Neu 2010: Weitere Repressionen bei Asyl und Migration

Das Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz, Grundversorgungsgesetz, Staatsbürgerschaftsgesetz sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz werden wieder einmal weitere Verschärfungen erfahren. Der Rechtsschutz wird abermals beschnitten, das Schubhaftregime ausgeweitet, Zugang zu Beratung durch ausufernde Gebietsbeschränkungen und verkürzte Fristen erschwert bis praktisch verunmöglicht.

Am 1.1.2010 treten die jüngsten Gesetzesnovellen zur Regulierung von Asylsuchenden und bereits in Österreich lebenden Migrant*innen in Kraft: Das Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz, Grundversorgungsgesetz, Staatsbürgerschaftsgesetz sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz werden wieder einmal weitere Verschärfungen erfahren. Der Rechtsschutz wird abermals beschnitten, das Schubhaftregime ausgeweitet, Zugang zu Beratung durch ausufernde Gebietsbeschränkungen und verkürzte Fristen erschwert bis praktisch verunmöglicht. Die vorliegenden Novellen sind letztlich vom „Geiste des Misstrauens und der weitgehenden Kontrolle“ (asylkoordination), von „Pauschalverdächtigungen von Fremden“ (amnesty international) und „Bekämpfung allfälligen Missbrauchs“ (UNHCR) geprägt, wie NGOs in den diversen Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf kritisch anmerken. Und schon allein die Tatsache, dass mit „Novellierungswut“ ein „gesetzgeberischer Hochleistungssport“ (so das Integrationshaus) betrieben wird, erntet insbesondere von Beratungseinrichtungen unisono heftige Kritik. Dabei berücksichtigen die aktuellen Gesetzesnovellen noch nicht einmal die EU-Rückführungsrichtlinie – die nächsten Gesetzesüberarbeitungen sind insofern bereits vorprogrammiert. Die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP haben hiermit einen weiteren Schritt zur Aushebelung von Menschenrechten gesetzt. Welche Auswirkungen die neue Rechtslage auf die (juristische) Praxis und die Situation insbesondere von Asylsuchenden haben wird, haben Petja Dimitrova und Daniela Koweindl bei Rechtsanwältin und Fremdenrechtsexpertin Doris Einwallner nachgefragt.

Die Gesetze zur Regulierung von Asyl und Migration in Österreich werden extrem häufig geändert. Am 21. Oktober 2009 hat der Nationalrat die jüngsten Novellen beschlossen (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009). Die vorletzten Novellen derselben Gesetze waren gerade erst ein halbes Jahr alt. Was war diesmal Auslöser oder Anlass?

Doris Einwallner: In den Materialien zur Novelle ist davon die Rede, dass damit Vorgaben des Regierungsprogrammes sowie europarechtliche Vorgaben umgesetzt werden sollen. Mit der Novelle wird aber auch auf höchstgerichtliche Judikatur reagiert. Erklärtes Ziel ist es laut Materialien, fremdenrechtliche Verfahren effizienter zu gestalten.

Soweit anhand der einzelnen Maßnahmen erkennbar, bedeutet Effizienz in diesem Zusammenhang weitere Verschärfungen, insbesondere im Bereich des Asylrechts, und strengere Erteilungsvoraussetzungen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und Staatsbürgerschaftsgesetz. Angestrebt wird daher ganz offensichtlich eine weitere Senkung der Zahlen im Asylbereich, aber auch im Bereich der Zuwanderung.

Warum (und auch mit welchen Auswirkungen) wurden mit dem Asylgesetz gleichzeitig auch Änderungen im Fremdenpolizeigesetz, im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz sowie im Staatsbürgerschaftsgesetz vorgenommen?

Doris Einwallner: Die Änderungen im Fremdenpolizeigesetz erfolgten primär in Zusammenhang mit den Verschärfungen im Asylrecht.

