Darf´s ein bisserl mehr sein? Soziale Rechte und KünstlerInnen

<p>Im Grunde genommen wird schon seit langem auf prekäre Arbeitsverhältnisse von KünstlerInnen mit Eigenheiten in sozialen Absicherungssystemen reagiert. Hier eine Ausnahmeregelung, dort ein Zuschusssystem, da Extrafonds. Der Einfallsreichtum ist durchaus groß – je nach Land, je nach Beschäftigungsform und mitunter auch abhängig von der künstlerischen Sparte kann immer alles anders sein. Nicht immer zum Besten der KünstlerInnen, oft nur für einen exklusiven Kreis

Im Grunde genommen wird schon seit langem auf prekäre Arbeitsverhältnisse von KünstlerInnen mit Eigenheiten in sozialen Absicherungssystemen reagiert. Hier eine Ausnahmeregelung, dort ein Zuschusssystem, da Extrafonds. Der Einfallsreichtum ist durchaus groß – je nach Land, je nach Beschäftigungsform und mitunter auch abhängig von der künstlerischen Sparte kann immer alles anders sein. Nicht immer zum Besten der KünstlerInnen, oft nur für einen exklusiven Kreis und im symbolischen Bereich. Ausnahmen sind schließlich immer auch Ausschlüsse, nur eben eleganter ausgedrückt. Denn: Wer ist heute KünstlerIn? Was ist an den Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen so speziell? Und was ließe sich für zukünftige Modelle sozialer Sicherheit aus den bestehenden Erfahrungen lernen? Denn dass längst nicht nur KünstlerInnen prekär arbeiten und leben, findet kaum eine Resonanz in bestehenden Absicherungssystemen.

In Österreich sollte 2001 zum ersten Mal eine einheitliche Regelung für alle selbständig erwerbstätigen KünstlerInnen herrschen. Nach jahrelangen Verhandlungen mit unzähligen Anläufen (im Grunde seit den 1950er Jahren) machte 2000 der damalige Kunststaatssekretär unter SchwarzBlau kurzen Prozess. Eine Schmalspurvariante trat in Kraft. Zum einen galt ab 2001 die gewerbliche Pflichtversicherung auch für KünstlerInnen (das Ende der Ausnahme), zum anderen trat das Künstlersozialversicherungsfondsgesetz in Kraft (der Anfang neuer Ausschlüsse). Und darüber hinaus gibt es für manche Kunstsparten zusätzliche Zuschussmöglichkeiten (die Ausnahme in der Ausnahmesituation).

Der Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) verteilt seither Brosamen an ausgewählte KünstlerInnen, um deren Beitragslast an die Versicherungsanstalt zu erleichtern. Zumindest vorübergehend, bis jeder vierten ZuschussbezieherIn eine Rückzahlungsforderung ins Haus flatterte. 4,5 Millionen Euro stellte der Fonds seinen ZuschussbezieherInnen wieder in Rechnung – den meisten davon, weil sie das geforderte Mindesteinkommen aus künstlerischer Tätigkeit wider Erwarten nicht erreichten.

Fiktiver ArbeitgeberInnenbeitrag: Große Wirkung, kleiner Preis

Interessant an diesem Konstrukt bleibt dennoch der Gedanke, dass im Sinne eines fiktiven ArbeitgeberInnenanteils (bestimmte) selbständig Erwerbstätige Zuschüsse zu ihren Sozialversicherungsbeiträgen erhalten. Eine Idee, die sich über die Berufsgruppe von KünstlerInnen hinaus sehr simpel weiterdenken ließe – oder aber deren Exklusivität für KünstlerInnen in Frage stellt. Die Umsetzung dieser Grundidee ist hierzulande jedoch nur in mikroskopischem Ausmaß vorhanden und zudem nie deklarierter Ansatz gewesen. Zum einen ist der Zuschuss auf den Pensionsversicherungsbeitrag beschränkt, zum anderen werden die AuftraggeberInnen von KünstlerInnen erst gar nicht in die Pflicht genommen, Beiträge zu deren sozialer Absicherung zu leisten.[1]

Anders sieht die Situation in Deutschland aus. Die Künstlersozialkasse (KSK) übernimmt 50% aller Beitragszahlungen (Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung) von selbständig erwerbstätigen KünstlerInnen und PublizistInnen. Die Finanzierung erfolgt zu zwei Fünftel aus dem Bundesbudget und zu drei Fünftel durch im Gesetz festgelegte Einrichtungen oder Unternehmen wie Verlage, Theater, Galerien, Museen, Werbeagenturen, Fernsehanstalten etc. sowie überhaupt durch Unternehmen, „die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen“. Die große Zahl an EinzahlerInnen erlaubt letztlich erstaunlich niedrige Lohnnebenkosten. Der Prozentsatz wird jährlich festgelegt, 2007 sind es 5,1% von den an KünstlerInnen und PublizistInnen gezahlten Honoraren.

KünstlerInnenförderung und soziale Absicherung: zwei Paar Schuhe!

Dass auch PublizistInnen von der KSK profitieren, deutet an, dass der BezieherInnenkreis grundsätzlich viel größer ist als in Österreich.[2] Eine (stets wachsende) Liste von mittlerweile etwa 400 Berufen hält fest, wer für die KSK in Frage kommt (z.B.: LektorInnen: Ja; KuratorInnen: Nein; TrauerrednerInnen: Ja; ArchitektInnen: Nein; DJs: Kommt darauf an, ob über das Auflegen hinaus gestalterische Tätigkeit vorliegt;). Nicht die künstlerische oder publizistische (journalistische oder wissenschaftliche) Qualität der Arbeit ist ausschlaggebend, sondern Berufsbild und Beschäftigungssituation.

