Wie geht es eigentlich der Kunst und Kultur? Vorarlberger Kulturakteur*innen antworten

Eine Bestandsaufnahme für "marie - Die Vorarlberger Straßenzeitung".
Hier in ungekürzter Fassung.

Ein winziger Virus und eine zunehmend nicht nachvollziehbare Krisenpolitik haben die «Kulturnation Österreich» seit einem Jahr lahmgelegt und womöglich dauerhaft beschädigt. Ein Kanzler, der Kulturbegeisterte und Kulturschaffende als «Kulturverliebte» bezeichnet, dies aber keineswegs positiv meint, entscheidet mit seinem Regierungskabinett, dass Kunst und Kultur nicht «systemrelevant» sind. Gleichzeitig gibt es Studien, die besagen, dass Menschen, die regelmässig kulturelle Veranstaltungen besuchen, geistig gesünder bleiben und länger leben1. Diese Regierung schafft es dann auch, im Jahr 2020 erst nach vielen Wochen des kulturell ignoranten Krisenmanagements und mithilfe eines Wechsels  der zuständigen Personen, die ernsthaften existentiellen Sorgen der ca. 150.000 (!) im Kulturbereich tätigen Menschen im Land zu sehen und auch in diesem Sektor mit Hilfspaketen zu reagieren. Wohlgemerkt einem Sektor, der gemäss einer Untersuchung vom Juni 2020 in direkten und indirekten Wertschöpfungseffekten vor Corona immerhin 9,8 Milliarden Euro erwirtschaftete, was knapp 3% des österreichischen Bruttoinlandsprodukts entspricht2. Mit dem Verbot von Veranstaltungen in mittlerweile bereits drei Lockdowns gingen für viele Kulturschaffende die Existenzgrundlagen von heute auf morgen verloren. Besonders die Freie Kulturszene treffen die Pandemie-Maßnahmen bis ins Mark, da ihre Protagonist*innen nicht durch die Möglichkeit von Kurzarbeit abgesichert sind, wie etwa die Angestellten in den grösseren Kultur-Betrieben. Sie bewegen sich schon unter «normalen» Umständen immer am Rande des Existenzminimums. Die Marie hat sich deshalb bei Vorarlberger Künstlerinnen und Künstlern einfach mal erkundigt, wie es ihnen geht. Es zeigt sich ein ernüchterndes Bild - ohne Aussicht auf Veränderung trotz «Modellregion» und ersten «Öffnungsschritten» im März. Und was macht das Land Vorarlberg? Es kürzt das Kulturbudget für das Jahr 2021 auf insgesamt 23,4 Millionen3 und stockt die einzige Branche, die während des vergangenen Jahres boomte, nämlich die Baubranche, mit zusätzlichen 30 Millionen auf 190 Millionen Euro4 auf.

 

1. Wie hat sich Corona und die damit verbundenen politischen Massnahmen im vergangenen Jahr auf dein Leben ausgewirkt?

2. Wovon hast du gelebt? 

3. Wie schaut es aktuell bei dir aus? 

4. Wie schätzt du die Krisenpolitik der Bundesregierung ein? Was hat oder hätte dir geholfen?


Das sind die 4 Fragen, die die marie insgesamt 21 Vorarlberger Kulturschaffenden quer durch alle Sparten gestellt hat.

 


Christine Lederer, 44 / Bildende Künstlerin, Grafikdesignerin / Bludenz

Christine Lederer ©Mark Mosman
 © Mark Mosman

 

 




   

 

 

 

1. Jeglicher Rhythmus war weg. Statt regelmäßiger Arbeitszeiten hieß es Kochen und 150% präsent sein als Mutter. Alles war durcheinander, viel Stabilität Gebendes war weg. Letztes Jahr hatte ich große Existenzängste, Schlafstörungen und viel Unruhe zu Besuch. Es blieb kaum Zeit für Erwerbsarbeit und meinen Erholungsraum. Sehr geschätzt habe ich trotz aller Absurdität die Ruhe im Außen, die im Innen viel sortiert hat. 

2. Wir leben von Fleisch und Pizza (mein Sohn) und Vegetarischem (doppelte, kontrastreiche Haushaltsführung), von mehr Yoga und Wald, vom mentalen Support meiner Super-Freund*innen, vom Verkauf meiner Kunst an Sammler*innen und Unterstützer*innen, den treuen Kund*innen meines Grafikbüros und von Hilfsfonds.

3. Immer wieder hole ich mir bewusst Vertrauen und Freude her – wohl fast mehr wegen der Pubertät meines Sohnes als der Coronakrise. Beides werden wir meistern. Wir Menschen sind stärker als wir manchmal meinen: Proaktiv den Alltag wuppen, es gibt so viel Schönes und zu lernen im Leben.

4. Mir persönlich haben die Hilfsfonds sehr geholfen. Sie haben mich freigespielt von Existenzpanik. Dafür bin ich Österreich sehr dankbar, unserem Sozialstaat. Ich stelle die Art und Weise der Führung sehr stark in Frage. Mir fehlt hier das ausgesprochene Vertrauen in die Bevölkerung. Für mich gleicht das eher einer Kindererziehung, bei der mit Macht, Bestrafen und Hinhalten gearbeitet wird und nicht mit Respekt und Zuversicht. Österreich zeigt sich sehr konservativ, was das Rollenbild der Frau angeht. Wir werden selbstverständlich als unbezahlte Arbeiterinnen hinter dem Herd gesehen. Viele merken das nicht mal. Mich macht das unglaublich wütend.
 



Günter Marinelli, 60 / Festivalleiter / Dornbirn und andere

Günter Marinelli
 © Stefan Hauer

 

1.  Der Verlust unserer beiden Tanzfestivals führte direkt in eine betäubende Isolation. Die Lebendigkeit und die positiven Schwingungen, die Künstlerinnen und Künstler mit sich bringen, aber auch die von unserem Publikum, das uns ja Alle trägt, hat mir sehr gefehlt. Gleichzeitig war 2020 auch eine Zeit der Selbst-Reflektion.

2. Der Verein ist trotz der abgesagten Festivals von Land und Bund unterstützt worden und einiges ging von meinem kleinen Erbe weg, welches eigentlich für die Altersvorsorge gedacht war.

