Fehlt da jemand?

<p>BM Schmied macht Pläne für die Zukunft. Leider vergisst sie dabei auf die Misere der Gegenwart! Sie arbeite konsequent an der Umsetzung von kunst- und kulturpolitischen Zielen des Regierungsprogramms, ließ Bundesministerin Claudia Schmied kürzlich via OTS verlautbaren. Wie schön. Denn wenn das Programm diktiert was zu tun ist, dann können die eigenen Gedanken getrost ruhen!</p> <p>Leider war es der Ministerin und ihren KollegInnen offensichtlich nicht gegenwärtig

BM Schmied macht Pläne für die Zukunft. Leider vergisst sie dabei auf die Misere der Gegenwart! Sie arbeite konsequent an der Umsetzung von kunst- und kulturpolitischen Zielen des Regierungsprogramms, ließ Bundesministerin Claudia Schmied kürzlich via OTS verlautbaren. Wie schön. Denn wenn das Programm diktiert was zu tun ist, dann können die eigenen Gedanken getrost ruhen!

Leider war es der Ministerin und ihren KollegInnen offensichtlich nicht gegenwärtig beim Schreiben des Regierungsprogramms, dass 2011 das europäische Jahr der Freiwilligenarbeit begangen wird. Oder es war ihnen gegenwärtig, doch zuständig dafür ist das Sozialministerium. Also, keine Notwendigkeit in diesem Bereich zu handeln.Die Ministerin lobt zwar gerne Preise für interdisziplinäre Kunst aus, eine themenbezogene Verschränkung einzelner Ressorts, kann aber nicht ausgelobt werden.

Warum könnte die Frau Minister auch für Freiwilligentätigkeit zuständig sein? Nur weil der Bereich Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit der größte Bereich formeller Freiwilligenarbeit in Österreich ist - sowohl in Bezug auf die Zahl der Freiwilligen als auch in Bezug auf die eleisteten Arbeitsstunden, wie der Freiwilligenbericht 2009 erkennt? Oder weil Kultur als Querschnittmaterie funktioniert und damit auch in andere Lebens- und Arbeitsbereiche dringt und dort die Sichtweisen verändert?

Es stünde gerade der Kultur- und Bildungsministerin gut zu Gesicht, wenn sie das Ineinandergreifen ihrer Ressortbereiche auch erkennen würde, wenn sie die Verschränkungen kommunizieren würde und den gesellschaftlichen Mehrwert, der hier produziert wird auch honorieren würde. Die Freiwilligen in der Kulturarbeit (unabhängig welche Sparten hier angesprochen werden sollen) brauchen Sicherheit für ihre Arbeit. Wo im Katastrophenschutz seit langem Versicherungsmodelle greifen, ist der Kulturbereich Niemandsland. Zuständig sind die Vereine, die sich privat um die Versicherung ihrer MitarbeiterInnen kümmern müssen. Einige Bundesländer (Vorarlberg, Oberösterreich) machen es schon vor, wie praktikable Modelle aussehen könnten. Die Pionierrolle in diesem Bereich kann BM Schmied nicht mehr einnehmen. Verpasste Chance Part 1.

Aber noch könnte sie handeln. Denn alleine mit Versicherungen ist noch nicht alles abgedeckt. BM Schmied könnte sich auch – außerhalb des vereinbarten Regierungsprogramms – Gedanken machen, welche Möglichkeiten es geben könnte, um freiwilligen MitarbeiterInnen in Kultureinrichtungen Weiterbildung zu ermöglichen, die sie für die Ausübung ihrer Tätigkeiten benötigen. Modelle von Bildungsurlaub und dergleichen gibt es schon, sie müssten nur adaptiert werden. BM Schmied könnte auch dafür eintreten, dass Freiwilligenarbeit eine Anrechenbarkeit auf Pensionszeiten erfährt, was auch im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit wäre. Der Vorschlag ist kein Unbekannter, hat ihn doch Andreas Khol (damals Klubobmann der ÖVP) mit seiner Idee der Bürgergesellschaft schon lanciert.

Doch so wie es aussieht, sind all diese Ideen im Feld der normativen Utopien anzusiedeln. Denn ansonsten wäre es hoch an der Zeit, geeignete, simple Maßnahmen zu setzen, die das Leben für Kunst- und KulturarbeiterInnen erleichtern würden. Allein für das Feld freiwilliger Tätigkeit. Dass es auch hoch an der Zeit wäre über Gehaltsstandards für Beschäftigte im Kulturbereich zu sprechen, wird von der IG Kultur gerade kommuniziert. Frau BM Schmied müsste einfach nur zuhören!


