Der kulturelle Output stiftet die Identität

Zum einen kann man sich auf die Höhe und vor allem die Erhöhung (Indexanpassung) der gesamten Subventionen nicht verlassen, zum anderen sichert ein hohes Maß an Eigenwirtschaftlichkeit die Autonomie.

ARGEkultur Salzburg, Offenes Haus Oberwart, WUK und KAPU im Kulturrisse-Interview.

„Wie und unter welchen Voraussetzungen kommt die Kunst zu Geld?“, lautet die Kernfrage des aktuellen Schwerpunkts der Kulturrisse. Wir haben in diesem Zusammenhang die GeschäftsführerInnen von vier Kulturinitiativen, der ARGEkultur Salzburg, des Offenen Hauses Oberwart (OHO), des WUK und der KAPU, befragt. Sie gaben per E-Mail Auskunft zu Finanzierungsmodellen im Wandel der Zeit, dazu, ob – und wenn ja wie – die Niederschwelligkeit des Zugangs unter Finanzierungszwängen leidet und schließlich zur Frage, wie zwischen „Selbstverpflichtung“ und „Selbstverleugnung“ balanciert werden kann.

Kulturrisse: Könnt ihr einleitend erläutern, wie sich eure Institution finanziert?

Daniela Gmachl (ARGEkultur Salzburg): Der Großteil der Finanzierung der ARGEkultur – unser Gesamtbudget beläuft sich auf ca. 1,4 Mio. Euro – kommt aus den Mitteln der öffentlichen Hand (61 Prozent). 39 Prozent erwirtschaften wir selbst – hauptsächlich aus den Kartenerlösen für die Veranstaltungen (18 Prozent) und den Erlösen aus der zur Verfügungstellung von Räumen für kulturelles Arbeiten. Ein wesentlicher Meilenstein für die Finanzierung waren die mehrjährigen Förderverträge mit allen drei SubventionsgeberInnen, die wir 2008 erstmalig abgeschlossen haben. Derzeit verhandeln wir für die Jahre 2013 und 2014; die Verhandlungen mit der Stadt verliefen sehr konstruktiv; die Verhandlungen mit Land Salzburg und dem BMUKK beginnen gerade unter den Vorzeichen, dass es keine Erhöhungen gibt und etwaigen Szenarien von Streichungen in den Ermessensausgaben.

Christian Haselmayr und Günther Ziehlinger (KAPU Linz): Die KAPU finanziert sich großteils aus Mitteln der öffentlichen Hand (Bund, Land und Stadt). Diese decken die Strukturkosten und einen Teil der Programmkosten ab. Andere Finanzierungsquellen sind Eintrittsgelder, Soli-Veranstaltungen und Merchandising.

Alfred Masal (OHO): Die Hauptfördergeber des OHO sind BMUKK, Kulturabteilung des Landes Burgenland, Stadtgemeinde Oberwart und diverse spezielle Projektförderungen über Kulturkontakt Austria, Politische Bildung, andere Abteilungen des Landes Burgenland etc. Wir versuchen, einen Mix an Förderungen zu bekommen, die jeweils für spezifische Projekte angesucht werden. Die Eigeneinnahmen liegen bei ca. 25 Prozent.

Vincent Abbrederis (WUK): Beim WUK handelt es sich um einen großen Verein, der seine Aktivitäten in drei Achsen – Soziokulturelles Zentrum, WUK Kulturbetrieb sowie WUK Bildung & Beratung – gliedert. In Summe betrugen die Umsatzerlöse im Jahr 2010 rund sieben Mio. Euro. Der Hauptanteil kommt aus öffentlichen Subventionen. Wobei sich die beiden Betriebsteile – WUK Kulturbetrieb und WUK Bildung & Beratung – im Wesentlichen dadurch unterscheiden, dass sich WUK Bildung & Beratung nahezu zu 100 Prozent durch Förderungen der öffentlichen Hand finanziert, wohingegen „das WUK“ (Soziokulturelles Zentrum und Kulturbetrieb) über verschiedene Finanzierungsquellen verfügt. Innerhalb der Kulturumsätze kommen 62 Prozent aus den zum Teil mehrjährigen Förderverträgen mit Stadt Wien und Bund, zehn Prozent aus projektabhängigen Subventionen, die restlichen 28 Prozent sind Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit, zum Beispiel Kartenerlöse, Raumvermietungen, Kooperationen, Gastronomie und Vereinbarungen mit Sponsoren.

Gab es bzw. gibt es aktuell „Geschäftsmodelle“ (bspw. Eintritte, Gastronomie), über die die finanzielle Absicherung der Einrichtung gewährleistet wurde/wird?