3. Wir haben anstatt der beiden Festivals unser Programm über das ganze Jahr verteilt, ein Versuch, nicht wieder Alles zu verlieren. Das erste Projekt hat Ende März online stattgefunden, im Juni hoffe ich aber sehr, dass wir wieder live auf der Bühne stehen können.

4. Es gibt einen Spruch der für die derzeitige Bundesregierung für mich zutrifft: den Karren in den Dreck fahren. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. 
 



Felix Bernhard Huber, 26 / Musiker, Komponist / Gaißau

Felix Bernhard Huber
© Maximilian Witsch

 

1. Es kam alles ziemlich überraschend, denn von heute auf morgen wurden alle Veranstaltungen und Konzerte abgesagt. Jedoch habe ich immer stets probiert, das Beste aus der Situation zu machen. 

 2. Ich wurde im April bei der Miliz einberufen, um bei der Bekämpfung des Virus mitzuwirken. Derzeit bin ich immer noch mit der Miliz des Bundesheeres und befinde mich aktuell schon im dritten Einsatz, denn Konzerte zu geben ist immer noch nicht möglich.

3. Nach meinem Einsatz freue mich dann aber auch wieder, ab April in meinem zivilen Beruf als Komponist zu arbeiten. 

4. Mir hätten Transparenz und gutes Krisenmanagement geholfen. Was meiner Meinung nach wirklich gefehlt hat, war, dass jemand Verantwortung übernimmt und uns nicht  ein Jahr lang im Dunkeln zappeln lässt. Ich kann jeden Künstler verstehen, der sich neu orientiert hat, denn hätte ich die Möglichkeit mit der Miliz nicht gehabt, hätte ich wahrscheinlich ein ähnliches Schicksal.
 



Barbara Herold, 59 / Regisseurin, Theatergruppe «dieheroldfliri.at» /Bregenz

Barbara Herold
© Lisa Mathis

 

1. Es war ein dauerhaftes Hoffen und Bangen. Ende März war der Jahrestag der nicht stattgefundenen Premiere von KIND.ERBE.REICH in Feldkirch. Dreimal wurde verschoben, derzeit sehen wir dem Mai optimistisch entgegen. Man steht immer in den Startlöchern und das mehrfache vergebliche Umplanen, das mit viel Arbeit verbunden ist, dieses Stop and Go zehrt an den Nerven. Absurderweise waren die Momente klarer Entscheidungen zum Veranstaltungsverbot sogar eine Erleichterung, weil man dann zumindest die Entschleunigung des Lockdowns genießen konnte.

2. Dank der Flexibilität der Förderstellen wurden die Förderungen 2020 in voller Höhe ausbezahlt, auch wenn Vorstellungen verschoben werden mussten. Also konnten die Honorare beglichen werden. Persönlich kann ich nicht klagen. Viele der spät angelaufenen Unterstützungsmöglichkeiten des Bundes haben insgesamt zwar Wirkung gezeigt, aber dennoch gibt es Kulturschaffende, die wegen ihrer spezifischen Arbeitssituation bei allen Stellen leer ausgehen. Das haben wir bei Beratungen vom Verein „locart“, der sich für private Investitionen in Kunst und Kultur einsetzt, mit großem Erschrecken feststellen müssen.

3. Bangen und Hoffen Kapitel 4. Ich hoffe sehr, dass das regionale Modell Vorarlberg mit den ersten Öffnungsschritten gelingt und die Zahlen tatsächlich dauerhaft im niedrigen Bereich bleiben.

4. Erschreckend ist, dass man der Politik im vielzitierten „Kulturland Österreich“ ständig in Erinnerung rufen musste, dass Kunst und Kultur spezifische Bedingungen brauchen, und dass man die Gleichbehandlung mit anderen Branchen permanent einzufordern hatte. Es gab viel Aufbegehren aus der Kultur und viele Bekenntnisse zur Kultur im letzten Jahr. Letztere haben sich aber gerade zu Beginn der Pandemie oft als Lippenbekenntnisse herausgestellt. Hoffen wir, dass diese Phase wirklich vorbei ist.

 



Alfred Vogel, 49 / Schlagzeuger / Bezau

Alfred Vogel
© Sven Germann

 

1. Es ist nun fast ein ganzes Jahr her und seitdem hat sich mein alltägliches Leben drastisch verändert: Ich war seit Jahren nicht mehr so lange an ein und demselben Ort (also zuhause) und habe soviel Zeit mit mir selbst verbracht. Ich habe schon lange nicht mehr soviel geübt und bin eigentlich richtig gut in Form. Aber was einem abgeht, merkt man nach dieser langen Spielpause erst, wenn man endlich wieder einmal mit anderen Musikern spielen kann - das Publikum fehlt allerdings nach wie vor. Es ist gerade im Jazz ein so wichtiger Bestandteil einer Performance. „Swing“ bekommt in diesem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung: die Schwingungen zwischen Künstlern und Publikum - die zwischenmenschlichen Schwingungen fehlen am meisten. 

 2. Meine Frau versorgt mich bestens, sie ist eine erfolgreiche Unternehmerin. Ich bin also quasi Hausfrau, bzw. der Familien-Koch. Leider werden viele meiner Kollegen nicht so selbstverständlich aufgefangen... 

3. Inzwischen habe ich meinen 2. Live-Stream gespielt … und langsam kommen ein paar Daten in den Kalender, aber wie fix die sein werden, das soll sich noch zeigen. Ich bin zuversichtlich, dass es bald besser wird. Deswegen arbeite ich einfach weiter an all meinen Projekten. Und langsam denke ich an eine mögliche Ausgabe der Bezau Beatz im August nach...

4. Ich möchte an dieser Stelle nur sagen, dass für mich die grundsätzliche Frage, die wir uns als Gesellschaft überhaupt stellen sollten, folgende ist: Wie wollen wir leben? 
Wenn darüber Klarheit entsteht, dann finden wir einen Ausweg aus dem pandemischen und ökologischen Schlamassel. Wir befinden uns leider in einem hysterischen und populistischen Zeitabschnitt. Gerade deswegen ist diese Frage grundlegend. Und die Antwort darauf liegt in der Kultur, die wir wollen. Das wird ein langwieriger und zäher Prozess. Aber nur gemeinsam können wir durch dieses historische Nadelöhr schlüpfen. 