Der Gründung der KSK ging Mitte der 1980er Jahre eine Studie zur sozialen und wirtschaftlichen Lage voraus, die eine unterdurchschnittliche soziale Absicherung von im Kreativbereich tätigen Personen feststellte. Dementsprechend dezidiert zielt die KSK auf die Förderung der sozialen Absicherung ab: „Von jeder Abgrenzung nach der Qualität der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit ist abgesehen worden (…). Für die soziale Sicherung kann lediglich das soziale Schutzbedürfnis maßgebend sein.“ Auch wenn diese Formulierung nach einem Artenschutzprogramm klingt, so resultiert daraus eine Aufnahmepraxis, die sich an der Berufsausübung orientiert.

Dahingegen legen die KSVF-AntragstellerInnen in Österreich – wie bei Aufnahmeprüfungen an Kunstuniversitäten – ihre „Mappen“ vor. Eine KünstlerInnen-Kommission entscheidet anhand der vorgelegten Werke, ob die so genannte „Künstlereigenschaft“ besteht. Konsequent erscheint dieses Prozedere angesichts des zugrunden liegenden Gesetzes, das einem KünstlerInnenförderungsgedanken frönt und Zuschusszahlungen an Begabung bindet: „Die sachliche Rechtfertigung für die Förderung der Beiträge in die gesetzliche Pensionsversicherung liegt im besonderen Verlauf einer Karriere eines selbstständigen Künstlers begründet, die mit anderen selbstständigen Berufsgruppen nicht vergleichbar ist. Während das Wesen der künstlerischen Tätigkeit in der künstlerischen Befähigung und Begabung zu eigenschöpferischen Leistungen liegt, stehen bei den anderen selbstständigen Berufsgruppen die erlernten und durch Erfahrung gewonnenen Fertigkeiten zur Berufsausübung im Vordergrund. (…) Die Einkünfte und damit die Existenzsicherung der anderen selbstständigen Erwerbstätigen sind vom Bedarf des Marktes abhängig, an den aber die angebotenen Leistungen jeweils angepasst werden können.“ (Erläuterungen zum KSVF-Gesetz)

Eine solche Argumentation verhöhnt alle Nicht-KünstlerInnen in ähnlich prekären Beschäftigungsverhältnissen. Während in Hinblick auf ihre ökonomische Unsicherheit und mangelhafte soziale Absicherung vergleichbare Arbeitssituationen zunehmend Raum greifen, sind andererseits viele KünstlerInnen nicht ausschließlich künstlerisch tätig. Diese Realitäten zu berücksichtigen und ihnen existenzsichernd entgegenzuwirken wird ein KSVF freilich auch niemals in der Lage sein. Dafür ist ein Zuschuss-Instrumentarium schlicht unzulänglich. Wenn erst einmal das Einkommen ausbleibt, hilft ein Zuschuss zu Sozialversicherungsbeiträgen reichlich wenig. Ein Zuschuss, der obendrein an wirtschaftlichen Erfolg gebunden ist, führt die notwendige Förderung der sozialen Absicherung ad absurdum.

KünstlerIn als role model? Nicht schon wieder…

Dennoch – oder gerade deshalb – stecken KünstlerInnen und deren Interessenvertretungen seit Jahren viel Zeit und Energie in den Kampf um eine Reform des KSVF-Gesetz. Sofortmaßnahmen sind überfällig, um weitere Rückzahlungsdebakel zu verhindern. Kurz nach ihrem Amtsantritt im Jänner ließ die Kulturministerin aufhorchen, als sie angesichts der umfangreichen Rückzahlungsforderungen des KSVF die Situation für untragbar erklärte und für eine Abschaffung der Mindesteinkommensgrenze aus künstlerischer Tätigkeit als Zuschussvoraussetzung plädierte. Doch das scheint mittlerweile Schnee von gestern. In einem Gespräch mit dem Kulturrat Österreich kündigte Schmied zuletzt an, dass weder die umstrittene Mindesteinkommensgrenze fallen werde, noch Rückforderungen prinzipiell ausgeschlossen werden sollen.

Ob nun Experimente mit der sozialen Absicherung von KünstlerInnen brauchbar sind, um die Absicherung von prekär Beschäftigten voranzutreiben ist fraglich. Die Strategie der kleinen Schritte hat sich beim KSVF nicht bewährt. Trotz allem stellt sich bei (max.) 1026 Euro Pensionsversicherungs-Zuschuss jährlich die Frage: Haben oder nicht haben? KünstlerIn sein oder nicht? Wie dehnungsfähig aber ein Kunstbegriff und wer KünstlerIn ist, entscheiden beim KSVF jedenfalls die KünstlerInnen-KollegInnen.

(1) Die Einnahmen des KSVF stammen aus Abgaben für Verkauf und Vermietung von SAT-Anlagen sowie von kommerziellen KabelnetzbetreiberInnen. Und ggf. von Zuschussrückzahlungen. Der Bund hat seine Beitragsleistung bereits zwei Jahre nach der Fonds-Gründung wieder eingestellt.

(2) Zum Jahresende 2006 gab es 155.447 Versicherte in der KSK. Der KSVF in Österreich hingegen kam gerade einmal auf 6.589 ZuschussbezieherInnen. (Angesichts des EinwohnerInnenverhältnisses von Deutschland zu Österreich von etwa 10:1 immer noch ein klägliches Resümee.)

Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.

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