VorRisse

Land ohne Opposition soll kein fundamental-destruktives Bashing der parlamentarischen Opposition darstellen, sondern den bescheidenen Versuch, die partielle Bewußtlosigkeit zu durchbrechen, die die Oppositionsparteien seit Etablierung der schwarzblauen Regierung befallen zu haben scheint.

Eines vorweg: Land ohne Opposition soll kein fundamental-destruktives Bashing der parlamentarischen Opposition darstellen, sondern den bescheidenen Versuch, die partielle Bewußtlosigkeit zu durchbrechen, die die Oppositionsparteien seit Etablierung der schwarzblauen Regierung befallen zu haben scheint; allen voran die Parteivorsitzenden als stockbrave Musterschüler, wohlgewappnet für die Wettbewerbe in Sparefroh-Kompetenz oder Patriotismus-Übertreibung, stumm dagegen bei den Angriffen auf die kritischen Öffentlichkeiten der freien Opposition, wie etwa bei der Abschaffung der Bundesförderung für Freie Radios.

So läßt sich die SPÖ etwa im Zeitalter des Vorsitzenden Gusenbauer von gescheiten, prominenten, internationalen Fachleuten beraten, die in gut verständlicher und engagierter Weise ihre Vorstellungen von zeitgemäßem "Sozialismus" oder den Aufgaben der "Critical Left" vortragen. Allein, an der österreichischen Sozialdemokratie geht solch spitzfindige Begriffswahl spurlos vorbei, Gusenbauer und Kuntzl verwenden lieber den spritzigen Terminus "moderne Mitte-Links-Partei".

Genau dieser Begriff ist einer der Angriffspunkte der Demokratietheoretikerin Chantal Mouffe in ihrem einführenden Beitrag über die Dilemmata der europäischen Linken. Sowohl Mouffes als auch Burghart Schmidts Analysen über die Bedingungen und Schwierigkeiten einer linker Opposition entbehren nicht der Emphase für dieselbe.

Die Thesen Mouffes wiederum werden in diesem Heft zweifacher Kritik unterzogen: einerseits in Isolde Charims Versuch, den mouffeschen Ansatz über den "Austro-Thatcherismus" auf seine Tauglichkeit zu überprüfen, andererseits, weiter hinten im Heft, im hochkarätigen "kosmopolitischen" Schwerpunkt cultura migrans durch Boris Buden, der der radikaldemokratischen Theorie bezüglich etwaiger essenzialistischer Essenzen auf den Zahn fühlt.

Heftigere Polemiken setzt es in diesen Kulturrissen gegen den Grünen Parteivorsitzenden, Klubchef und Spitzenkandidaten Van der Bellen (Oliver Marchart über die Farbe Grün als Farbe der Hoffnungslosigkeit) und gegen die deutsche und österreichische Sozialdemokratie im Doppelpack Thomas Rothschilds. Sollte es übrigens den Wunsch nach Richtigstellungen, Repliken oder Oppositionsapologien geben, werden wir derartigem Ansinnen in den nächsten Heften gerne Platz einräumen.

Gerald Raunig

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