 



Erika Lutz, 55 / Pädagogin, Tischlerin, Kulturschaffende / Frastanz

Erika Lutz
© Günter König

 

1. Persönlich, also im privaten Bereich, konnte ich durchaus die positiven Seiten für mich nutzen, indem ich die Zeit und die freie Werkstatt mit eigenen Projekten füllen konnte. Beruflich hatte ich einige Einbussen. Sämtliche Workshops mit Kindern und Jugendlichen, die ich mehrmals im Jahr durchführe, wurden abgesagt. Die ARTquer Künstler*innen durften das Atelier im Lockdown auch nicht besuchen. Jetzt wird offensichtlich, wie viel sie in der Zwischenzeit verlernt haben. Sprachlich und handwerklich, im Umgang mit Werkzeug.

2. Da ich als selbständige Gewerbetreibende arbeite, konnte ich einen Teil der entgangenen Einnahmen durch Unterstützung vom Härtefallfond ausgleichen. Für die abgesagten Workshops gab es allerdings keine Entschädigung. Und weil wir ja keine Ausstellungen machen konnten, hatten wir auch keine Einnahmen durch Verkäufe.

3. Derzeit können wir in der Ateliergemeinschaft wieder zusammenarbeiten, allerdings dürfen Künstler*innen, die in Institutionen betreut werden, immer noch nicht kommen, da dort strengere Regeln gelten. Das ist ein großer Nachteil für die Betroffenen. Seit vergangenen Sommer habe ich zusätzlich eine kleine Anstellung in einem sogenannten systemrelevanten Bereich. Das gibt mir ein bisschen Sicherheit – ich habe ja für Haus und Werkstatt monatliche finanzielle Verpflichtungen.

4. Ich glaube schon, dass die Regierung einiges richtig gemacht hat. Aber bei den Maßnahmen für Kultur und Bildung hat sie meiner Meinung nach völlig versagt, darauf vergessen oder sie schlicht ignoriert. Bildung und Kultur gehören zusammen und sind lebensnotwendig für eine funktionierende, fortschrittliche und gesunde Gesellschaft. Nach wie vor vermisse ich den Feminismus in der Politik!
 



Sebastian Gerer, 44 / Zirkuspädagoge, Artist, Musiker / Dornbirn

Sebastian Gerer
© Stefanie Beck

 

1. Im ersten Moment hat es mich von heut auf morgen aus dem Leben gerissen. Gerade beruflich standen viele Projekte an, die dann zum Teil auch gar nicht mehr umgesetzt werden konnten. Auf der anderen Seite hab ich es dann auch als Chance gesehen. Es war schon was Besonderes, einmal soviel Zeit am Stück mit der Familie zu haben. Und mal die Möglichkeit wahrzunehmen, sich und sein Tun genauer zu durchleuchten und zu hinterfragen. Das war bereichernd für mich. Wir haben neue Möglichkeiten für unsere Zirkusprojekte entdeckt und erschaffen, wie z.B. einen Zirkusgarten als zusätzlichen Outdoor Trainingsort im hinteren Bereich der Zirkushalle. Ich habe meine musikalische Ader wieder mehr aufleben lassen und mit einem Solo-Projekt namens "Exberliner" gestartet. Dass seit November dann alles für Kunst- und Kulturschaffende eingestellt wurde, war schon sehr hart. Mir tat es auch sehr leid für die Kinder und Jugendlichen, denen ja auch sämtliche Freizeitaktivitäten untersagt wurden.

2. Im Sommer und im Herbst konnten wir glücklicherweise noch einige Zirkusprojekte umsetzten. Außerdem habe ich auch staatliche Entschädigungen in Anspruch nehmen können.

3. Wir sind derzeit gerade voll in der Sommerplanung. Wir werden wieder einige Zirkusferienwochen für Kinder und erstmalig auch speziell eine Woche nur für Jugendliche in den Sommerferien durchführen. Außerdem sind wir neu Teil vom Orgateam des "Freakwave Festival", welches dieses Jahr wieder stattfinden wird und zwar erstmals mit einem Schwerpunkt zu zeitgenössischem Zirkus, den wir kuratieren. Zudem möchte ich definitiv auch wieder verstärkt selber auftreten.

4. Aus meiner Sicht wird gar nicht - oder nur von oben herab - auf die Bedürfnisse und Nöte der Menschen in der jetzigen Situation eingegangen. Es findet kein offener Dialog auf Augenhöhe statt, so wie es in einer Demokratie eigentlich sein sollte. Das Gegenüber sollte sich auch mal die Mühe machen, sich in die Lage anderer hineinzuversetzen, bzw. sich ernsthaft dafür zu interessieren. Der nächste Schritt wäre dann, gemeinsam Lösungen zu finden und nicht einfach drüberfahren nach dem Motto: "Vogel friß oder stirb".

 


 


Ursula Sabatin, 59 / freischaffende Tänzerin, Choreografin / Bregenz 

Ursula Sabatin
© Elke Capelli

 

1. Der 1. Lockdown war schon etwas schockartig, plötzlich durfte ich meine Arbeit in allen Bereichen nicht mehr ausüben. Keine Proben, keine Aufführung, keine Tanzvermittlung, keine Workshops und auch Arbeitsreisen und Auslandsprojekte waren nicht mehr möglich. Ausweichen online und ins Freie, mögliche Varianten, erschienen mir nur bedingt sinnvoll. Und natürlich war da noch wenig Wissen über die Krankheit und ich wollte kein Risiko eingehen. Die Tanzarbeit lebt von Begegnungen v.a. in der Gruppe, Nähe und körperliche Berührung ist die Basis für die künstlerische Arbeit, aber auch im Tanzunterricht. Der Verlust dieser Möglichkeiten war und bleibt schwierig v.a wegen der fehlenden Perspektiven zurzeit. Als dann im Sommer wieder einiges möglich wurde, war das wie ein Aufatmen und ich habe mich in die praktische Arbeit gestürzt und nachgeholt. Im Verlauf der weiteren Lockdowns entwickelte ich neue Ideen. Inzwischen bin ich intensiv am Vorbereiten für die Zeit „danach“. Gebe Soloproben mit Sicherheitsabstand mit meinem Ensemble und trainiere, probe viel alleine oft auch im eigenen Wohnzimmer oder online mit Kolleginnen.