Daniela: Der Finanzierungsmix ist heute noch deutlich ausdifferenzierter als früher: Zum einen kann man sich auf die Höhe und vor allem die Erhöhung (Indexanpassungen) der gesamten Subventionen nicht verlassen, zum anderen sichert ein hohes Maß an Eigenwirtschaftlichkeit die Autonomie der ARGEkultur. Mit „ausdifferenzierter“ meine ich zum Beispiel, dass Teile des Kulturbudgets (und damit des Programms) Deckungsbeiträge erwirtschaften müssen/sollen, während wir in andere Teile des Kulturbudgets (und damit des Programms) bewusst Geld investieren.

Günther und Christian: Neben den Musikveranstaltungen wurden im Laufe der letzten zehn Jahre weitere Formate wie Ausstellungen, Filmvorführungen und Kooperationen mit Festivals, wie Crossing Europe oder Next Comic eingeführt. Die finanzielle Absicherung wird dadurch nicht gewährleistet, wobei die Zusammenarbeit mit den großen Festivals zumindest einen kleinen finanziellen Beitrag bringt. Eintrittsgelder fließen in die Bandgagen.

Alfred: Mit der Übernahme der Geschäftsführung durch meine Person sind wir zurück zu den Wurzeln mit Theatereigenproduktionen und der Präsentation zeitgenössischen Kulturschaffens gegangen. Wir entwickeln jedes Jahr einen künstlerisch programmatischen Jahresschwerpunkt und bespielen Programmschwerpunkte (Buchwoche, Filmwoche, Tanztage usw.). Dies ist vor allem eine Absicherung des Publikumszulaufes. Von einer finanziellen Absicherung kann leider nicht gesprochen werden, da wir für unsere Projekte immer neu ansuchen müssen. Allerdings kann das OHO sicher als eines der produktivsten des Burgenlandes bezeichnet werden.

Vincent: Schon am Anfang seiner Geschichte hatte sich das WUK im Bereich der Ausbildung und Beratung von arbeitslosen Jugendlichen engagiert und Lehrwerkstätten eingerichtet. Durch Änderungen in der Vergabepolitik des AMS gab es vor sieben, acht Jahren eine Neuausrichtung, die auf dieser Erfahrung und Expertise aufbaute, und den Bereich auf am Arbeitsmarkt benachteiligte Jugendliche und Erwachsene erweiterte. Dabei werden Projekte für Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, mit psychischen Beeinträchtigungen und körperlichen Behinderungen ebenso wie Hauptschulabschlusskurse sowie die Betreuung und Integration von langzeitarbeitslosen Menschen angeboten.

(Sozio-)Kulturelle Zentren bemühen sich um einen möglichst niederschwelligen Zugang, um ihren Anspruch einzulösen, Kultur von allen und für alle zu bieten. Gerät ein solches Bemühen im Alltag in Widerspruch mit finanziellen Erfordernissen – sei es in Gestalt hoher Eintrittspreise oder anderer Hürden mit sozial selektivem Charakter?

Daniela: Eine wie im ersten Satz formulierte Niederschwelligkeit – insbesondere Kultur von allen und für alle zu bieten – gibt es in der ARGEkultur so nicht mehr (was nicht dem offenen Charakter des Hauses widerspricht); der Professionalisierungsgrad und die Anforderungen sind zu hoch geworden; wenn jemand heute für einen Termin im November 2012 anfragt, dann ist der zu 99 Prozent bereits vergeben. Es gibt allerdings niederschwellige Ansätze besonders im Jugendbereich und bewusste Akzente für unser Haupt(ziel)publikum – die ARGE hat über 60 Prozent BesucherInnen unter 30. Ähnlich wie bei den Finanzen gibt es auch hier variable Modelle. Ein paar Beispiele: Jugendworkshops bieten wir ganzjährig kostenlos an, Musikproberäume können zu einer sehr günstigen Nutzungspauschale verwendet werden; StudentInnen haben immer die Möglichkeit, zu sehr günstigen Tickets zu kommen, und bei den großen Kabarettveranstaltungen haben wir die höchsten Abendkassenpreise und ein eigens aufgelegtes Abonnement, die Deckungsbeiträge erzielen müssen/sollen.

Günther und Christian: Die Preispolitik bestimmt definitiv die Niederschwelligkeit des Zugangs. In der KAPU werden die Eintrittspreise nach der Höhe der Bandgagen festgelegt. Dabei machen wir die Erfahrung, dass wir trotzdem immer günstiger als andere österreichische Veranstaltungsorte sind. In Extremfällen wird der Preis sogar bei der Abendkasse noch einmal ausverhandelt.

Alfred: Gerade am Land müssen wir die Eintrittspreise im Vergleich zu Wien auf einem relativ niedrigen Niveau halten, ansonsten würden wir unser Publikum verlieren. Viele Veranstaltungen bieten wir auch bei freiem Eintritt an.

