Die Verbotskulturhauptstadt

Ein äußerst spannender Artikel zum Thema "Verbotskulturhauptstadt, Veranstaltungsgesetz 2012 und Graz sperrt zu!" ist in der Zeitschrift Skug erschienen.

Ein äußerst spannender Artikel zum Thema "Verbotskulturhauptstadt, Veranstaltungsgesetz 2012 und Graz sperrt zu!" ist in der Zeitschrift Skug erschienen. Nachzulesen hier:

In den letzten Jahren hat sich das einst stockkonservative Graz zu einem der kulturell spannendsten Orte Mitteleuropas entwickelt. Wenn es allerdings nach der neuen Stadtregierung geht,

dann soll sich das bald wieder ändern.

Im Jahr 2003 wurde Graz für zwölf Monate zur europäischen Kulturhauptstadt und wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, sie ist es bis heute geblieben. Dazu tragen allerdings weniger die Tafeln an jeder der zahlreichen Autobahneinfahrten bei (eigentlich sollte dort stehen, dass Graz einen der höchsten Feinstaubwerte Europas aufweist!), sondern eine ungewöhnlich lebendige Szene an Kulturschaffenden, KünstlerInnen und MusikerInnen, die sich bereits in den frühen 1990er Jahren herausgebildet hat.

In den letzten zwei Jahren vollzog sich aber ein Paradigmenwechsel in der Grazer Stadtpolitik, den vor allem kleine, nichtkommerzielle Kulturinitiativen zu spüren bekommen. Im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit steht dabei der Stadtpark, der neben dem international renommierten Forum auch zwei andere wichtige Veranstaltungsorte beherbergt. Sowohl das Parkhouse als auch die Kombüse bekamen in den letzten Monaten die Auswirkungen eines neuen Veranstaltungsgesetzes auf höchst unangenehme Weise zu spüren.

Um die Jahrtausendwende hatte man darüber nachgedacht ein Kunsthaus im Stadtpark zu errichten, bevor man sich letztendlich für einen Standort an der Mur entschied. Das in vorauseilendem Gehorsam in Bauland umgewidmete Areal im Stadtpark wurde kürzlich von der Stadt Graz an ein Bauprojekt verkauft, das die Errichtung von fünfzig Luxuswohnungen und Büros vorsieht und auch eine »Beruhigung« des Stadtparks nach sich ziehen soll.

Für den konservativen Bürgermeister Siegfried Nagl steht fest, in welche Richtung sich der Stadtpark – wie auch die gesamte Stadt – entwickeln soll. Seit den letzten Gemeinderatswahlen regiert er in einer Koalition mit SPÖ und FPÖ. Um sich nicht selbst die Hände schmutzig zu machen, wurden die Agenden des Veranstaltungsgesetzes aus dem Bauressort (welches weiterhin vom Wahlsieger, der KPÖ, geleitet wird) herausgelöst und der FPÖ zugeteilt. Nagl greift Forderungen seines rechten Koalitionspartners auf, etwa den Vorschlag, das Forum Stadtpark in einen Gastronomiebetrieb umzuwandeln: wo die FPÖ einst provokant einen Biergarten gefordert hatte, schwebt dem ÖVP-Bürgermeister nun ein »Kulturcafé« vor.

Bürokratie statt Demokratie
Anita Hofer, Vorsitzende der IG Kultur Steiermark, beschreibt dieses Kulturverständnis als zutiefst elitär und als eines, das aus dem 19. Jahrhundert stammt. So verwundert es kaum, dass in den letzten Jahren die Fördervergabe im Kulturbereich auch im Land Steiermark radikal entdemokratisiert wurde. Beiräte von Kulturschaffenden wurden weitgehend durch Gremien ersetzt, die vorwiegend mit BeamtInnen und VertreterInnen der Wirtschaft besetzt sind. Für Konzepte wie diversity oder prozesshaftes Arbeiten fehlt diesen einfach ein grundlegendes Verständnis, so Hofer.

Ein neues Veranstaltungs- und Sicherheitsgesetz verschärft die Situation zusätzlich. Anita Hofer fordert daher, dass »Kulturveranstaltungen – wie auch Bildungsveranstaltungen sowie politische und kirchliche Veranstaltungen – aus diesem Gesetz ausgenommen werden, denn sie dienen weder der Belustigung noch der Erbauung oder der Ertüchtigung«, wie das im Gesetz beschrieben ist. Es sei nicht einzusehen, warum man für eine Ausstellungseröffnung plötzlich einen privaten Sicherheitsdienst braucht. Zudem weist sie darauf hin, dass diese Gesetze eine massive Umverteilung von Kulturgeldern zur privaten Sicherheitsindustrie und zur Bauwirtschaft bedeuten.