2. Als Künstlerin v.a. im Tanz kenne ich prekäre Situation nicht erst seit Corona. Ich bin es gewohnt, in unsicheren Lebens- und Arbeitszusammenhängen zu sein, da war ich vorbereitet, flexibel zu reagieren. Ich habe auf Erspartes zugreifen können und wurde von meinem Bruder unterstützt. Die öffentlichen Hilfen und Zuschüsse haben auch Absicherung gebracht.

3. Im März habe ich ein Stipendium der Stadt Bregenz zuerkannt bekommen, das erleichtert Vieles und lässt Projekte zu; bzw. ist es natürlich auch eine schöne Anerkennung meiner kontinuierlichen Arbeit im zeitgenössischen Tanz.

4. Ich bin mir bewusst in allem, dass ich hier in Österreich sehr privilegiert bin. Es gibt ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, diese Absicherung haben viele Menschen in anderen Ländern nicht, auch das Sozialsystem funktioniert und es gibt jetzt gute Unterstützung. Am meisten irritierte mich allerdings von Anfang an die Art der Kommunikation. So oft hatte ich das Gefühl, als Bürgerin nicht ernst genommen zu werden. Menschen ernst nehmen und in die Verantwortung bringen, scheint mir aber ein sinnvollerer Weg als verbieten und strafen.

 



Martina Gmeinder, 44 / freischaffende Konzertsängerin / Wolfurt

Martina Gmeinder
© Jasmin Elmi

 

1. Corona hat mich als freischaffende Sängerin sozusagen von heute auf morgen arbeitslos gemacht - das letzte Konzert mit Publikum fand am 8.3.2020 statt, danach kam eine Absage nach der anderen... Bis auf ein paar kleine Auftritte in Gottesdiensten ging 2020 schlussendlich "sang- und klanglos" vorüber.

2. Da ich ausschließlich freischaffend tätig war, erhielt ich zum Glück Zahlungen aus dem Härtefallfonds der Wirtschaftskammer. Außerdem gab es ein Arbeitsstipendium vom Land Vorarlberg, welches ich auch in Anspruch nehmen konnte. Ich bin sehr dankbar für diese Unterstützungsmaßnahmen, auch wenn sie nur einen Teil dessen abdecken, was mir durch die vielen Absagen verloren ging.

3. Die Aussichten im kulturellen Bereich sind nicht gerade rosig. Meine Konzerte sind vorerst bis Herbst alle abgesagt. Sogar Aufführungen, die erst im November 2021 stattfinden hätten sollen, wurden schon gestrichen, da die Veranstalter einfach zu wenig Planungssicherheit haben. Inzwischen habe ich einen Halbtagsjob in einem Büro angenommen, um finanzielle Sicherheit und eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Man kann ja nicht ewig zu Hause sitzen und auf bessere Zeiten warten...

4. Eine Perspektive zu haben, wie es weitergeht - das hätte mir geholfen, mit der Situation besser umgehen zu können. Es gab bzw. gibt ja bis heute nie klare Ansagen. Trotz bestens durchdachter Hygienekonzepte durften Kulturveranstaltungen nicht durchgeführt werden. Als "Kulturland Österreich" ist es dringend nötig, die Kultur wieder erlebbar zu machen - sowohl für uns Künstler*innen als auch für das Publikum!

 



Muhammet Ali Baş, 30 / Autor & Kulturvermittler / Wien, aufgewachsen in Dornbirn 

Ali Bas
© Hibatullah Khelifi

 

1. Im Frühjahr 2020 kam alles recht überraschend und im ersten Lockdown musste ich mich in der neuen Realität zurechtfinden. Ich habe viel über Systemrelevantes nachgedacht und war ziemlich verloren in der angeblichen Bedeutungslosigkeit der Kultur(branche). Gleichzeitig habe ich die unverhoffte Freizeit genutzt, mich Herzensprojekten zu widmen.

2. Als Kulturvermittler in einem Bundesmuseum hatte bzw. habe ich das Privileg, in Kurzarbeit zu sein. Ich habe in dieser (für viele) schwierigen Phase keine großen Sorgen um Finanzielles gehabt und bin sehr dankbar darüber. Ich hoffe, dass für "die Zeit danach" die Politik grundsätzlich die Arbeitsverhältnisse überdenkt und Schritte in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen einleitet. 

3. Aktuell arbeite ich an verschiedenen Projekten. Manche wurden oft verschoben und werden jetzt angegangen. Andere wiederum haben den Freiraum mitgebracht, sich der neuen digitalen Realität anzupassen und sind dementsprechend fordernd, aber auch lehrreich für mich. Künstlerisch widme ich mich Texten von befreundeten Autor*innen, die ich gemeinsam mit ihnen filmisch umsetze und möchte demnächst mehrere solcher "Literafilme" online zugänglich machen. 

4. Aktuell verfolge ich die Krise nicht mehr aus der ersten Reihe. Mein Interesse an Pressekonferenzen ist gestillt. Ich wünsche mir hauptsächlich mehr Augenhöhe und innovative Ideen für die Zukunft. 
 



Brigitte Walk, 60 / Regisseurin, Schauspielerin, Theaterpädagogin / Feldkirch

 

Brigitte Walk
© Mark Mosman

 

1. Die Pandemie hat uns alle in dieselbe Situation gebracht, die Möglichkeiten damit umzugehen sind jedoch für alle äusserst unterschiedlich und Ungleichheiten wurden sichtbar verstärkt. Das finde ich sehr bedrückend. Als Kunst- und Kulturschaffende mit einem breiten Betätigungsfeld habe ich die Zeit aber genutzt für organisatorische Arbeiten für unsere Compagnie, mit Plänen für einen Neustart ‘danach’ und mit Ideenaustausch, wie wir in der Pandemie dennoch künstlerisch tätig sein könnten. Das hat im Sommer zu drei wunderbaren Stücken geführt, die Mut machten, dass es mit Eigenverantwortung und Ideen - wofür die Freie Szene ja steht - zu Kulturproduktionen kommen kann. Dann kam es zu einer Infektion in der Familie, Stress, die Sorge um die alten Eltern, der Ärger über die Versäumnisse der Politik. Gleichzeitig habe ich online-Seminare und online-Teachings besucht, diese für den Unterricht an der PH und Uni eingesetzt und somit wenigstens ein wenig etwas verdient und viel dazugelernt.

