Über die Nutzung des Kapitals! Reflexion der Zusammenarbeit zwischen maiz und KUPF

Als maiz, das Autonome Zentrum von & für Migrantinnen, 1999 als erster MigrantInnenverein Mitglied der KUPF – Kulturplattform OÖ wurde, geschah gleichzeitig das Unvermeidliche und Erwünschte. Unvermeidlich, weil MigrantInnen hier leben, weil sie sich politisch organisieren, weil sie sich in Folge der Organisation auch im Kulturbereich betätigen, weil sie um gleiche Rechte zu erkämpfen, Verbündete brauchen.

Als maiz, das Autonome Zentrum von & für Migrantinnen, 1999 als erster MigrantInnenverein Mitglied der KUPF – Kulturplattform OÖ wurde, geschah gleichzeitig das Unvermeidliche und Erwünschte. Unvermeidlich, weil MigrantInnen hier leben, weil sie sich politisch organisieren, weil sie sich in Folge der Organisation auch im Kulturbereich betätigen, weil sie um gleiche Rechte zu erkämpfen, Verbündete brauchen. Unvermeidlich, weil maiz überzeugt war und ist, dass, um eine hegemoniale Position zu etablieren, auch das Regieren im Feld des Symbolischen angestrebt und erreicht werden muss. Erwünscht, weil somit die KUPF die Legitimation erhielt, laut und schärfer für eine antirassistische (Kultur)Politik aufzutreten, ohne den Vorwurf des Paternalismus oder der Stellvertretung zu riskieren.

Für die KUPF war diese erlangte Legitimation aber gleichbedeutend mit der Übernahme von Verantwortung und Aufträgen. Der bis dahin im Moralischen manifestierte antirassistische Aspekt kulturarbeiterischer Praxis musste in eine Sphäre des Politischen gehoben werden. Das „neue“ Selbstverständnis musste an mehrheitsösterreichische Kulturinitiativen kommuniziert werden.

Zwischen KUPF und maiz ging es nicht um das Herstellen und Aufrechterhalten einer harmonischen Beziehung. Maiz wollte die Ressourcen und das politische und symbolische Kapital der KUPF für den Kampf um eine hegemoniale Stellung nutzen. Für die KUPF bedeutete (und bedeutet) das eine weitere Reflexion ihrer Rolle als ein Dachverband, in dem ausschließlich MehrheitsösterreicherInnen wirkten. Denn es ging darum, Privilegien abzugeben.

Ein Ausdruck dieses Verlustes an Privilegien bzw. der Übertragung derselben auf migrantische Organisationen war die Überarbeitung der zuMUTungen. Die zuMUTungen – ein Forderungskatalog mit dem Untertitel „Maßnahmen für eine zukunftsweisende Kulturpolitik“ – erfuhr 2002 nach seiner Erstauflage 1997 eine radikale Erweiterung, für die die Neu-Definition des Kulturbegriffs und des antirassistischen Selbstverständnisses der KUPF maßgeblich verantwortlich waren. Der Bereich Kulturarbeit von MigrantInnen – in der Erstauflage quasi unberücksichtigt – erfuhr besondere Bedachtnahme und wurde auch im Zuge der medialen Rezeption in den Vordergrund gestellt.

Maiz und KUPF bildeten von Anfang an eine strategische Allianz. Diese existiert nach wie vor entlang von Konfliktlinien (wie z.B. die Achsen minoritär/majoritär; eurozentristisches Wissen/„peripherisches” Wissen; Kunstfeld/politisches Feld). Im Vordergrund steht aber die gemeinsame Durchsetzung und Vertretung dissidenter Positionen. Es geht um eine optimale Nutzung der aus der Gemeinsamkeit entstandenen Potenziale, darum, gemeinsame Machtpositionen stärker zu fördern, und letztlich um die Stärkung der Position der AllianzpartnerInnen in Konfrontationsmomenten, um Asymmetrien in den Machtbeziehungen neu zu verteilen. Dieser Prozess bedarf für beide Seiten einer ständigen Reflexion und Überprüfung der formulierten Ziele.

Eingedenk der in den zuMUTungen formulierten Forderungen, muss die KUPF sich eingestehen, dass die radikal demokratische Änderung der Gesellschaft noch nicht vonstatten gegangen ist. Nach wie vor ist die Kulturarbeit von MigrantInnen im Mainstream der Kulturpolitik nicht ohne die soziale Komponente denkbar. Die Eigenständigkeit migrantischer Kulturarbeit wird in Abrede gestellt oder euphemistisch mit Termini wie „Migrationshintergrund“ relativiert.

Im Bereich der freien Kulturarbeit kann hingegen ein gewisser Umdenk- bzw. Einlenkprozess festgemacht werden. Dieses Umdenken ist aber auch nur partiell zu verorten. Die Partizipation von MigrantInnen an der Verteilungsfrage und der kulturarbeiterischen Praxis ist selbstverständlich, die Zugangsbedingungen für MigrantInnen zu mehrheitsösterreichischen Kulturvereinen in der Praxis hingegen nur vereinzelt gegeben. Die KUPF sitzt hier der Problematik auf, eine öffentliche Profilierung als Befürworterin der Partizipation und als antirassistische „Instanz“ erlangt zu haben, ohne aber aktiv an der Schaffung struktureller Rahmenbedingungen für die Ermöglichung gearbeitet zu haben.

Daher bezieht sich maiz im Dialog mit der KUPF auf die Notwendigkeit eines Prozesses der Vertiefung und der Ausbreitung in Richtung Kulturinitiativen, im Rahmen dessen die spezifischen (SprecherInnen-)Positionen und politischen Praxen historisch und lokal verortet werden könnten. Weiters wird die Durchführung einer Bilanzziehung vorgeschlagen: Was wurde bis jetzt erreicht? Inwieweit geschah eine Stärkung der Position der MigrantInnen? Stehen die „Profite“ beider beteiligten Parteien in einem Gleichgewicht? Was wollen wir kurzfristig und langfristig erreichen? Wie? Wer sind die AkteurInnen? Die Strategien? Die Perspektiven?

Schritte, die vor uns stehen, die uns in Richtung konkreter Handlungen zur Erkämpfung und Etablierung von Rahmenbedingungen für eine gleichberechtigte Partizipation von MigrantInnen im Bereich der freien Kulturarbeit ein Stück weiterbringen sollen.

Rubia Salgado geb. 1964 in Brasilien, lebt seit 1987 in Österreich. Mitbegründerin und Mitarbeiterin von maiz – Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, Linz; Autorin, Aktivistin und Vorstandsmitglied der IG Kultur Österreich.

Stefan Haslinger geb. 1971, Geschäftsführer der KUPF – Kulturplattform OÖ, im Vorstand der IG Kultur Österreich, im Vorstand des Kulturvereins waschaecht wels.

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