Vincent: Grundsätzlich versuchen wir, die Eintrittspreise fair zu halten und beteiligen uns an verschiedenen Programmen, die es einkommenslosen Menschen ermöglichen, Veranstaltungen im WUK zu besuchen. Zudem gibt es für Benefizveranstaltungen vergünstigte Raummieten bzw. Unterstützung seitens des WUK. Allerdings haben aufgrund der „eingefrorenen“ Förderungen Änderungen in der Programmgestaltung stattgefunden. In den letzten 15 Jahren hat sich der künstlerische Schwerpunkt von Tanz/Theater eindeutig zur Musik hin verlagert. Und innerhalb dieses Bereiches haben die Eigenveranstaltungen gegenüber Vermietungen abgenommen. Dabei kann es bisweilen auch WUK-unübliche Eintrittspreise geben. Auch gibt es Kooperationen, wie zum Beispiel das FM4-Fußball-Quartier, die inhaltlich nicht unumstritten sind.

Inwiefern ist im Rahmen eurer Einrichtung die „Rollenverteilung“ zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn aufgeweicht, mit welchen Problemen (Stichwort: „Selbstverleugnung“) ist das verbunden, und welche Lösungen (Stichwort: „Selbstverpflichtung“) habt ihr dafür entwickelt?

Daniela: Diese Aufweichung existiert eher nicht; es gibt auch hier sehr klare professionelle Regeln (übrigens schon seit 1992) in Form einer Betriebsvereinbarung und auch gewählten Betriebsräten. Wesentlich für die Arbeit in einem Kulturbetrieb ist zum einen die Identifikation mit der Kulturarbeit (der eigenen Vision), die sich in den 30 Jahren ARGE durchaus (auch gewollt) verändert hat und das Leben der gemeinsamen Werte, die de facto die Grundmotivation ausmachen. Den gleichen Stellenwert haben meiner Einschätzung nach professionelle Rahmenbedingungen, faire Bezahlung und transparente Entscheidungen, um die wir uns sehr bemühen, auch wenn der kulturpolitische Trend das nicht (immer) fördert. Die Kombination aus beidem ist die Basis für eine gute Balance zwischen den Phänomenen Selbstverleugnung und Selbstverpflichtung. Klingt simpel, ist aber meine Erfahrung.

Günther und Christian: Das höchste Maß an Selbstverpflichtung gibt es bei den beiden angestellten Geschäftsführern. Sie können den ehrenamtlichen Mitgliedern keine Befehle geben, sondern sind auf die freiwillige Mitarbeit angewiesen. Selbst müssen sie jedoch auf die Bedürfnisse und Anregungen der Betriebsgruppe, in der sich die ehrenamtlichen Mitglieder organisieren, eingehen und danach handeln. Dies – und der generelle Anspruch, das Haus am Laufen zu halten – bedeuten schon einen enormen Aufwand. Damit dies nicht zum Ausbrennen der Hauptamtlichen führt, sind diese darauf bedacht, Ideen und Vorschläge auf ihre Machbarkeit in Bezug auf finanzielle und menschliche Ressourcen zu überprüfen und für eine realistische Umsetzung zu sorgen.

Alfred: Teamarbeit steht eigentlich im Vordergrund. Aufgrund der geringen Löhne ist eine Motivation über den Lohn nicht möglich. Hier ist das Ergebnis des künstlerischen und kulturellen Outputs ein wichtiger identitätsstiftender Faktor für das Team. Das größte Problem ist, dass durch die geringen Löhne oft kein wirklich qualifiziertes Personal eingestellt werden kann und die ganze Verantwortung für den Betrieb an ein oder zwei Personen hängt, die praktisch in allen Bereichen, von der Technik über die Buchhaltung bis zur Organisation, fundierte Kenntnisse besitzen müssen, was zu ständigen Überlastungen führt.

Vincent: Das WUK hat aufgrund seines Alters (gegründet 1979) und seiner Größe (150 Angestellte) eine Organisationsstruktur erarbeitet, die einen hohen Grad des Rollenverständnisses beinhaltet. Gemeinsam mit dem ehrenamtlichen Vorstand obliegt den Geschäftsleitungen die Führung und Weiterentwicklung des Vereines. Die beiden Betriebsteile haben jeweils eine klassisch hierarchische Struktur mit Geschäftsleitungen sowie Abteilungs-/Projektleitungen und MitarbeiterInnen für klar definierte Aufgabenbereiche. Der Mehrwert der Arbeit im WUK liegt in der vielfachen Befruchtung und der Durchlässigkeit zwischen seinen drei Teilen und generell an der bedeutenden gesellschaftlichen Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit.

Marty Huber und Patricia Köstring sind Redakteurinnen der Kulturrisse.

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