Ignoriert, irritiert, integriert - MigrantInnenkulturpolitik in Oberösterreich

Stehen Wahlen an - wie nun die Landtagswahlen in Oberösterreich - sind nur WählerInnen interessant: die vielbeschworenen BürgerInnen. MigrantInnen sind ausgeschlossen von dieser rudimentären Teilhabe an der gesellschaftlichen Gestaltung.

Stehen Wahlen an - wie nun die Landtagswahlen in Oberösterreich - sind nur WählerInnen interessant: die vielbeschworenen BürgerInnen. MigrantInnen sind ausgeschlossen von dieser rudimentären Teilhabe an der gesellschaftlichen Gestaltung. Damit existieren MigrantInnen in Wahlkampfzeiten entweder gar nicht in der Öffentlichkeit oder sie sind Spielball der herrschenden Interessen: degradiert zu Objekten in ausländerInnenfeindlichen Wahlkampfparolen oder zu Objekten einer vermeintlichen Multikulturalität für die aufgeschlossenen WählerInnen. MigrantInnen als politisch handelnde Subjekte, als ProtagonistInnen, haben es in Wahlkampfzeiten noch schwerer, sich Gehör zu verschaffen, wenn jegliche Politik reduziert wird auf Wahlstimmen-Verwertungslogik.

Teilhabe abseits der Wahlen

MigrantInnen entwickeln Formen gesellschaftlicher Teilhabe auch abseits vom Wahlrecht. Seit langem gibt es schon MigrantInnenvereine, die - oftmals für die eigene Herkunftscommunity - soziale Unterstützung und Kommunikation bieten. Erweitert hat sich dieses Tätigkeitsfeld aber auch in den Kunst- und Kulturbereich, besonders spannend dann, wenn kulturelle Ausdrucksformen entwickelt werden, die die Tradtionspflege der Herkunftsländer sprengen - und dann ganz und gar nicht mehr den Erwartungen und Wünschen der österreichischen RezipientInnen nach Kebab, Samba und Folkloremusik entsprechen.

Dabei entstehen künstlerisch anspruchsvolle Projekte und Neues. Junge MigrantInnen rund um das Freie Radio FRO experimentieren mit Sound-Remixes. Second Generation Jugendliche und junge Flüchtlinge organisieren gemeinsam mit österreichischen Jugendlichen und Künstlerinnen eine Medienwerkstatt und eine Plattform für Kunstprojekte als Kulturverein MEDEA. Migrantinnen bei MAIZ artikulieren politische Positionen im öffentlichen Raum mit künstlerischen Mitteln. Ganz aktuell ist die Kampagne der "Linzer Wahlpartie", eines Zusammenschlusses von MigratInnen, die das längst überfällige kommunale Wahlrecht einfordert und Initiativen setzt, damit MigrantInnen auch in Wahlkampfzeiten als politische Subjekte wahrgenommen werden (vgl. auch Andrea Hummers Artikel in der letzten Ausgabe der Kulturrisse: 02/03).

Mit solchen und anderen kulturellen Aktivitäten durchbrechen MigrantInnen die Enge der kulturellen Grammatik in der österreichischen Gesellschaft: die Anpassung einerseits und die Prädestinierung, den Stereotypen zu entsprechen andererseits. Eine neue kulturelle Praxis der MigrantInnen als ProtagonistInnen ist am Entstehen: eine Praxis, die Potenziale nutzbar macht und die Handlung zur Veränderung fördert.

Reaktion der Politik

Doch wie werden diese Entwicklungen von den PolitikerInnen wahrgenommen? Die Antwort liegt irgendwie zwischen ignoriert, irritiert und integriert. Hierbei werden die unterschiedlichen Profile der Parteien sichtbar. Es gibt ja immerhin noch eine Verwertungslogik.

Die ÖVP weist in patriarchaler "Landespapa"-Manier jegliche Kritik an ihrer Politik zurück. So viel habe sie doch für Oberösterreich als Kulturland erreicht, und natürlich seien sie alle AntirassistInnen. MigrantInnen werden als aktive TrägerInnen des kulturellen Geschehens wahrgenommen - wenn nur die künstlerische Qualität stimmt. Ob die Qualität stimmt, entscheiden österreichische BeamtInnen bzw. der österreichische politische Referent. Der Landeskulturdirektion Oberösterreich konnte in den letzten Jahren - auch mit Unterstützung des Lan-deskulturbeirats - punktuelle Unterstützung für Kunst- und Kulturprojekte von MigrantInnen abgerungen werden, es fehlt aber an strukturellen Maßnahmen, die ein abgesichertes Arbeiten, die Entwicklung von professionellen Vernetzungsstrukturen und ein mehr an notwendiger Öffentlichkeit ermöglichen. Mit der Forderung des Forum Interkulturalität und der KUPF nach einer förderpolitischen Bevorzugung von MigrantInnen hat die ÖVP dezidiert keine Freude. "Zuversicht für Oberösterreich" verkündet Landeshauptmann Pühringer auf dem Wahlkampfplakat, ob MigrantInnen auch zuversichtlich sein dürfen, bleibt offen. In der "Erfolgs-Bilanz für Oberösterreich", einer Stichwortsammlung der Leistungen des Landeshauptmanns und seines Teams - von Abwasserentsorgung bis Zivildienst - kommen MigrantInnen nicht einmal vor.