Die schwierige Situation vieler kleiner Kulturinitiativen wird von der Öffentlichkeit nur sehr eingeschränkt wahrgenommen. Bereits im letzten Jahr musste das Lokal Barprojekt in der Grazer Innenstadt schließen. Roland Oreski, einer der OrganisatorInnen des Elevate Festivals, erzählt, dass an besagtem Ort zwanzig Jahre lang ein gastronomischer Betrieb existierte. Doch plötzlich hätten die Verantwortlichen der Stadt entdeckt, dass es für das Lokal keine Baubewilligung als Betriebsstätte gäbe.

Das Gespräch mit Oreski und seinen Kollegen findet in einem Büro im Kulturzentrum Niesenbergergasse statt, das kürzlich seinen Veranstaltungsbetrieb einstellen musste; genauso wie die Papierfabrik, die ebenfalls als Kulturverein betrieben wurde. Andere Veranstaltungsorte wie das Wakuum oder das Sub sind von einer Schließung bedroht. In jüngster Zeit sehen sich auch vermehrt Vereine mit migrantischem Hintergrund mit Problemen konfrontiert, beispielsweise das Café Nil des Vereins Baodo, die Räume der INUS (Igbo National Union Steiermark) sowie der Verein Chiala, Veranstalter des jährlichen Afrikafestes im Augartenpark, der sich erst kürzlich mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit wandte. Bernhard Steirer von Elevate stellt zwar fest, dass es für die meisten der Schließungen wohl eine gesetzliche Grundlage gibt, aber es sei auffällig »wie sehr sich diese Schließungen innerhalb des letzten Jahres häufen


Ignoranz der Politik
Die FestivalmacherInnen kritisieren, dass man vonseiten der Stadt kein Verständnis dafür habe, dass die Vielfalt dieser kleinen Orte und Veranstaltungen eine Grundvoraussetzung dafür sind, dass große Festivals wie Spring oder Elevate überhaupt entstehen können. Simon Hafner erinnert an die »jahrelange Aufbauarbeit« durch Initiativen wie Four Elements, Schwarzes Radieschen, Sub oder Spektral. Deren kulturelle und soziale Arbeit würden von der Politik weitgehend ignoriert.

Hafner erzählt auch von den 1990er Jahren, als die gängigste Haltung unter Jugendlichen war: »So schnell wie möglich raus aus dieser Stadt!« Ab dem Ende der 1990er Jahre hätte sich das geändert, es gab eine Tendenz in Graz zu bleiben und Projekte zu realisieren, um die Stadt lebenswerter zu machen. Seit ein paar Jahren wächst Graz wieder, verantwortlich dafür ist auch der verstärkte Zuzug junger Studierender.

Doch die Grazer Stadtregierung reagiert auf diese Entwicklung nicht mit einem verstärkten Angebot an junge Menschen, sondern begegnet ihnen zunehmend mit Repression. Das derzeitige Prestigeprojekt ist dabei die sogenannte Ordnungswache, die von einem privaten Sicherheitsdienst gestellt wird. Diese ermahnt ParkbesucherInnen, überwacht Musik- und Alkoholverbote außerhalb kommerzieller Gastgärten, versucht ein paar Punks aus der Innenstadt zu vertreiben – und wird dabei ebenfalls von FPÖ-Stadtrat Eustachio verwaltet.

Anita Hofer und das Elevate-Team sind sich darin einig, dass dies Ausdruck eines zutiefst provinziellen Denkens ist. Bernhard Steirer bringt diese Mentalität auf den Punkt: »Es darf alles stattfinden, allerdings immer nur in einem genau abgesteckten Rahmen. Einmal im Jahr darf man auch ruhig sturzbetrunken durch die Herrengasse marschieren, nämlich wenn ›Aufsteirern‹ ist. Man muss sich halt einen Steireranzug dazu anziehen. Es gibt einfach gewisse Regeln für alles, innerhalb derer man sich bewegen kann. Da ist dann auch der Ausnahmezustand erlaubt, aber am nächsten Tag muss wieder alles in den gewohnten, ruhigen Bahnen verlaufen.«

(Text: Chris Sperl, Photo: Jakob Isselstein; erschienen im September 2013 in Skug #96)

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