2. Erspartes, wenig Ansprüche, ausstehende Honorare, Online-Unterricht, Zuwendungen der SVS.

3. Unser Jubiläumsstück zum 20-jährigen Bestehen von walktanztheater.com mussten wir mehrmals verschieben, jetzt werden wir es aber umsetzen, Premiere ist am 24.4.2021 in Feldkirch in irgendeiner Form, halbdigital, ganz analog, draussen und drinnen, im schlimmsten Fall nur als Stream. Wir beschäftigen uns seit nunmehr zwei Jahren mit den Texten und Theorien von Hannah Arendt und werden ein Stück entwickeln mit Tanz, Text, Clown und Chor. Mutig planen wir auch für den Herbst, eine internationale Koproduktion mit Jugendlichen in mehreren Mittelmeerstaaten entlang der Route, die ich für die Recherche zum Therese Zauser Stück gefahren bin.

4. Die Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger hätte ganz andere Wege gehen müssen und viel direkter und niederschwelliger sein müssen. In jeder Gemeinde oder Stadt hätte ich mir ständige Präsenz in der Öffentlichkeit gewünscht von Expertinnen, Politikern, Ansprechpersonen ähnlich wie in Wahlkampfzeiten. Parallel dazu hätte ich mir direkte Kommunikation über lokale Kanäle und Peers vorstellen können, von Migrantenvereinen bis Jugendarbeit. Auch die Verbindungen zu lokalen Kulturschaffenden hätte man suchen können, um Ideen zu entwickeln, wie Kunst und Kultur sichtbar gemacht werden können. Viel mehr Unkonventionelles hätte ich mir gewünscht, viel mehr kreative Schritte und viel mehr Gemeinsames.

 


 

Carolina Fink, 44 / Tanz- und Yogapädagogin, freischaffende Tänzerin, Mutter von 3 Kinder /
Wolfurt

Carolina Fink
 © Christina Anzenberger-Fink

 

 

1. Viel berufliche Unsicherheit. Nicht wissen, wann man wieder arbeiten darf. Neuorientierungen. Zugang zu den Medien durch Online-Unterricht, musste mich umstellen und investieren. Die ständigen Änderungen der Gesetze machten es unmöglich zu planen. Es ist sehr schwer Kunden zu halten. Mit Maske zu Tanzen ist eine Qual und es schmerzt mich, Kinder mit Maske im Tanz unterrichten zu müssen.

2. Von meinem Teilzeitjob an der MS Dornbirn, von Gespartem und vom Corona Hilfsfonds - sparsam.

3. Bin an einem künstlerischen Projekt „Seilence“ am Weiterarbeiten, ohne zu wissen, ob das Showing im April in Wien auch wirklich stattfinden kann. Ist nicht sehr motivierend.

4. Ganz sicher versuchen alle, nur das Beste zu geben und tun. Aber mir hat es auch gezeigt, welchen Stellenwert Kultur und Kunst in unserem Land haben. Und das ist nicht sehr erbauend. Mir hätte es geholfen, wenn man auch einen Blick darauf wirft, was nun all die Folgen der Lockdowns mit sich bringen (psychische Folgeerkrankungen, Aussichtslosigkeit vieler Menschen insbesondere Jugendlichen, Selbstmordrate, … ). Ich wünsche mir keine krankmachende Politik, sondern eine gesundheitsfördernde. Wenn alles, was einem gut tut, Spaß macht, nicht mehr erlaubt ist, werden auch unsere Abwehrkräfte einbüßen. Ausserdem will ich meinen Kindern keine Angst vorleben müssen.

 



Klaus Christa, 55 / Musiker / Klaus

Klaus Christa
© Victor Marin

 

1. Corona war ein großer Einschnitt. Bei all den traurigen Seiten bin ich extrem dankbar dafür, dass etwas, was wir im Kopf immer wussten, mehr unsere Herzen durchdrungen hat: Im Leben kommt es darauf an, dass wir uns als Menschen begegnen, miteinander reden, voneinander lernen, miteinander spielen und feiern. Das ist der Sinn des Lebens. Gerade die Entbehrung hat dieses "Aufeinander angewiesen sein“ eindrucksvoll spürbar gemacht.  Erschreckend war für mich, wie Sorge und Panikbereitschaft unsere Gesellschaft beherrschen und wie wenig Vertrauen ins Leben wir als Gemeinschaft haben!

2. Ich habe eine Unterrichtsstelle am Vorarlberger Landeskonservatorium und Gottseidank konnten wir auch bis auf die Zeit des ersten Lockdowns immer Präsenzunterricht machen. Ökonomisch war die Krise für mich keine ernsthafte Bedrohung, im Gegensatz zu vielen Menschen, die ausschließlich als freiberufliche Künstler*innen leben.

3. Wir von Musik in der Pforte haben auch während der Lockdowns versucht, den Kontakt zu unserem Publikum aufrechtzuerhalten und haben die kurzen Lücken, in denen Konzerte möglich waren, gut genützt. Nun bereiten wir uns auf die Saisoneröffnung im April vor und hoffen, dass nicht wieder zugesperrt wird! Musik nährt die Seele und hilft uns, ein gutes Leben zu führen. Wir brauchen die Musik gerade in schwierigen Zeiten, wie diesen jetzt.

