Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis

Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) ist das Schlüsselwort 2009: Seit Ende April gibt es Sitzungen zu unterschiedlichen Themenspektren mit dem Ziel, jeweils Maßnahmenpakete zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Künstler*innen in Österreich zu entwickeln.

Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) ist das Schlüsselwort 2009: Seit Ende April gibt es Sitzungen zu unterschiedlichen Themenspektren mit dem Ziel, jeweils Maßnahmenpakete zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Künstler*innen in Österreich zu entwickeln. Nach der so genannten Novelle des Künstlersozialversicherungsfondsgesetzes (KSVFG) und der Studie zur sozialen Lage der Künstler*innen ist seitens des BMUKK die IMAG nun das Instrument, das Verbesserungsmaßnahmen bringen soll. In diesen Arbeitsprozess eingebettet war auch die BMUKK-Tagung Prekäre Perspektiven? im Juni 2009, deren Workshops und Ergebnisse wiederum Auslöser für weitere IMAG-Themen wurden. Angesichts der Tatsache, dass viele Probleme im Zusammenhang mit der sozialen Lage der Künstler*innen jedoch nicht erst seit der Studie bekannt sind, sowie seit dem praktischen Versagen von Ministerin Schmied bei der Umsetzung einer KSVFG-Novelle, die diesen Namen verdient hätte, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Interessenvertreter*innen derzeit dezent skeptisch sind.

Aber zunächst zurück zum Thema: Die IMAG „setzt sich aus Experten des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK), des Bundesministeriums für Frauen und öffentlicher Dienst, des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) zusammen“, schrieb Günter Lackenbucher im Sommer 2009, der als BMUKKMitarbeiter für die Koordination der IMAGs zuständig ist. Diese Arbeitstreffen haben „jeweils im Dialog und Austausch mit Szene-, Interessen-, Gewerkschafts- und Sozialpartnervertretern“[1] stattgefunden. Nach einem anfänglichen Herumlavieren, wer denn nun aller Teil dieser IMAG wäre oder sein könnte, ist damit zumindest einigermaßen klar gestellt, dass eine IMAG im Kern nur Mitarbeiter*innen der Ministerien umfasst.

Bei den Interessenvertretungen hat in der Zusammenarbeit im Kulturrat Österreich eine intensive Arbeit zur Entwicklung von Maßnahmenpaketen und Forderungspapieren stattgefunden, die in die IMAGs eingeflossen sind. Vor dem Sommer standen in einer Reihe von IMAG-Sitzungen insgesamt drei Themen auf der Agenda: Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung und AMS, Arbeitsrecht und Schauspieler*innengesetz. Ab dem Herbst wurden die Themen immer mehr und die Termine immer dichter: Frauen in der Kunst, Kunstförderung, Urheber*innenrechte, Steuerliche Maßnahmen, Mobilitätsbarrieren. Mittlerweile sind themenabhängig noch weitere Ministerien in die Arbeitsprozesse involviert.1 Manche IMAGs haben ihre Tätigkeit – jedenfalls den Teil unter Einbeziehung von Interessenvertretungen – bereits beendet, andere sind weiterhin am werken.

Die Struktur der Arbeitstreffen hat sich mittlerweile halbwegs eingespielt, schließlich waren die Anwesenden trotz unterschiedlichster Themen stets mehr oder weniger dieselben (gezielte Einladungen an themenspezifische Expert*innen dürften zuletzt allerdings die Runde machen): Auf eine Problemerhebung (Kunst- und Kulturschaffende und deren Interessenvertretungen erläutern Erfahrungen aus der Praxis künstlerischer und kultureller Arbeit) folgen Vorschläge und Forderungen zur Verbesserung der Situation (Kunst- und Kulturschaffende und deren Interessenvertretungen formulieren und zitieren Forderungskataloge). Mitarbeiter*innen der Ministerien beantworten Fragen zu rechtlichen oder administrativen Belangen ihrer Arbeitsbereiche – nicht immer decken sich diese mit den Erfahrungen der Künstler*innen.

