Mobilitätsbarrieren? War da etwas?

„Was werden Sie tun, um Mobilitätsbarrieren real abzubauen, anstatt ihrer Zementierung zuzustimmen?“, lautete eine der drei Fragen. Antworten hat die Ministerin bis heute nicht.

Ein kurzer Blick zurück: Mit der Erfindung der interministeriellen Arbeitsgruppen (IMAG) zur Verbesserung der sozialen Lage der Künstler*innen (ab April 2009) werden dort auch fremden- und beschäftigungsrechtliche Mobilitätsbarrieren allmählich Thema. Kurz vor Jahresende 2009 lädt das BMUKK schließlich zu einer ersten Sitzung ein: In Anwesenheit von Innen- (BMI), Außen- (BMEIA) und Sozialministerium (BMASK) erläutern Kunst- und Kultureinrichtungen, wie verweigerte Visa und Aufenthaltstitel regelmäßig internationalen, (auch) vom BMUKK geförderten Projekten einen Strich durch die Rechnung machen, und Interessenvertretungen halten die ganze Palette an Mobilitätsbarrieren in einem Problemkatalog fest. Zwei Monate später folgt die nächste – und bislang letzte – Arbeitsgruppensitzung wie auch die Fortsetzungslektüre: konkrete Lösungsvorschläge in einem umfassenden Forderungskatalog, von Adaptionen der Durchführungspraxis bis hin zu Gesetzesänderungen. Knapp ein Jahr später kündigt ein Mitarbeiter des BMUKK eine Informationsbroschüre für Künstler*innen an: eine Publikation in mehreren Sprachen als Orientierung durch den fremdenrechtlichen Dschungel. Die Broschüre werde in Zusammenarbeit von BMUKK, BMI, BMEIA und BMASK entstehen und somit alle vier Ministerien einbinden, in deren Fachbereich Aufenthalts- und Arbeitspapiere (unter anderem für Kunstschaffende) fallen. Diese interministerielle Zusammenarbeit soll gleichzeitig als Gelegenheit zur Ausverhandlung einer verbesserten Durchführungspraxis dienen, die Interessenvertretungen sollen später in eine Feedback-Runde eingebunden werden. So wertvoll Informationsaufbereitung auch sein kann, so sehr erscheint dieses im Februar 2011 vorgestellte Vorhaben als Hohn zum zeitgleichen realpolitischen Geschehen.

In derselben Woche stimmt Kulturministerin Schmied im Minister*innenrat für die nächste Verschärfung von sogenannten Fremdenrechtsgesetzen. Mit einem derartigen Abstimmungsverhalten ignoriert Schmied nicht nur die Interessen ihres Ressorts, sondern unisono mit ihren Minister*innenkolleg*innen auch die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt – zu deren Umsetzung sich sehr wohl auch Österreich verpflichtet hat. Davon mehr als irritiert, richten ca. 50 Kunst- und Kulturinstitutionen sowie Interessenvertretungen gemeinsam einen offenen Brief an Schmied, weisen auf die generellen rassistischen Implikationen hin und wollen es für den Kunst- und Kulturbereich genauer wissen: „Was werden Sie tun, um Mobilitätsbarrieren real abzubauen, anstatt ihrer Zementierung zuzustimmen?“, lautete eine der drei Fragen. Antworten hat die Ministerin bis heute nicht. Überhaupt irgendeine schriftliche Reaktion konnte der Kulturrat Österreich der Ministerin nach wiederholtem Nachhaken erst ein Jahr später entlocken. Von Antwort kann aber weiterhin keine Rede sein: „… die Anliegen der Konvention zum Schutz und zur Forderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksweisen sind mir wichtige Anliegen. Durch die Verankerung dieser Themen im Regierungsprogramm ist es gelungen, auch auf interministerieller Ebene bedeutende Fortschritte zu erzielen. Die in diesem Zusammenhang durchgeführten Aktivitäten, Prozesse und strukturellen Einrichtungen sind Ihnen bestens bekannt“, so Schmied.

Doch was ist dem Kulturrat Österreich bekannt? Bekannt ist ein mehrmals verworfener Zeitplan für eine Infobroschüre. Zuletzt war für Mai 2012 ein erster Einblick angekündigt. Zu Gesicht bekommen haben die im Kulturrat Österreich organisierten Interessenvertretungen bis zum Redaktionsschluss (Juni 2012) nach wie vor nichts.

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