4. Für mich war das Krisenmanagement immer zu einseitig auf die materielle Seite der Pandemie ausgerichtet. Menschen haben ja nicht nur einen virenanfälligen Körper, sondern eine Seele, die intensiv mit dem Körper zusammenwirkt. Für mich gab es zwei große Themen, die ich gerne mehr voneinander getrennt hätte. Da ist einerseits der Virus und andererseits die Angst vor dem Virus, die allgegenwärtig präsent war. Ich habe es für völlig kontraproduktiv gehalten, dass den Menschen von der Politik Angst eingejagt wurde, damit sie sich aus Furcht an Regeln halten. Im Gegenteil: In Krisen brauchen wir eine gewisse Gelassenheit und ein gutes Angst-Management. Wir müssen dem Leben gerade dann vertrauen, wenn es gar nicht läuft. Die jungen Menschen hat man leider völlig vergessen, finde ich. Niemand hat mit ihnen geredet und Möglichkeiten gesucht, wie sie in all den Lockdowns auch noch ein Leben haben könnten. Ich habe schockiert zur Kenntnis genommen, dass wir die Triage, die man in den Intensivstationen verhindern will und soll, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie haben. Darüber aber breitet die Politik aber den Mantel des Schweigens. Ich glaube, als Gesellschaft sollten wir draus lernen, die Situation als Ganze im Auge zu behalten.

 



Lisa Suitner, 35 / freischaffende Clownfrau & Schauspielerin, Musikschulclown der MS Feldkirch / Feldkirch

Lisa Suitner
© privat

 

1. Von einem Tag auf den anderen war alles anders. Die Situation hat mich wirklich überfordert und ich hab’ eine Zeit gebraucht, bis die Inspiration wieder zu mir fand. Die Situation hat neue Wege gefordert und plötzlich war da auch viel Zeit, die es mir ermöglichte, mit ganz anderen künstlerischen Ausdrucksformen zu spielen - wie Video, Maskenbau und Zeichnen. Auch konnte ich in den letzten Monaten ganz persönliche "Projekte" und Themen in Angriff nehmen, die ich sonst immer in den Hintergrund geschoben habe: wie z.B. Selbstfürsorge und Ruhe.

 2. Die ersten Monate hat mich tatsächlich die finanzielle Überbrückung meiner Eltern gerettet, auch Initiativen wie "locart" oder "Kunst hilft Kunst" waren eine wirklich große Hilfe. Ab dem Sommer haben dann für mich auch die Unterstützungen von Seiten des Bundes gegriffen - die Überbrückungsfinanzierungen waren und sind noch immer bitter nötig. 

3. Ich spüre den Frühling gerade sehr und blicke zuversichtlich und hoffnungsvoll in die Zukunft. Einige sehr spannende Projekte stehen an - sowohl in der Clownerie, als auch musikalisch und im Film. Und mein großer Traum nach Raum, einem Proberaum und Atelier wird gerade wahr in einem Gemeinschaftsatelier in der Feldkircher Neustadt: Freiraum für künstlerischen Austausch, Inspiration und Gemeinschaft, so wie ich es mir schon so lange gewünscht habe.

4. Für mich hat sich im letzten Jahr vor allem gezeigt, wie wichtig es ist, an einem Strang zu ziehen und wie wertvoll Interessengemeinschaften wie die IG Kultur und die IG freie Theater für uns Künstler sind - sie haben sich wirklich stark gemacht für uns. Wir haben keine Lobby und müssen deshalb sehr laut schreien, um auf uns aufmerksam zu machen. Wir haben in den letzten Monaten sehr viel gelernt, wie Kultur in Zeiten der Pandemie umgesetzt werden kann, und es ist traurig, dass nicht differenziert wurde zwischen Groß- und Kleinveranstaltungen, wir unser Wissen nicht nutzen konnten und die Kultur im "Kulturland" Österreich die letzten Monate zum Erliegen kam.

 



Yener Polat, 58 / Lehrer & Kulturvermittler / Bregenz

Yener Polat
 © Zeliha Arslan

 

1. Ich bin wie alle gleich betroffen und es war für mich als Mensch eine große Herausforderung. Ich habe meine Familie in der Türkei und besonders meine Eltern seit nun mehr 2 Jahren nicht mehr gesehen. Bei familiären Anlässen wie z.B. Beerdigungen konnte ich nicht teilnehmen und das ist sehr traurig für mich. Beruflich hat es mich als Lehrer und auch meine Schüler*innen, die oft migrantischen Hintergrund haben, sehr getroffen. Das Distance Learning ist sehr schwierig umzusetzen, da die Eltern nicht die entsprechende Unterstützung liefern können und die Kinder wurden damit ziemlich alleine gelassen. 

Für den Kulturverein MOTIF war es eine sehr schwierige Zeit. Wir mussten ständig unsere geplanten Veranstaltungen auf unbestimmte Zeit verschieben. Viele Aufführungen, die letztes Jahr nicht stattfinden konnten, müssen nun innerhalb eines kleinen Zeitfensters organisiert werden und es kommt zum „Kulturstau“. Die interkulturelle theaterpädagogische Arbeit ist dem Verein MOTIF ein sehr großes Anliegen und das funktioniert analog! Zoom-Treffen können nur für gewisse Zeit als Ersatz dafür dienen. 

2. Ich bin Lehrer und dadurch abgesichert, im Gegensatz zu vielen unserer selbständigen Kulturpartner*innen.

3. Im April können nun unter den aktuellen Auflagen unsere Theaterworkshops für Kinder und Jugendliche stattfinden in Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Lustenau. Wir freuen uns schon sehr darauf. Durch die aktuellen Öffnungen blicke ich dem Kulturjahr 2021 optimistisch entgegen und bin hoffnungsvoll, dass diese schwierige Zeit für alle Mitmenschen, besonders für Eltern, Kinder und Jugendliche langsam zu Ende geht.

4. Die Regierung hat unheimlich Bemühungen gezeigt, die Bevölkerung zu schützen. Es war nicht einfach, die Situation, die sich kontinuierlich veränderte, zu kontrollieren. Im Lockdown wurde Kultur wie Musik oder Filme über Medien zuhause konsumiert und es wurde deutlich, dass Kultur eine Art Nahrungsmittel und damit essentiell für die Gesellschaft ist.