Arbeitslosenversicherung und Frauen abgehakt
Der Reihe nach: Die Arbeitsgruppe zu Arbeitslosenversicherung und AMS hat als erste ihren (vorläufigen) Abschluss gefunden. Innerhalb von gut zwei Monaten hat der Kulturrat Österreich ein Forderungspapier mit Sofortmaßnahmen (zum einen auf dem Verordnungsweg, zum anderen über eine Gesetzesänderung) sowie grundsätzlichen, mittelfristigen Zielen ausgearbeitet und in mehreren Sitzungen Punkt für Punkt den Mitarbeiter*innen der involvierten Ministerien vorgestellt. (Ein bedeutender Nebeneffekt: Der Informationsaustausch zu gesetzlicher Theorie und administrativer Praxis hat zur Klärung von Falschinterpretationen durch das AMS geführt). Am Ende waren alle Punkte diskutiert und protokolliert, das gewünschte Maßnahmenpaket also geschnürt. Nächste Schritte: Die Ministerienmitarbeiter*innen präsentieren die Ergebnisse ihren jeweiligen Minister*innen Claudia Schmied und Rudolf Hundstorfer, die Minister*innen treffen sich, die Interessenvertretungen fragen bei den Ministerienmitarbeiter*innen nach. Anschließende Ersteinschätzung aus beiden Ressorts: Schublade … Ein paar Wochen später wird erzählt, Ministerin Schmied hätte jüngst einen Anlauf unternommen, um ihren Parteikollegen von der Notwendigkeit der Umsetzung der einen oder anderen Forderung zu überzeugen. Etwa zeitgleich (21. Oktober) hat der Kulturrat Österreich bei Schmied und Hundstorfer nachgefragt, was mit den in der IMAG erarbeiteten Lösungsvorschlägen nun passiert und was ihre nächsten Schritte zur Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen sind. Hundstorfers ausweichende Antwort: „Änderungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung, wie sie der Kulturrat vorschlägt, sind sehr grundlegend und würden zu einem weitgehenden Systemumbau führen. So weit damit Leistungsverbesserungen verbunden wären, stehen sie zudem unter dem Erfordernis einer finanziellen Bedeckung, die derzeit nicht gegeben ist.“ Schmied: zum Redaktionsschluss (Anfang Dezember) keine Antwort.

Was aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppe „Frauen in der Kunst“ geworden ist, ist gleichfalls unbekannt. Gewiss ist lediglich, dass ein Großteil der in zwei Stunden aufgegriffenen Thematiken erst gar nicht im Sitzungsprotokoll gelandet ist. Zu den verbliebenen Fragmenten ist ein Umsetzungsbericht aus dem Frauenministerium zugesagt, einen Terminplan gibt es hierfür nicht.

Sechs weitere Themen in Arbeit
Das BMUKK-Kernthema Kunstförderung zeigt derzeit vermutlich am deutlichsten, worum es nicht gehen soll, ja kaum gehen darf: um mehr Geld. Die bislang erhobene Reihe von Vorschlägen auf Grund von meist dringendem Handlungsbedarf (zusammengestellt in bisher zweimal zwei Stunden Sitzungszeit – noch kein Ende in Sicht) zeigt aber selbstverständlich, dass sowohl bei Subventionshöhen als auch Personalressourcen im BMUKK dringend Steigerungen erzielt werden müssen.

Bei den Urheber*innenrechten ist einstweilen vor allem wichtig, das Thema endlich (auch) im BMUKK zu verankern. Ob und wie sehr zumindest die Repolitisierung der Thematik gelingt, wird sich zeigen (die zweite Sitzung findet knapp nach Redaktionsschluss statt). Klar ist schon jetzt: Bei kaum einem anderen Thema gibt es derart hartnäckige Interessenskonflikte auch zwischen Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden. Nicht zuletzt dann ist aber das Wahrnehmen politischer Verantwortung gefordert.

IMAGs zu Mobilitätsbarrieren und Steuerlichen Maßnahmen werden ebenfalls noch im Dezember begonnen. Gemeinsam ist diesen vier Themen (und jenem zu „Frauen in der Kunst“, siehe oben), dass Günter Lackenbucher immer wieder auf einen Sammelcharakter der IMAGs hinweist: Der politische Wille geklärt und Erarbeitetes auf Umsetzbarkeit abgeklopft wird voraussichtlich hinter verschlossenen Türen.

