Wiederkehrende Rollenprobleme …

Wir kennen das eine und das andere: einer guten künstlerisch-politischen Intervention beizuwohnen und die Teilnahme an direkten politischen Aktionen. Wer sich im Spannungsfeld zwischen diesen zwei Formen der Meinungsäußerung aufhält, kennt ihre Gemeinsamkeiten und Widersprüchlichkeiten.

Künstlerische Interventionen und/vs. politische Aktionen

Wir kennen das eine und das andere: einer guten künstlerisch-politischen Intervention beizuwohnen und die Teilnahme an direkten politischen Aktionen. Wer sich im Spannungsfeld zwischen diesen zwei Formen der Meinungsäußerung aufhält, kennt ihre Gemeinsamkeiten und Widersprüchlichkeiten: Die Unterschiede sind nicht so groß, beide wollen etwas verändern, beide brauchen die Öffentlichkeit dazu, beide müssen wissen, wie sie sich in Bezug auf sie verhalten. Der Unterschied ist jedoch die Planung, wie man sich in dieser Öffentlichkeit verhält: Plant man/frau eine politische Aktion, sprechen sich die Beteiligten vorher oft ab, man macht sich beispielsweise aus, wie man sich im Falle von Problemen mit Beamten verhält, ob man fotografiert werden will oder nicht und ob man sich verkleidet.

Einer deklarierten Kunstaktion – so auch dem sehr schlauen Eingriff von Eduard Freudmann in das offizielle Geschichtsbild des 2. Bezirks – fehlt diese Absprachen meistens. Es gibt KünstlerInnen, und es gibt das Publikum, die Ersteren planen und führen durch, Letzteres unterstützt die Intervention durch Anwesenheit. Wie man sich nach dem eigentlichen künstlerischen Akt – der Demontage der Tafel, auf der weder die Judenpogrome im 17. Jahrhundert noch die Deportationen im Zweiten Weltkrieg erwähnt werden, und das Besetzen der Leerstelle an der Wand durch einen mit Edding gezogenen Rahmen und den A4 Ausdruck einer Faust – verhält, wenn es um genauso schlaues Handeln gegenüber aufgebrachten Magistratsbeamten, herbeigerufenen PolizistInnen und den Medien geht, war nicht gut abgesprochen.

Zum Ablauf der Aktion im 2. Bezirk

Am Tag vor der Aktion erklärte der Künstler Eduard Freudmann bei der Ausstellungseröffnung in einer Galerie im Rahmen seines Vortrags, dass er vorhabe, am nächsten Tag eine geschichtsrevisionistische Tafel aus dem Bezirksamt der Leopoldstadt zu entfernen. Weil wir die Idee zur Aktion und ihre Begründung gut fanden, beschlossen wir, die Aktion zu unterstützen und fanden uns pünktlich am vereinbarten Ort ein. Es war uns bewusst, Teil einer künstlerisch-politischen Intervention zu sein, bei der klar war, dass eine polizeiliche und gerichtliche Dimension inkludiert war. Die Aktion schien gut vorbereitet zu sein: Es waren genügend UnterstützerInnen und auch ein Video- und Kamerateam da. Als Gruppe betraten wir das Magistratsamt, dann waren die „aktivistischen“ Rollen aufgeteilt: Das Dokuteam filmte, wir, die Unterstützenden, sammelten uns als ZuschauerInnen einer Performance, der Künstler machte die Aktion mit der Tafel (Rahmenziehung mit Schwarzstift, Tafel abnehmen, Kleister anrühren, ein Plakat mit Faust ankleben, daneben dann der Schriftzug: Menachem Lemberg, Jewish Bravery). Nach ca. zehn bis 15 Minuten verließen wir wiederum als Gruppe das Gebäude und folgten dem Künstler mit der Tafel zum Schutz.

Der Ablauf nach der Aktion war dann wenig koordiniert: Auf der Taborstraße verfolgte uns ein wütender Magistratsbeamter, der versuchte, nach der Tafel zu greifen. Wir verstellten ihm den Weg, die Tafel wurde in die Galerie gebracht, die UnterstützerInnen standen planlos davor und waren sich über ihr weiteres Vorgehen unsicher. Inzwischen hatte der Magistratsbeamte gesehen, wo der vermeintliche Tafelort war und rief nach der Polizei, die 15 Minuten später eintraf, den Ort abriegelte, den sich outenden Künstler und einige MitunterstützerInnen festhielt und die Daten aufnahm.

Ein Protestbrief mit Forderungen nach einer neuen Geschichtsdarstellung an das Bezirksamt und an diverse PolitikerInnen wurden noch am gleichen Tag verschickt, Fotos der Aktionen ins Netz gestellt. Wir, die UnterstützerInnen, gaben unsere Namen (für einen Brief) und auch unser Gesichter (für die Fotos) und mussten sonst nicht viel mehr tun. Die „Rolle“ der UnterstützerInnen war also eigentlich recht bequem, und der kunstpolitische Eingriff verlief zufriedenstellend nach Plan. Die Diskussion über die Tafel wurde bezirksintern und z. T. auch in Medien ausgelöst.

Wiederkehrende Probleme zwischen Kunst und Aktivismus

Wie gesagt, wir haben die Idee zur Aktion und ihre Begründung gut gefunden und wünschen uns viel mehr solcher Interventionen. Noch lieber wäre uns die Bildung eines kunst-politischen Kollektivs, das den Ablauf solcher Aktionen gemeinsam vorher diskutiert und die ZuschauerInnenolle der UnterstützerInnen strategisch sieht, um sie dann Teil der Aktion werden zu lassen. Insofern bleibt leichtes Unbehagen mit dem Verlauf zurück, die „Rollenaufteilung“ war zu klassisch – aber das ist ein wiederkehrendes Problem zwischen KünstlerInnen und AktivistInnen.

Gin/i Müller ist Theaterwissenschaftler_in, Dramaturg_in und Performer_in.
Lisbeth Kovačič ist Bildende Künstlerin und lebt in Wien.

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