese früher vorwiegend durch Nicht-Vorhandensein aus, so nimmt sie mittlerweile, wo die Sozialdemokratie das Sagen hat, ausgesprochen kulturfeindliche Züge an. Die einstigen Verpflichtungen der öffentlichen Hand gegenüber der Kultur werden zunehmend an private Sponsoren delegiert, die freilich ihre Bedingungen stellen. Weiterbildende Maßnahmen, vor dem Krieg ein Kernstück sozialdemokratischer Bildungspolitik, werden fast nur noch dann gefördert, wenn sie berufsqualifizierender Art sind, sich also wiederum ökonomisch verwerten lassen. In Gremien verstehen sich sozialdemokratische Funktionäre glänzend mit den Vertretern der konservativen Parteien. Harmonie ist ihnen wichtiger als der Konflikt zugunsten einer demokratischen, dem angeblichen Zwang zur Privatisierung entzogenen Kultur.

In Berlin gibt es eine Haltestelle namens Anhalter Bahnhof. Den Bahnhof freilich gibt es längst nicht mehr. Von ihm ist nur ein Ruinenfragment geblieben, das mahnend, aber funktionslos in die Gegend ragt.

So ähnlich verhält es sich mit der SPD. Sie trägt zwar die Bezeichnung "sozialdemokratisch" in ihrem Namen, aber von all dem, was diesen Begriff einmal inhaltlich ausmachte, ist kaum etwas geblieben. Und so dürfte der Titel eines Buchs von Christian v. Ditfurth, "SPD - eine Partei gibt sich auf", spontan auf Zustimmung stoßen. Der Prozess dauert schon eine Weile an, er ist nicht auf die deutsche Sozialdemokratie beschränkt, aber dass die Sozialdemokratie mittlerweile mit ihrer ehrwürdigen Tradition gebrochen, dass sie längst auf ihre essentials verzichtet hat, ist evident. Manche loben diese Entwicklung, andere sehen sie mit Trauer, wieder andere haben dafür nur Häme übrig. Man kann verschieden darauf reagieren, nur leugnen kann man sie nicht.

So ist denn die Frage, die der Zeitgeschichtler in seiner knappen Vorbemerkung stellt, rhetorisch, nämlich "ob die SPD sich nicht überflüssig macht, wenn sie auf das verzichtet, was sie wesentlich von allen anderen Parteien unterscheidet". Der Rest des Buchs dient genau dem Nachweis der genannten Voraussetzung, also der ebenfalls evidenten Tatsache, dass die SPD nach und nach auf alles verzichtet, was sie von anderen Parteien unterscheidet. Daß die SPD die bessere CDU sei, ist mehr als ein Wortspiel, und die Kündigung der einstigen Position - wiederum: nicht nur in Deutschland - ist ja auch die Bedingung dafür, dass ehemalige kommunistische Parteien heute diese Position ausfüllen können. Vieles, was Gregor Gysi sagt, hätte man vor noch gar nicht so langer Zeit aus dem Munde sozialdemokratischer Politiker zu hören bekommen. Was nicht unbedingt für Gysi, aber gewiss gegen die Sozialdemokratie spricht.

Insbesondere schmerzt der Verlust der Kompetenz für soziale Gerechtigkeit, den Umfragen der SPD Gerhard Schröders mit gutem Grund attestieren. Er ist die Kehrseite der Medaille, die eine Wirtschaftspolitik propagiert, die nach Schröders Worten nicht sozialdemokratisch, sondern nur gut oder schlecht sein kann, und in der Praxis vor allem für die Unternehmer gut ist, also nicht eben für die traditionelle sozialdemokratische Klientel.

Ein besonders dunkles und wenig bekanntes Kapitel beschäftigt sich mit der Haltung der SPD zu Hitler. Die SPD-Führer gingen Anfang April 1933 hart gegen eigene Genossen vor, als die Berliner Organisation der Sozialistischen Arbeiterjugend "in die Illegalität übergehen wollte, um den Widerstand gegen das braune Regime zu organisieren". Lapidar fügt v. Ditfurth hinzu: "Statt Widerstand gab es eine Anbiederung an die neuen Machthaber." Und er liefert dafür Belege. SPD-Genossen erbaten von Hermann Göring Reisepässe, mit denen sie dann ins Ausland fuhren, um "ihre europäischen Bruderparteien davon abzuhalten, das NS-Regime allzu hart zu kritisieren". Kaum bekannt dürfte auch sein, dass die SPD im März 1933 aus der Sozialistischen Internationalen austrat, weil diese zwei Resolutionen gegen die NS-Machthaber ohne Konsultation mit den deutschen Genossen beschlossen hatte. Nur das Verbot der SPD konnte verhindern, dass die in Deutschland verbliebenen Funktionäre der SPD unter Paul Löbe, die sich offiziell von den in die Emigration gegangenen Parteiführern distanzierten und im Reichstag mehrheitlich Hitlers Friedensresolution zustimmten, zu Kollaborateuren der Nazis wurden. In diesem Zusammenhang erscheint die jüngst publik gewordene Tatsache, dass die SPÖ nach 1945 mit großem Elan ehemalige Nationalsozialisten aufgenommen und deren Vergangenheit verschleiert hat, in neuem Licht. Und auch die Koketterie mit dem Schulterschluss angesichts der europäischen Sanktionen ruft diese Tradition in Erinnerung. Wenn’s hart auf hart geht, reagiert die Sozialdemokratie offensichtlich national, sieht sie den Feind jenseits, nicht innerhalb der nationalen Grenzen. Mit der Arbeiterklasse hat sie auch den Internationalismus aufgegeben.

