kulturrisse 01/09

Die inhaltliche und institutionelle Verstrickung von Migrationsforschung in die staatliche Migrationskontrolle ist selten zum Gegenstand politischer (Selbst-) Kritik und systematischer Analyse gemacht worden. Dies verwundert, da die Notwendigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse über Migration für ihre effektive staatliche Kontrolle immer wieder betont wurde.
Mit Hilfe von Verordnungen werden informationstechnologische Instrumente wie das sich bis heute verzögernde Schengener Informationssystem II (SIS II) bzw. das Visa-Informationssystem (VIS) konzeptioniert. Letztgenannte sind Teil dessen, was das deutsche Bundesministerium des Innern „Biometrie-Strategie der (...) Europäischen Kommission“ nennt, „deren Ziel es unter anderem ist, mittelfristig alle in den Schengenraum einreisenden oder hier aufhältigen Drittstaatsangehörigen biometrisch zu erfassen“.
Um die Besonderheit der EU-Grenzen deutlich werden zu lassen, sprechen WissenschafterInnen von der „Deterritorialisierung“ von Grenzen und der „Delokalisierung von Kontrolle“. Der Begriff der Deterritorialisierung ist gleichbedeutend mit der Tatsache, dass die Außengrenzen Europas nicht festen geographischen Grenzen gleichkommen, sondern sowohl innerhalb als auch außerhalb des Raums der EU verfolgt werden können.
Das öffentliche, symbolische und juridische Ordnungsraster von Migration wird hierzulande bis heute dominiert durch eine raumgebundene und -bindende Konzeption von Migration, d.h. Migration wird als unidirektionaler Ortswechsel, als raum-zeitlich begrenzter Prozess der Aus- und Einwanderung gedacht, vielfach konzeptualisiert in Anlehnung an naturalistische Vorstellungen von Entwurzelung und Wiedereinpflanzung.
Wie steht es um die andauernden Versuche innerhalb der EU, eine einheitliche Migrationspolitik zu kreieren? Welche Konfliktlinien zeichnen sich ab? Deklariertes vorrangiges Ziel ist der Versuch, die zukünftige Einwanderung planmäßig an den so genannten Bedürfnissen der Arbeitsmärkte auszurichten.
CEJI – A Jewish Contribution to an Inclusive Europe ist eine jüdische Organisation gegen Diskriminierung. Wir arbeiten mit Menschen und Organisationen aller Religionen, Kulturen und Hintergründe für ein Europa der Diversität und Integration. In 14 europäischen Ländern führen wir Bildungsprogramme zu Diversität durch bzw. leiten Bildungsnetzwerke.
Der einseitige Fokus auf die Grenzen verstellt den Blick auf die vielfältigen Realitäten zeitgenössischer Migrationsbewegungen ebenso wie auf die widersprüchlichen Strategien staatlicher Kontrollpolitiken. Schließlich ist die – ihrerseits ja alles andere als einheitliche – Migrationspolitik in der EU bspw. weder daran interessiert noch dazu in der Lage, Migration einfach zu unterbinden.