Der Nussschnaps kann warten

Und plötzlich ist es uns wie Schuppen von den Augen gefallen: Eigentlich sind wir alle wirtschaftspolitische Analphabeten. Kennen uns in dieser wichtigen Materie aber sowas von Null aus.

Jetzt wird es wieder ruhiger bei uns KleingartenbesitzerInnen. Die Gärten werden eingewintert, die Erdbeeren mit Stroh bedeckt und die letzten Blumenzwiebeln eingelegt. Jetzt ist die Zeit, in der wir wieder gerne beisammensitzen, die ersten Marmeladen verkosten und dem Nussschnaps sehnsüchtig beim Reifen zusehen. Und wenn man so beisammensitzt, kommt man natürlich auch ins Plaudern. Natürlich geht es da vorwiegend um Schneckenbekämpfung, Kompostreifung und Brennnesseljauche. Aber immer öfter drehen sich unsere Gespräche auch um größere Themen. Politik etwa oder Verteilungsgerechtigkeit, ab und zu auch einmal um Monarchenhochzeiten oder -begräbnisse. Selten kommen eigentlich wirtschaftliche Themen auf unseren KleingärtnerInnen-Stammtisch. Denn Wirtschaft, so dachten wir lange Zeit, gibt nicht viel her. Da geht es um Börsenkurse, Gleichgewichtstheorien und Geldflüsse, die man sich gar nicht vorstellen kann. Wirtschaft, so meinten wir, das lohnt nicht, weil: Da kennt sich ohnehin keiner von uns aus. Und wenn man sich nicht auskennt – worüber soll man dann reden?

Jetzt war da aber kürzlich eine junge Frau bei unserem Stammtisch. Michaela Schmidt hat die geheißen. Ich weiß auch gar nicht mehr, wer die mitgebracht hat. Diese Frau Schmidt arbeitet in irgendeiner wirtschaftspolitischen Abteilung. Na, die hätten Sie einmal hören sollen! Wie die über wirtschaftliche Zusammenhänge reden kann! Da kommt man plötzlich drauf, dass es da um ganz entscheidende Fragestellungen geht. Und plötzlich ist es uns wie Schuppen von den Augen gefallen: Eigentlich sind wir alle wirtschaftspolitische Analphabeten. Kennen uns in dieser wichtigen Materie aber sowas von Null aus. Darum werden wir diesen Winter dazu nutzen, um uns in diesem Thema ein bisserl fitter zu machen. Denn wir haben den Verdacht, dass Wirtschaft bisher so sehr als Geheimwissenschaft dargestellt wurde, weil es den Experten ganz recht war, wenn sie unter sich bleiben und ihnen das blöde Volk nicht zu viel dreinredet. Wohin uns das gebracht hat, kann man ja mittlerweile in allen Zeitungen nachlesen: Eine Horrormeldung jagt die andere, und der Politik fallen scheinbar keine Alternativen ein. Allerweil nur „more of the same“.

Höchste Zeit, dass wir uns da wieder einmal einschalten. Aber zuerst müssen wir uns besser auskennen. Jetzt heißt es eben wieder einmal, Einführungsliteratur wälzen. Wie damals, als wir alle dieses Wühlmäuseproblem hatten. Aber das mit der Wirtschaft werden wir auch noch kapieren. Und der Nussschnaps wird ohnehin besser, wenn man ihn länger stehen lässt.

Ähnliche Artikel

Marktwirtschaft Kultur Kunstmarkt Slowenien ist wie viele andere, nicht nur westliche, länder heute in einer tiefen Krise. Banal wird diese Krise als eine wirtschaftliche abgetan. Es scheint wohl praktisch in einer von Konjunkturzyklen dominierten Wirtschaftsordnung, welche nach der Rezession die Depression, dann aber den Aufschwung und den Boom kennt, mittels dieses bekannten und plausiblen Theorems zu argumentieren, um damit die Geduld der Menschen anhaltend zu strapazieren. Ja, sicher ist das am einfachsten. 
(Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)
Da steht noch immer die Finanzkrise als drohendes Monstrum. Und vor allem die absurde Reaktion der europäischen Politik darauf: Noch mehr von dem, was uns in die Krise geführt hat.