 



Mona Ida, 23 / Musikerin, Studentin, Lehrerin, Träumerin / Bregenz, direkt am Bodensee

Mona Ida
© Angela Lamprecht

 

1. Vieles hat sich vor den Laptop verlagert, so auch mein letztes Semester an der PH. Ich bin sehr, sehr viel spazieren gegangen. Musikalisch hatten wir nicht viel geplant, weshalb auch nicht wirklich viel abgesagt worden ist – einzig unsere lang ersehnten Studioaufnahmen (mit meiner Band Stereo Ida) fielen leider ins Wasser. Im Sommer hatten wir die Möglichkeit, bei vereinzelt kleinen Sachen mit Auflagen aufzutreten – super organisiert und wieder mal ein Lichtblick zwischendurch.

2. Von Luft und Liebe und Prosecco (größtenteils). Ich hatte Glück im Unglück nicht von meiner Musik leben zu müssen. Wie bereits erwähnt, habe ich mehr oder weniger online mein Bachelorstudium absolviert und bin seit Herbst Lehrerin. 

3. Ich habe unlängst meine erste Solo-EP (Mona Ida – „5 Lieder“) auf Spotify, Apple Music & Co veröffentlicht. Ein weiteres Album „New Normality“, mit Liedern, die hauptsächlich im Lockdown entstanden sind, ist in Planung und wird noch im Frühling unter Mona Ida veröffentlicht. Am 29.6. wird es mit meiner Band Stereo Ida einen Liveauftritt beim ORF Radio Vorarlberg geben um 20:00h. 

4. Ich verstehe viele getroffene Maßnahmen der Bundesregierung gut – ich möchte keinesfalls in der Haut der Entscheidungsträger stecken, weshalb ich mich auch gar nicht traue, zu beurteilen, was da jetzt gut oder schlecht war/ist. Fragwürdig finde ich aber schon, wieso ich im dichten Gedrängel am Schilift stehen darf, nicht aber mit getroffenen Maßnahmen und Auflagen ins Konzert/Theater/etc. gehen kann…

 


 

Sarah Mistura, 34 / Fotografin und Videografin, Videokünstlerin / Hörbranz

Sarah Mistura
© Kirstin Toedtling

 

1. Die erste Leichtigkeit, mit der man in den ersten Lockdown gegangen ist, ist leider schon länger verflogen. Mein Leben fühlt sich generell einfach anstrengender an. Meine Arbeitswelt hat noch mehr Raum eingenommen. Das Privatleben wurde etwas vernachlässigt.

 2. Mein Berufsfeld hat sich etwas gedehnt. Wo ich noch in der ersten Hälfte 2020 ein paar künstlerische Arbeiten nachgehen konnte, wurde das dann durch Live Streams und etwaige Inhalte für Webauftritte abgelöst. Viele Menschen suchten schnell nach neuen Lösungen und ich hatte auf einmal sehr viel zu tun.

3. Meine Tätigkeit mit und für das Theater und Kunstschaffende läuft langsam wieder an. Auch eigene Projekte sind schon wieder aktiviert worden. Ich freue mich über jedes Projekt, das momentan irgendwie umgesetzt werden kann. Die Unberechenbarkeit der aktuellen Situation ist sehr anstrengend. Viele Jobs sind nicht sicher, werden unabsehbar verschoben oder gar abgesagt.

4. Die finanzielle Hilfestellungen für Selbständige Kreative und Kunstschaffende habe ich in Anspruch genommen. Sie haben mir ein wenig über die erste Flaute hinweggeholfen. Allgemein kann ich feststellen, dass alle überfordert sind mit der Gesamtsituation und da werden dann halt auch nicht immer die allerbesten Entscheidungen getroffen. Ich denke, wir sollten nochmal tief Luft holen und durchbeissen, wie wir es schon zu Beginn der Pandemie hätten tun sollen. Ich halte nichts von diesem Hin- und Her, auf und zu. Das ist sehr Kräfte zehrend.
 


 

Victor Mangeng, 29 / Bildhauer / Wohnatelier & Campervan

Victor Mangeng
 © Martina Gantschnig

 

1. Große Aufträge sind eingefroren oder ganz abgebrochen. Letztes Jahr musste ich meine Arbeit in Italien frühzeitig beenden. Den meisten Input für meine Arbeiten bekomme ich durch das Reisen und den Austausch mit anderen Menschen, das fiel jedoch seit Dezember komplett weg.

2. Von meinem Ersparten.

3. Derzeit arbeite ich an meinem Portfolio. Als freischaffender Künstler muss man ungewisse Situationen immer wieder bewerkstelligen. Reisefreiheit und Kontaktsperre zwingen mich derzeit, neue Quellen für mein Schaffen zu entdecken, wodurch ich aber auch die Gelegenheit habe mein Selbst besser kennenzulernen.

4. Ich denke, man hätte das übersichtlicher gestalten können, dann wäre nicht so ein "Förderdschungel" entstanden.

 



Erika Kronabitter, 61 / Schriftstellerin & Präsidentin der LITERATUR VORARLBERG / Bregenz

Erika Kronabitter
 © Petra Rainer

 

1. Künstlerisch/Schriftstellerisch wurde auftrittsmässig komplett alles auf Null gefahren. Die Politik ließ Schriftsteller*innen keine Chance für Auftritte, auch dann nicht, wo schon längst Massen in die Einkaufszentren strömten. Die Paralysierung führte zu einem Sparten-Denken/Handeln. Innerhalb der LITERATUR VORARLBERG allerdings war es möglich, neue Ideen umzusetzen und z.B. über den ORF und das Felder-Archiv digitale Lesungen anzubieten. Allerdings: Das Zwischenmenschliche, der Austausch mit dem Publikum, Gespräche und das Strahlen der Augen sind unersetzbar.

2.  Durch meinen „Brotjob“, den ja viele von uns haben, habe ich ein Minigrundeinkommen. Weiters erhielt ich ein Arbeitsstipendium.