Die Möglichkeiten, Menschen in Schubhaft zu nehmen, werden deutlich ausgeweitet. Das ist im Fremdenpolizeigesetz geregelt. Ebenso der Status der„Geduldeten“. Außerdem wurde im NAG jener Teil, der EWR-BürgerInnen und deren Angehörige betrifft, geändert. Einerseits hinsichtlich der Begriffe, andererseits hinsichtlich der Dauer der Aufenthaltskarten. Korrespondierend dazu war auch eine Änderung im Fremdenpolizeigesetz notwendig. Weiters wurden die Straftatbestände erweitert bzw. neue eingeführt, etwa die Erschleichung sozialer Leistungen.

Im NAG wurde zum einen die Altersgrenze für EhepartnerInnen im Familiennachzug auf 21 angehoben. Vorher kann kein Nachzug stattfinden. Weiters wurde auf eine – für AntragstellerInnen sehr positive – VwGH-Entscheidung in Zusammenhang mit der Unterhaltsberechnung reagiert. Die gesetzlichen Vorgaben wurden dahingehend verschärft, dass Kreditbelastungen, ein Anteil der Miete und andere Verbindlichkeiten dem Mindestbetrag noch hinzugerechnet werden müssen.

Der Abschnitt betreffend EWR-BürgerInnen und deren Angehörigen wurde komplett geändert. Statt wie bisher gleich eine Daueraufenthaltskarte für Familienangehörige auszustellen, wird es künftig zunächst eine fünfjährige Aufenthaltskarte geben. Die Möglichkeiten, den Status laufend zu überprüfen, wurden ausgeweitet, und es wurde auch der Verlust des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechtes bei längerer Abwesenheit eingefügt. Auch hier also insgesamt eine Verschlechterung der Rechtslage für die Betroffenen.

Da die Definition des gesicherten Lebensunterhalts im Staatsbürgerschaftsgesetz wortgleich mit der Regelung im NAG ist, erfolgte auch dort eine Anpassung. Weiters wurde neben anderen Änderungen auf eine VfGH-Entscheidung in Zusammenhang mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft von Adoptivkindern reagiert.

In den Medien wurden diese Punkte, die außerhalb von Fachkreisen teilweise nicht gerade einfach kommunizier- und erklärbar sind, nicht behandelt. Wie auch schon in Zusammenhang mit der letzten Novelle lag das mediale Interesse bei den AsylwerberInnen.

Welche Änderungen wurden mit diesen Novellen im Bezug auf Asylwerber*innen und das Asylrecht vorgenommen? Was bedeuten die Änderungen im Asylrecht in der Praxis?

Doris Einwallner: Eine der wesentlichsten Änderungen ist die Ausweitung der Asylaberkennungsgründe bei Straffälligkeit sowie die erstmals bestehende Möglichkeit, auch subsidiären Schutz wegen eines Asylaberkennungsgrundes zu verweigern oder abzuerkennen. Unter Straffälligkeit im Sinnes des Asylgesetzes wird eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Vorsatztat, die in die Zuständigkeit der Landesgerichte fällt, bzw. im Wiederholungsfall auch bei Vorsatztaten, die nur in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen, verstanden. Vorraussetzung ist jeweils die rechtskräftige Verurteilung. Als Beispiele für Straftaten, die in die Zuständigkeit der Landesgerichte fallen, können etwa gewerbsmäßiger Diebstahl, Nötigung, gefährliche Drohung, Einbruchsdiebstahl oder Drogenhandel genannt werden. Das Bezirksgericht ist etwa für kleinere Diebstähle, leichte Körperverletzungen oder leichte Sachbeschädigung zuständig.

