Kulturförderung zum Mitreden?

Bei dem zurzeit laufende Konsultationsprozess zum nächsten Kulturförderprogramm der EU sind die Verfallserscheinungen bemerkbar. Die einzelnen Förderschienen der Europäischen Union im Kulturbereich wurden für 2007 bis 2013 konzipiert. Ab 2013 werden die Programme Kultur, Medien, Jugend und Bürgerschaft neu strukturiert.

Mit-reden, mit-bestimmen oder gar mit-entscheiden sind demokratische Qualitäten. Inwieweit diese erwünscht sind und in welcher Abstufung sie umgesetzt werden, hängt von der demokratischen Verfasstheit der jeweiligen Institutionen ab. Partizipative Prozesse wie z. B. Hearings, Arbeitsgruppen oder Onlinebefragungen wurden an einigen politischen Stellen implementiert. Aufgrund der bestehenden Machtverteilung können sie aber auch leicht desavouiert werden und zu Beschäftigungsprogrammen für ExpertInnen und InteressenvertreterInnen verkommen.

Der Konsultationsprozess zum EU-Kulturförderprogramm

Bei dem zurzeit laufende Konsultationsprozess zum nächsten Kulturförderprogramm der EU sind die Verfallserscheinungen bemerkbar. Die einzelnen Förderschienen der Europäischen Union im Kulturbereich wurden für 2007 bis 2013 konzipiert. Ab 2013 werden die Programme Kultur, Medien, Jugend und Bürgerschaft neu strukturiert.

Obwohl das Gerücht, die Kommission verhandle hinter verschlossenen Türen über eine Auflösung der einzelnen Programme und in Folge über eine Zusammenführung aller Sparten mit einer neuen Schwerpunktsetzung in Richtung Kreativwirtschaft, sich auch durch öffentliche Aussagen des Präsidenten Barroso immer mehr verdichtet, werden ExpertInnen mit Fragestellung entlang der bisherigen Programmgliederung beschäftigt.

Die EU Kommission hat in allen Politikbereichen klar strukturierte Konsultationsprozesse, diese gliedern sich in eine Online-Befragung und in darauf folgende öffentliche Hearings.

Zum Kulturprogramm gab es im Dezember 2010 über die Website der Kommission (1) ein Beteiligungsverfahren, das mit einer Mischung aus vorgegebenen Bewertungsfragen und offenen Fragen die Möglichkeit bot, Anregungen für das nächste Kulturprogramm einzubringen. Die eingelangten Antworten (hier waren es 964) werden auf der Website veröffentlicht um die Transparenz des Verfahrens zu garantieren. Nach Auswertung der Antworten wird auch diese zusammenfassend publiziert. Am 4. Februar wurden daher die ausgefüllten Fragebögen ins Netz gestellt (2), aber bereits wenige Tage später war der Link nicht mehr aktiv.

Das öffentliche Hearing Mitte Februar in Brüssel

Am 16. Februar 2011 fand in Brüssel das öffentliche Hearing zur Neuausrichtung des Kulturförderprogrammes nach 2013 statt. Auf Basis der Analyse der Antworten sollte das Hearing die gestellten Fragen nach Zielen, Aufgaben und Aktivitäten noch mal schärfen. Weder in den Tagungsunterlagen noch auf der Website war zu diesem Zeitpunkt eine Auswertung zu finden. Die während des Hearings von der EU-Kommission präsentierte Analyse der Onlinebefragung erschöpfte sich in der Feststellung, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Ziele von 50 Prozent unterstützt wurden und es eine Zustimmung zu (fast) allen von der Kommission vorgeschlagenen Aktivitäten gab. Eine Detailanalyse wurde dann für März in Aussicht gestellt.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt offenbarte das Verfahren seine Inhaltslosigkeit und geriet zur Farce. 600 Personen konnten in zweieinhalb (!) Stunden ihren Beitrag zur Analyse und zu den zukünftigen Schwerpunkten formulieren. Die Hälfte der Zeit nahmen die ad hoc Antworten der VertreterInnen der zuständigen Generaldirektion in Anspruch, die die Gelegenheit wahrnahmen, jeden Vorschlag unnötigerweise zu replizieren.

Die von den Kulturschaffenden im Onlineverfahren eingebrachten neuen Ziele eines EU-Kulturprogrammes konnten überhaupt nicht diskutiert werden. Sie kamen in den Tagungsunterlagen ja nicht vor; genauso wenig wie die eingebrachten Aktivitäten, Schwerpunkte bzw. alle frei formulierten Inhalte – und das, obwohl die präsentierte 50 prozentige Zustimmung auch als 50 prozentige Ablehnung gelesen werden kann. Über die Relevanz der von der Kommission vorgeschlagenen Ziele ergibt sich somit überhaupt kein aussagekräftiges Bild.

Zu den Aktivitäten und Aufgaben wurden gleich keine Zahlen vorgelegt, geschweige denn eine Aufschlüsselung der Prioritäten nach NGOs, Privatpersonen und staatlichen Einrichtungen. Diese Analyse ist aber wichtig, da z. B. eine hohe Zustimmung von staatlichen Institutionen bei einer gleichzeitigen mehrheitlichen Ablehnung durch NGOs oder Privatpersonen hinterfragt werden müsste. Auch allfällige nationale oder regionale Gewichtungen sind interessant, im Besonderen da 47 Prozent (!) aller Onlineantworten aus Frankreich kamen und nur wenige aus Osteuropa.

Die Anwesenden hatten somit lediglich die Möglichkeit, ihre zumeist bereits schriftlich im Beteiligungsverfahren eingebrachten Positionen zu wiederholen und der zuständen Generaldirektion ein intensiveres Engagement bei der Forderung nach höheren Budgets für Kulturförderung abzuverlangen. Bis jetzt sind noch immer keine Ergebnisse öffentlich zugänglich.

Fazit

Am 18. März 2011 fand das Hearing zum MEDIA Programm statt, ebenfalls nach einer im Vorjahr durchgeführten Onlinebefragung, deren Ergebnisse auch nicht publiziert wurden. Diesmal standen dem Publikum eineinhalb Stunden für Inputs und Beiträge zur Verfügung. Vor wenigen Tagen wurde das Beteiligungsverfahren zum MEDIA Mundus Programm eröffnet und ist bis 23. Mai 2011 zugänglich.

Demokratische Verfahren werden hier brillant simuliert – unter Beteiligung von mehreren hundert ExpertInnen, die durch Europa fliegen, um ihre Kenntnisse einzubringen, und deren Ideen, Argumente und Erfahrungen nur bei ihnen selbst wieder landen.

Fußnoten

(1) siehe: www.eacea.ec.europa.eu/index_en.php

(2) siehe: www.ec.europa.eu/culture/our-programmes-and-actions/doc2805_en.htm

 

Gabi Gerbasits

ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.

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