3. Privatberuflich: Alles, das über existenzsichernd hinausgeht, läuft über Lesungen und Workshops. Diese sind Großteils weggefallen und bedeuten eine ziemliche finanzielle Einbuße. Die ehrenamtliche Tätigkeit bei LITERATUR VORARLBERG ist zeit- und themenintensiv. Eine sehr komplexe Beschäftigung: Neben einer neuen Homepage sind wir seit letztem Jahr auf Facebook und Instagram präsent, Texte wurden „in die Welt“ gesendet, Blicke aus dem Fenster-Texte, „Schreibwütig“ (mit dem TaS), und es gibt neue spannende Möglichkeiten mit der Stadt Bregenz.

4. Bei allen Unsicherheiten, der die Bundesregierung in ihren Entscheidungen ausgesetzt war und ist, glaube ich, dass die Regierenden ihr Bestes versucht haben. Fehler und Fehlstellen sind passiert, daher war und ist der Einsatz der IG Kultur und IG Literatur äußerst wichtig. Ohne sie wäre es sicher nicht zu den diversen Ausgleichszahlungen an die Kunstschaffenden gekommen. Richtig wäre es jetzt, das echte Grundeinkommen einzuführen. Die Zeit dazu ist reif. Wann, wenn nicht jetzt, frage ich.

 


 

 Andreas Paragioudakis, 40 / freischaffender Musiker, Komponist, Musikpädagoge / Bregenz

Andreas Paragioudakis
 © Caroline Begle

 

1. Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID 19 haben mich um etwas Essenzielles beraubt und mir etwas Essenzielles erlaubt: Zum einen die Begegnungseinschränkungen und die fehlenden Zusammenkünfte. Ich bin in einer Art Abenteuerfiktion gelandet, um Überlebensstrategien zu entwickeln, nicht isoliert zu werden, all diese Situationen zu filtern und eine möglichst würdige Existenz zu pflegen. Zum anderen hat die plötzlich vorhandene Zeit mir den Raum und die Ruhe gegeben, um über wichtige Lebensthemen zu reflektieren und Pläne zu schmieden, wie ich meine Kunst weiterhin machen kann.

 2. Ich bin seit September 2020 als Musiker und Musikpädagoge selbständig. Großteils habe ich meine Miete und einen Teil meines Unterhalts durch Privatunterricht und durch die Härtefallfonds der WKO finanziert.

 3. Aktuell bin ich bei mehreren wunderbaren Projekten dran: Eine CD-Produktion des Laterne Quartetts, eine CD-Produktion mit Robert Bernhard, eine audiovisuelle Produktion mit Musik, Texten und Bildern in Zusammenarbeit mit der Schweizer Künstlerin Lucie Schaeren, eine Video Orpheus-Triologie mit dem Schweizer Musiker Marcello Wick, eine Märchenerzählreihe mit Live-Musik zusammen mit Monika Hehle... Ich bin ruhig am Warten, dass alle diese Arbeiten den Menschen vor Ort oder online gezeigt werden können.

4. Ich bewerte jegliche Politik, die aus Angst handelt und trotzdem Entscheidungen trifft, die nur einem steigenden Wirtschaftswachstum zugutekommen, als sehr sehr schlecht. Wenn kein konkreter Plan, keine konkreten Vorschläge für das Überleben der Kunst und Kultur gemacht werden, droht Kultur zu verschwinden, und damit der Ausdruck und somit die Stimme der Menschen. Ich sorge mich um die Zukunft der Demokratie

 


 
Miriam Feuersinger, 42 / Sopranistin / Bregenz

Miriam Feuersinger
© Brigitte Fässler

 

1. Es kam zuerst zu einem kompletten Stillstand - von ausgebuchtem Kalender ins Nichts. Wirklich nichts. ARBEITSVERBOT. Auch Hilfe war lange nicht in Sicht, was zu sehr großer Verzweiflung führte. In der Schweiz erhielten die freischaffenden Musiker von der Ausgleichskasse 80% Ausfallhonorare. In Deutschland schauten die Kolleg*innen meist komplett ins Ungewisse. In Österreich merkte man nach gefühlt zu langem Schweigen bzw. leeren Versprechungen zu unserer Situation dann seit Andrea Mayer eine Bewegung, die immerhin zu einer ansatzweisen Grundsicherung (Betonung auf ansatzweise) führte.

 2. Ich muss meiner Familie ein großes DANKE aussprechen, denn sie hat uns - wir sind beide freischaffende Musiker - regelrecht durchgefüttert - ganz konkret mit Essen. Mein Glück im Unglück war, dass ich Rücklagen für Steuer und SVS gebildet hatte, mit denen ich dann die laufenden Kosten decken konnte. Ändert leider auch nicht wirklich was, weil das Geld ja dann auch da sein muss, wenn es zu den Zahlungen kommt. Aber es gab für den Moment immerhin eine gewisse Ruhe.

3. Seit letztem Sommer darf ich - zwar nicht in dem gewohnten Ausmaß - wieder singen. Das steigert schon einmal den Selbstwert und hilft, finanziell etwas besser über die Runden zu kommen. Weiters möchte ich dem Land Vorarlberg und auch der Stadt Bregenz meinen Dank aussprechen: vom Land gab es 2020 und auch 2021 ein kleines Arbeitsstipendium, und die Stadt Bregenz vergab gerade jetzt für 10 Kulturschaffende der Stadt ein 3-Monats-Arbeitsstipendium. Das hilft tatsächlich sehr und ermutigt mich auch. Für uns Kulturschaffende ist es wichtig zu erleben, dass wir der Gesellschaft auch wichtig sind.

4. Zu Beginn war es für mich sehr schwierig. Ich schrieb zwei Vorarlberger Politiker mit einem Hilfeschrei an und erhielt nicht einmal eine Antwort. Nur, weil man keine finanzkräftige Lobby hat, verdient es eine Sparte, die wirtschaftlich tatsächlich (!) beachtlich ist, versorgt und wahrgenommen zu werden. Das hätte ich mir von Beginn an anders gewünscht. Meine Hoffnung ist, dass man gerade in dem Bereich, in dem ich tätig bin, realistisch sieht, dass mit klugen Sicherheitskonzepten Konzerte ohne Risiko möglich sind. Das wären sie all die Zeit über gewesen. Ich höre nicht auf zu hoffen, denn das, was ich tue, ist meine Berufung, mit der ich die Welt für die Zuhörenden ein Stück schöner machen möchte.