Das sind Gründe, die über die in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten, hinausgehen. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention liegt ein Asylaberkennungsgrund vor, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine Person ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, dass sie ein schweres nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor sie dort als Flüchtling aufgenommen wurde, oder dass sie sich Handlungen zu Schulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. In Zusammenhang damit wird eine neue aufenthaltsrechtliche Kategorie eingeführt, die der Geduldeten. Das sind Personen, die zwar ihren bisherigen rechtlichen Status verloren haben, aber dennoch nicht abgeschoben werden können. Sie sind geduldet, haben jedoch keinerlei Rechte. Im Fall eines Folgeantrages wird der Rechtsschutz erheblich eingeschränkt, insbesondere durch die Möglichkeit der Behörde, den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben und die betroffene Person umgehend abzuschieben. Weiters wird es umfangreichere Gebietsbeschränkungen bzw. Meldepflichten geben. Verstöße dagegen ziehen nicht nur Verwaltungsstrafen nach sich, sondern auch die Schubhaft droht. In der Praxis ist nach meiner Erwartung mit mehr Schubhaftfällen zu rechnen, aber auch mit vermehrten Verfahren zur Aberkennung von Asyl oder subsidiärem Schutz bzw. mit noch mehr negativen Entscheidungen.

Gibt es bei diesen Änderungen ab 1.1.2010 auch irgendwelche positiven Entwicklungen?

Doris Einwallner: Ein paar positive Änderungen fallen mir zum NAG ein. So wird erstmals ein Umstieg vom Status des/der subsidiär Schutzberechtigten auf einen Status nach dem NAG möglich sein, sofern bereits seit fünf Jahren subsidiärer Schutz bestanden hat. Positiv ist auch die endlich erfolgte Umsetzung der Richtlinie für langfristig Aufenthaltsberechtigte in Zusammenhang mit dem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt– EG“. Demnach werden die Anrechnungsmöglichkeiten bisheriger Aufenthaltszeiten ausgedehnt. So wird nun etwas die Hälfte jener Zeit angerechnet werden, die jemand als Studierende/r in Österreich verbracht hat.

Spätestens seit dem Vertrag von Amsterdam (1997) formalisiert die EU eine einheitliche Asyl- und Migrationspolitik, die zunehmend von sicherheitspolitischen Fragen dominiert wird. Die Mitgliedstaaten sollten Politiken für ein vereinheitlichtes „europäisches Asylverfahren“, einen entsprechenden „Rechtsstatus für Konventionsflüchtlinge“ sowie eine „energische Integrationspolitik“ entwickeln. Wie diese Vereinheitlichung passieren soll, wird den Mitgliedsstaaten (innerhalb ihrer jeweiligen nationalstaatlichen Programmatik) überlassen. Wie geht Österreich damit um?

Doris Einwallner: Von Seiten Österreichs kam in letzter Zeit – soweit ich es überblicke – immer eine eher ablehnende Haltung zur Frage der Vereinheitlichung auf europäischer Ebene. Man will sich da nichts vorschreiben lassen. Durchaus positive oder liberalere Vorschläge von Seiten der Kommission wurden immer wieder negativ kommentiert bzw. abgelehnt. Wenn es um Verschärfungen geht, gibt es hingegen relativ rasch Zustimmung.

Was steht in der EU-Rückführungsrichtlinie? Was ist zu erwarten, bis wann muss die Richtlinie in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden?

Doris Einwallner: Die Rückführungsrichtlinie hat die Ausreise unrechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger zum Inhalt. Angestrebt wird die Freiwilligkeit der Ausreise. Dafür wird eine Frist von 30 Tagen eingeräumt, die jedoch im Einzelfall von der Behörde verlängert werden kann. Anderenfalls kommt es zur Abschiebung. Die Schubhaft ist bis zu sechs Monate zulässig, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen auf bis zu 18 Monate ausgedehnt werden. Auch ein fünfjähriges Rückkehrverbot ist vorgesehen. Die Richtlinie soll bis spätestens 24.12.2010 umgesetzt werden.

Wie geht es weiter? Welche Gegenstrategien sind nun möglich?

Doris Einwallner: Aus rechtlicher Sicht gilt wie immer: kämpfen, kämpfen, kämpfen – und zwar mit juristischen Mitteln. Was am Ende von der Novelle als zulässig übrigbleibt, wird nicht zuletzt von Entscheidungen des VfGH oder auch des EuGH abhängen, die sicherlich mit der einen oder anderen Frage befasst sein werden.

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