Alle anderen Parteien haben in der Kulturpolitik des Landes Oberösterreich nicht viel mitzureden. Die Kultur ist Chefsache in Oberösterreich. Und wer der Chef ist, ist klar.

Die SPÖ gibt sich in Oberösterreich betont migrantInnenfreundlich. "Die Förderung kultureller Aktivitäten von MigrantInnen ist ein wichtiger Bestandteil der geforderten kulturpolitischen Leitlinien" erklärt die SPÖ. Seit Jahren organisiert sie den Interkulturpreis, eine spezielle Ausschreibung für interkulturelle Projekte. Dabei wird deutlich mehr Geld für Marketing und Präsentationsfest ausgegeben, als in Form des Preisgeldes den Projekten zugute kommt. Offenbar soll vergessen gemacht werden, welche diskriminierende Politik über viele Jahre sozialdemokratische Innenminister in Österreich gemacht haben.

Die Grünen sind selbstverständlich migrantInnenfreundlich; interessant ist, dass sie die einzige Partei sind, die über Fachkompetenz zum Thema verfügt und auch strukturelle Maßnahmen fordert, z.B. interkulturelle Kompetenz durch MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund in der Landeskulturdirektion. Geprägt ist die grüne Kulturpolitik allerdings einerseits von mangelnder Durchsetzungsfähigkeit aufgrund der Dominanz der allmächtigen ÖVP, andererseits vom StellvertreterInnen-Prinzip. Auf der Liste für die Landtagswahlen finden sich keine Menschen mit Migrationshintergrund an wählbarer Stelle, und manchmal ist etwas Angst vor allzu viel antirassistischer Ausrichtung zu verspüren. Nur nicht zu radikal: Grüne wollen ja im schwarzen WählerInnenpotential fischen.

Auch die KPÖ ist migrantInnenfreundlich, kann aber aufgrund mangelnder politischer Kraft und mangelnder Vertretung in Gremien nichts durchsetzen. Für die KPÖ sind aber auch die neueren Entwicklungen in der kulturellen Landschaft Oberösterreich durch die Beiträge der MigrantInnen wenig Thema. Wenigstens gibt es mit der KPÖ doch noch eine Partei, die die allseits herrschende kapitalistische Verwertungslogik in Frage stellt und damit den Menschen und nicht den Profit in den Mittelpunkt rückt.

Erfreulicherweise trifft das Bundestief auch die Landes-FPÖ. Sie wird voraussichtlich Stimmen verlieren. Die FPÖ positioniert sich klar gegen eine förderpolitische Bevorzugung von MigrantInnen und betont - nicht anders zu erwarten - Heimat und Vaterland. Abgesehen von der unsäglichen populistischen Kampagne gegen den Neubau des Linzer Musiktheaters war in den letzten Jahren von der FPÖ kulturpolitisch nicht viel zu vernehmen, aktuelle Entwicklungen scheint sie einfach zu verschlafen. Bleibt zu hoffen, dass das Bundestief und der Tiefschlaf auf Landesebene anhalten, denn auch die Politik der anderen Parteien verweist nicht wirklich auf rosige Zeiten für kulturell aktive MigrantInnen in Oberösterreich.

Es geht weiter

Trotz der ohnehin nicht überraschenden Positionierungen der Parteien im Wahlkampf wird die MigrantInnenkulturarbeit weitergehen. Würden MigrantInnen auf entsprechende Rahmenbedingungen warten, könnte gar nichts passieren. Immerhin wurde in den letzten Jahren ein erster (teil-)öffentlicher Diskurs entwickelt und innerhalb der Kulturszene Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen.

Wir können gespannt sein, was den aktiven MigrantInnenvereinen und vielen anderen aktiven kulturschaffenden MigrantInnen noch alles einfällt. Das ist jedenfalls immer spannender und kreativer als alles, was die herrschende Politik zu bieten hat.


Andrea Mayer-Edoloeyi ist Kulturarbeiterin, KUPF-Vorstand und Mitarbeiterin von FIFTITU%.

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