Stefan Haslinger, Geschäftsführer der KUPF, Obmann der IG Kultur Österreich und Botschafter der Europäischen Jahres der Freiwilligenarbeit 2011

WEITERFÜHRENDE LINKS:

Kulturrisse 03/2009: Freiwilliges Engagement: Hackeln für die "Ehre"?

Europäisches Jahr der Freiwilligenarbeit, auf der Freiwilligenbericht zu finden ist.

Versicherungsmodelle für freiwillig tätige KulturarbeiterInnen:
Vorarlberg
Oberösterreich

Bildungsmodelle:
Deutschland
Schweiz

Video "Ehrenamt und Freiwilligenarbeit" - von der Konferenz "Networking or Not-working":

 

ALTERNATIVEN ZUM VERLUST DER KULTURPOLITIK:

Teil 26: Umverteilung ist eine Alternative. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 25: Die engen Grenzen der Kunst. Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 24: Internationale Kulturpolitik zwischen Dialog, Selbstrepräsentation und Ausgrenzung. Von Franz Schmidjell
Teil 23: Kulturpolitik machen – für eine Verteilungsdebatte, jetzt! Von Juliane Alton
Teil 22: Umverteilung jetzt! Von Elisabeth Mayerhofer
Teil 21: Die Wissensgesellschaft und ihre freien Idioten. Von Andrea Roedig
Teil 20: Kunst irrt. Von Juliane Alton

Teil 19: Gipsy Dreams. Von Gilda-Nancy Horvath
Teil 18: Intervention zur Wienwoche. Von Ülkü Akbaba und Andreas Görg
Teil 17: Kulturpolitik für Menschen, nicht für Institutionen! Von Marty Huber
Teil 16: Mobilität statt Barrieren!. Von Petja Dimitrova
Teil 15: Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik: Ein Zwischenresümee. Von Gabi Gerbasits

Teil 14: Von Schönheitsfehlern und Mißtönen abgesehen. Von Gerhard Ruiss
Teil 13: Lasst alle Hoffnung fahren. Von Otto Tremetzberger
Teil 12: Soziale Lage? Oder Wallfahren für Linke. Clemens Christl
Teil 11: Ein Lüfterl oder ein Brain-Storm? Gottfried Wagner
Teil 10: Panic on the Streets of London. Michaela Moser

Teil 9: Gefällige Demokratur oder demokratische Kultur? Stefan Haslinger
Teil 8: Räume der kulturellen Tat. Marty Huber
Teil 7: Transparenz in der Kulturverwaltung - a never ending story. Juliane Alton
Teil 6: Musiktheater als bürgerlicher Selbstbedienungsladen? Juliane Alton
Teil 5: Zwei ökonomische Argumente, warum man sich bei der Kultur nichts erspart und ein Plan B. Paul Stepan

Teil 4: Eine Kulturpolitik für Alle und von Allen. Ljubomir Bratić
Teil 3: Abschminken ist angesagt! Michael Wimmer
Teil 2: Keine Angst vor den freien Szenen? Elisabeth Mayerhofer
Teil 1: Fehlt da jemand? Stefan Haslinger
Teil 0: Geht's noch? Marty Huber

Ähnliche Artikel

Wie wirkt Fair Pay in der Praxis für Künstler*innen, Kulturarbeiter*innen und Kulturvereine? Wo stehen wir interessenpolitisch mit Fair Pay aktuell, wo wollen wir hin? Und welche Orientierungshilfen und Tools gibt es für die verschiedenen Kunstsparten? Wir laden zur Präsentation des "Fair Pay Reader 2024" am 19. März um 19 Uhr mit anschließender Diskussion im Depot, Wien.
Das Kunst- und Kulturbudget des Bundes für das Jahr 2024 ist mit 668,8 Mio. Euro veranschlagt. Gegenüber 2023 (620,2 Mio.) ist das ein Plus von 48,6 Mio. Euro oder 7,8 Prozent. Große Würfe sind hier nicht zu erwarten – allerdings muss hervorgehoben werden, dass Vorgänger*innen von Staatssekretärin Mayer nicht einmal die Inflationsanpassung erkämpfen konnten. Das ist nun gelungen. Spielräume für Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Struktursicherung der freien Szene sind im gegebenen Rahmen jedoch nicht realistisch.
Faire Bedingungen für alle im Kunst- und Kultursektor und konsequent gelebte Partizipation – die ARGE Kulturelle Vielfalt, das Expert*innen-Gremium der UNESCO Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft in Kunst und Kultur, hat sich mit dem aktuellen Stand der Kulturpolitik eingehend beschäftigt und analysiert, wo die Politik nachschärfen muss um ihren internationalen Verpflichtungen zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen nachzukommen. Eine Handlungsweisung für die Kulturpolitik.