Eine Kontinuität, die v. Ditfurth zu Recht beklagt, besteht darin, dass die SPD "zu oft das Gegenteil von dem praktizierte, was sie gefordert oder versprochen hatte". Und, was immer mehr potenzielle Sympathisanten von der Sozialdemokratie abstößt: "In Wahrheit will die gegenwärtige sozialdemokratische Politik die Reichen noch reicher machen in der Hoffnung, dass dabei Arbeitsplätze entstehen." Dieser Satz ist leider ebenso wahr wie banal. Noch vor kurzem hätte er allenfalls die konservativen Gegner charakterisiert.

Dieser Zustand ist das bisherige Ende eines seit langem anhaltenden Prozesses. Mit einer hohen Plausibilität behauptet v. Ditfurth: "Die Grünen besetzten den Platz, den die Schmidt-SPD links frei gemacht hatte. Es gibt in der Politik kein Vakuum, die Nachfrage schafft sich ihr Angebot." Nur sind die Grünen von heute nicht mehr die Grünen aus der Zeit Helmut Schmidts, ist die Regierungspartei Joschka Fischers weit entfernt von der oppositionellen Basisbewegung. Wer heute den Platz besetzen wird, den die SPD und auch die Grünen frei machen, steht nocht nicht fest. Es muss nicht unbedingt eine linke Partei sein. Das österreichische Beispiel vermittelt eine Ahnung, was da in Zukunft drohen könnte. Das österreichische Beispiel ist übrigens auch ein Argument für v. Ditfurths These, dass die meisten Arbeiter nie sozialistisch waren, sondern ihre Partei als ihre politische Interessenvertretung in der bürgerlichen Gesellschaft begriffen. In dem Augenblick, da offensichtlich wird, dass die Sozialdemokratie die Interessen der Arbeiter nicht mehr vertritt, weil sie eben dafür sorgt, dass die Reichen noch reicher werden, kann ein Haider, der genau die Vertretung dieser Interessen verspricht, Zulauf gewinnen, und zwar eben bei jenen Arbeitern, die traditionell sozialdemokratisch wählten.

"Die Schröderisierung ist gleichbedeutend mit dem Verzicht, die Gesellschaft gegen die Interessen der Unternehmer zu verändern", fasst v. Ditfurth zusammen. Und klingt es nicht abenteuerlich, was Gerhard Schröder 1997 erklärte: "Wir werden damit Schluss machen, dass naturwissenschaftliche und technologische Innovationen zunächst auf ihre Risiken abgeklopft werden, ehe man sich ihren Chancen zuwendet." Ähnliche Äußerungen, die bei jeder Aktionärsversammlung von Hoechst oder DaimlerChrysler willkommen wären, kann man freilich auch von sozialdemokratischen Funktionären in anderen Ländern hören. Es wäre eine Überlegung wert, inwiefern die beobachtete Entwicklung ein gesamteuropäischer Befund ist. Blair und Schröder haben nicht umsonst gemeinsam ein berüchtigtes Papier verfasst, und der Österreicher Klima hat den Preis für diese verfehlte Politik bezahlen müssen. Er wird wohl nicht der letzte bleiben.

Ihn persönlich freilich dürfte das nicht jucken. Nur ein halbes Jahr musste vergehen, damit der aus dem Amt geschiedene sozialdemokratische Bundeskanzler Österreichs den Chefposten in der argentinischen Filiale des Volkswagenkonzerns übernahm, zu dem sein Freund Gerhard Schröder bekanntlich gute Beziehungen hat. Es gibt Gewerkschaftler, die Minister wurden. Kennt jemand einen Minister, der nach Verlust seines Amts in der Gewerkschaft oder als Betriebsrat weiterhin für die Interessen der Arbeiter eintrat?

Was die sozialdemokratischen Politiker von heute charakterisiert, ist ihre völlige Beziehungslosigkeit zur Arbeiterbewegung. Sie sind Karrierepolitiker, die es zufällig oder weil sie sich dort die besten Chancen ausgerechnet hatten, zur Sozialdemokratie verschlug. Sie könnten ihren Ehrgeiz ohne Probleme auch in einer anderen Partei stillen.