Demgegenüber stehen zwei praktisch orientierte Arbeitsgruppen: Während die Umsetzungs-IMAG zum Schauspieler*innengesetz als schon sehr weit fortgeschritten eingestuft wird (mit Ergebnissen in Form einer Gesetzesvorlage soll im ersten Halbjahr 2010 zu rechnen sein), hat die seit September um die Sozialpartner*innen erweiterte Arbeitsgruppe zum Thema Sozialversicherung nach zwei Sitzungen in dieser neuen Zusammenstellung gerade erst ihre Fahrt aufgenommen. Erste Skizzen eines möglichen Weges wurden Ende November in einer Podiumsdiskussion des Kulturrat Österreich mit dem zuständigen BMASK-Sektionschef Walter Pöltner im Wiener Literaturhaus vorgestellt. Ziel ist eine Verbesserung der Sozialversicherungssituation von Kunst- und Kulturschaffenden mit der vagen Idee eines Sozialversicherungsstrukturgesetzes (salopp formuliert: „Sozialversicherung unter einem Dach“). Damit sollen Probleme der Mehrfachversicherung von Kunst- und Kulturschaffenden behoben, Versicherungslücken reduziert und – mit einer einzigen Anlaufstelle oder Zuständigkeit – Sozialversicherungsangelegenheiten für die Einzelne*n leichter durchschau- und administrierbar werden. Was sehr einfach klingt, birgt durchaus einschneidende Umstrukturierungen in sich.

Ausständig ist noch eine vor dem Sommer angekündigte Arbeitsgruppe zum Thema KSVF.

Sich totreden (lassen)?
Der Status quo ist jetzt untragbar – so der Ausgangspunkt. Es tut sich was – so der neue Ist-Stand. Noch aber nur heiße Luft auf Seite der Minister*innen – so die Diagnose. Ein quasi-natürliches Dilemma, vor allem für die Betroffenen und ihre Interessenvertretungen. Der Ausgangspunkt, der durch die BMUKK-Studie mehr als nur bestätigt wurde, war für Interessenvertreter*innen jahrelang ein Grund für sowohl Forderungen nach Sofortmaßnahmen an Akutstellen als auch das Drängen auf einen umfassenden Prozess der grundsätzlichen Verbesserung der sozialen Lage im Feld. Erstere wurden zuletzt nur selten, und wenn grundsätzlich unzureichend erfüllt. Gleichzeitig ergab der aktuelle neoliberale Umbau des Sozialstaates immer neue und noch akutere Probleme. Demgegenüber ist der geforderte umfassende Prozess zumindestin Gang gesetzt – auch wenn bislang wenig mehr als eine ausführliche Gesamtdarstellung der Problemzonen prognostizierbar ist.

In Österreich, so heißt es unisono aus den beteiligten Ministerien, ist bereits die Einrichtung der IMAG mehr als vorhersehbar passieren hättekönnen. Hier hat sich offensichtlich das BMUKK, namentlich Kunst-Sektionschefin Andrea Ecker, außerordentlich eingesetzt, um in allen notwendigen Ministerien von der Notwendigkeit der IMAGs zu überzeugen. Die eingesetzten Zeitressourcen auf Beamt*innen-Ebene sind in der Tat überraschend – und führen nicht zuletzt zu Überlastungen auf Seiten der Interessenvertreter*innen, die in Arbeit versinken. So ist es bislang nicht in ausreichendem Maß gelungen, den Prozess transparent mit Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten – und für den Aufbau von öffentlichem Druck vergleichbar etwa den Bildungsprotestbewegungen von Studierenden oder Kindergärtner*innen fehlten ebenso die Ressourcen.

Dies sollte sich aber alsbald ändern: Zum Jahresende 2009 ist vom BMUKK eine Evaluierung der Ergebnisse und zu setzenden Maßnahmen geplant. Im ersten Halbjahr 2010 wird es also umso mehr notwendig werden, den bestehenden Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Links
Arbeitsergebnisse AMS/Arbeitslosenversicherung

Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich (Studie)

Lackenbucher, Günter (2009): Kreative Selbstausbeutung – Zur sozialen Lage der Kunstschaffenden

Konkreteres zu dem IMAGs jeweils online bei den beteiligten IGs und dem Kulturrat Österreich

Literatur
Christl, Clemens (2009): „Arbeitslosenversicherung, alles klar?“. In: Kulturrisse 2|2009

Klein, Barbara/Daniela Koweindl (2009): „Täglich grüßt das Murmeltier“. In: an.schläge Dezember 2009 /Jänner 2010

Koweindl, Daniela (2009): „Auf dem Weg der Besserung“. In: Bildpunkt Herbst 2009

Prokop, Sabine (2009): „Es gibt die IMAG“. In: GIFT Juli-September 2009

Clemens Christl arbeitet für den Kulturrat Österreich.

Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.

Beide haben regelmäßig an IMAG-Treffen teilgenommen.

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