Sex and Violence sell!

Die Arbeit gegen einen sprachlichen Mainstream, der aus Täter_innen Monster schafft und Opfer von Gewalttaten benutzt, um die eigene Auflage zu stärken, ist eine Knochenarbeit, die selbst im öffentlichen Rundfunk noch nicht getan ist. Die Boulevardisierung der Medien im Allgemeinen scheint im Gegenteil weiter auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Dass Medien eine besondere Rolle in der Entwicklung von Sprache und Sprachgebrauch spielen, wissen wir schon lange. Sie verstärken etwa rassifizierende, wie auch sexistische Formen der Gewalt oder sie versuchen im Gegenteil eine Ausdrucksform zu finden, die diesem Normalzustand des Boulevards entgegenläuft.

Diese Arbeit gegen einen sprachlichen Mainstream, der aus Täter_innen Monster schafft und Opfer von Gewalttaten benutzt, um die eigene Auflage zu stärken, ist eine Knochenarbeit, die selbst im öffentlichen Rundfunk noch nicht getan ist. Die Boulevardisierung der Medien im Allgemeinen scheint im Gegenteil weiter auf fruchtbaren Boden zu fallen. Wir können daher von der wiederholten Gewalt der Mediensprache ausgehen.

Dass auch durch kleine Interventionen (kurzfristig) etwas geändert werden kann, bewies eine Twitter-Diskussion vor einem Jahr. Diese zeigte sehr deutlich, dass insbesondere feministische Journalistinnen als Peergroup den Jargon zu ändern vermögen. @smsteinitz, Chefredakteurin der Wienerin, schrieb damals ganz konkret „Könnte der ORF freundlicherweise aufhören, den entsetzlichen und grundsätzlich falschen Begriff 'Kinderschänder' zu verwenden?“ woraufhin ein Ringen um Sprache begann, ein Ringen das IMHO zu wenig oft oder zu wenig öffentlich geführt wird. ZIB24 Moderator @RomanRafreider bat um Hilfe „ich hab in einer Stunde eine Sendung und bitte bis dahin um einen guten Vorschlag“ und änderte daraufhin seine Moderation. Als international anerkannte Ausnahme gilt das Interview von Natascha Kampusch, das Christoph Feurstein im September 2006 hielt.

In kaum einem Bereich gibt es diese durchgängige Tendenz, Opfern von Gewalt eine Teilschuld am Geschehen zu zu schreiben, wie im Bereich der sexuellen Gewalt. Kaum ein_e Journalist_in wird das Opfer eines schweren Raubes fragen, wie es gekleidet oder ob es betrunken war. Stigma (also etwa die Konnotation, „Schande“ über sich und/oder die Familie gebracht zu haben) oder eben Reviktimisierung durch Medien sind mit ein Grund, warum so wenige Überlebende von Gewalt über ihre Erfahrungen berichten wollen. Speziell wer über sexualisierte Gewalt berichten will, sollte sich über die Vergewaltigungsmythen im Klaren sein, diese beinhalten eben jene Teilschuldzuweisungen, die besonders in diesem Bereich bekannt sind. Ein trauriges Beispiel dafür, wie tief diese Mythen verankert sind, war die Aussage der Justizministerin Beatrix Karl zu einer Vergewaltigung in der Jugendhaftanstalt Josefstadt. Bezugnehmend auf ihre Aussage „Strafvollzug ist kein Paradies!“ verteidigte sie in der ZIB2 vom 26. 6. 2013 ihren Standpunkt mit „wir sprechen von Jugendlichen, die eine schwere Straftat begangen haben, weil sonst wären sie ja nicht in U-Haft“. Bei derartig rüden Aussagen ist das Wissen um diese Vergewaltigungsmythen für jede_n Medienarbeiter_in unabdingbar, um die Verfestigung dieser zu bekämpfen.

Wer über sexualisierte Gewalt berichten will, muss sich der Mechanismen von struktureller und sprachlicher Gewalt bewusst sein, ein Zusammenschluss, der dies zu bearbeiten versucht, ist das Dart Center for Journalism and Trauma, ein Projekt der Columbia Journalism School. Eine Ressource für alle, die sich mit dem Thema befassen wollen. Eine weitere Möglichkeit bietet sich bei der Alternativen Medienakademie im November, die auch einen Workshop zu diesen Fragestellungen anbietet.

http://alternative-medien-akademie.at

Bonusmaterial auf http://storify.com/wrestling_moves

 

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