Caspar Einem schrieb 1998, die alte Ordnung in "Gut" und "Böse", in "Rechts" und "Links" sei durch den Zusammenbruch des kommunistischen Systems zerfallen und habe viele orientierungslos gemacht. Wie ist das zu verstehen? Gibt da ein Sozialdemokrat den Begriff der "Linken" an die Kommunisten preis? Wie anders sollte die Unterscheidung von "Rechts" und "Links" mit dem Zusammenbruch des autoritären Sowjetsystems zerfallen sein? Lässt sich nicht nach wie vor sehr eindeutig benennen, ob eine Politik, die Unterprivilegierten nützt, gut und links oder böse und rechts ist? Fällt es Einem etwa schwer, bestimmte Äußerungen Jörg Haiders mit diesem Kategoriensystem, dieser angeblich zerfallenen "Ordnung" zu qualifizieren? Wie will einer linke Politik machen, wenn er der Ansicht ist, dass es sie mangels einer Orientierung nicht geben kann?

Wenn Einem mit dem krummen Satz etwas gegen manichäisches Denken aussagen wollte, dann kommt das jedenfalls nur sehr verschwiemelt herüber. Und der Manichäismus war schon zu Zeiten der Existenz des "kommunistischen Systems" Unsinn. Es musste dieses nicht erst zusammenbrechen, damit intelligentere Leute diese "alte Ordnung" kritisierten, die man im Denken von Vulgärmaterialisten ebenso antraf und antrifft wie in dem von Jesuiten.

Wohl wahr: die Attribute "links" und "rechts" lassen sich nicht mehr blindlings jenen Parteien zuordnen, mit denen sie einst untrennbar verbunden waren. Die Dispensierung der Kategorien Links und Rechts durch Sozialdemokraten aber bedeutet nur, dass sie sich als die bessere "Partei der Mitte" etablieren wollen. Über Jahrzehnte hinweg wählten viele die Sozialdemokraten als das "kleinere Übel". Was unterscheidet sie mittlerweile angesichts des Industrielobs, angesichts von Steuersenkungen für die Reichen, angesichts von Korruptionsaffären und der "Friedenspolitik" auf dem Balkan, auch angesichts der Tatsachen, die die Affäre Gross in Österreich ans Licht brachte, vom größeren Übel?

Der zitierte Befund, wonach die meisten Arbeiter nie sozialistisch gewesen seien, sondern ihre Partei als ihre politische Interessenvertretung in der bürgerlichen Gesellschaft begriffen hätten, lässt sich schwer im nachhinein quantifizieren. Die Existenz klassenbewusster sozialistischer Arbeiter in früheren Epochen zu leugnen, wäre wohl ebenso irreführend wie eine romantisierende Idealisierung des Arbeiters. Aber was man bei den 68ern innerhalb einer Generation beobachten konnte, dass viele von ihnen nämlich politisch nichts begriffen hatten und nur so lange "links" waren, wie es im Rahmen einer Hochschulrevolte ihren Interessen zu dienen schien, dürfte tatsächlich auch auf viele Arbeiter zutreffen. Nicht erst Haider stärkt diese These. Der massenhafte Eintritt von Sozialdemokraten und auch von Kommunisten in die NSDAP läßt ebenfalls an einem allzu ausgebildeten sozialistischen Bewusstsein zweifeln. Es spricht viel dafür, dass Ideologien fast stets eine geringere Rolle spielen, als die Ideologen suggerieren. Moralische Prinzipien zählen meist nur so lange, wie sie zur Rechtfertigung egoistischer Ziele dienen. Der Arbeiter, der gerade so lange "sozialistisch" denkt, wie ihm das eine Gemeindewohnung einbringt (und die SPÖ hat diesen Opportunismus ja kaltschnäuzig und skrupellos bedient, was Karl Blecha einmal unumwunden zugegeben hat - mit Bedauern über den Opportunismus, nicht über die nepotistische Vergabe von Privilegien durch die Partei!), findet seine Entsprechung im 68er, der so lange für den Abbau von Hierarchien war, bis er im Vorstand eines Unternehmens landete.

Dieses Märchen hat leider nicht den positiven Schluss, den die Gattung eigentlich verlangt. Denn in die Lücke, die die traditionelle Arbeiterpartei hinterlässt, strömen eben Leute wie Jörg Haider. Seine Partei hat, wie bereits erwähnt, unter jenen Enttäuschten die größten Gewinne gemacht, die früher sozialdemokratisch wählten. Dass er wirklich für ihre Interessen eintreten will, scheint mittlerweile mehr als zweifelhaft. Soviel aber ist den alten Sozis klar: dass sie von jenen, die von den Wirtschaftsbossen gelobt werden, von jenen, die bei erster Gelegenheit selbst Bosse und Interessenvertreter der Industrie werden, nichts zu erwarten haben. Und wer da meint, so etwas könne in Deutschland nicht passieren, wird sein blaues Wunder erleben.

 

Thomas Rothschild ist Literaturwissenschafter an der Universität Stuttgart, Schwerpunkte: Österreichische Literatur, Film- und Medienwissenschaft.

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