Auf alten Pfaden oder Creative Europe reloaded 2.0

Ab 2021 wird das EU-Förderprogramm „Creative Europe“ neu aufgelegt. Aktuell verhandeln Europäisches Parlament und Rat noch über das Programm. Die Konturen des zukünftigen Programms zeichnen sich jedoch immer stärker ab – und es wird einige Neuerungen bringen. Eine substantielle Trendwende, weg von der wirtschaftlichen Outputorientierung, ist jedoch nicht zu erwarten. Zu ausgetreten sind die Pfade, die in den letzten Jahren eingeschlagen wurden.

„Creative Europe“, das EU-Förderprogramm spezifisch für den Kultur-, Medien und Kreativbereich, soll ab 2021 für weitere sieben Jahre neu aufgelegt werden (2021-2027). Seit Anfang des Jahres gibt es eine sogenannte „partielle allgemeine Ausrichtung“ seitens des Rats zum zukünftigen Programm. Endgültig beschlossen werden kann es aber nur, wenn eine Einigung mit dem Europäischen Parlament erzielt wird, welches seine Position ebenfalls in einem Bericht dargelegt hat – und in vielen Bereichen von der Position des Rates abweicht. Diese Abweichungen sind keine Kleinigkeit. Sie sind aber auch keine Kampfansage an die wirtschaftliche Argumentationslogik, die das Programm durchzieht. Vielmehr sind sie Ausdruck des Versuchs des Parlaments, durch zahlreiche Ergänzungs- und Abänderungsvorschläge den wirtschaftlichen Aspekten eine aufgewertete kulturelle Dimension ergänzend zur Seite zu stellen. Besonders augenfällig wird dies, wenn das Parlament vorschlägt, im einzig existierenden EU-Kulturförderprogramm auch einen genuin kulturelle Zielsetzung für das Programm zu verankern. Konkreter wird es in jenen Vorschlägen, in denen das Parlament versucht, den Beitrag von Kultur nicht nur auf ihr wirtschaftliches Potential zu beschränken, sondern auch als Beitrag zu kritischem Denken, sozialem Zusammenhalt und Teilhabe, aktive BürgerInnenschaft, demokratischen Prozessen und einer pluralistischen Medien- und Kulturlandschaft anzuerkennen sowie qualitative Evaluationskriterien, die über die Messung des quantitativen Outputs hinausgehen, fordert.
 

Was kommt: Die Eckpunkte des zukünftigen Programms im Überblick

Trotz der laufenden Diskussionen zeichnen sich die wesentlichen Konturen des Programms und einer Einigung bereits ab: Fix ist jedenfalls, dass es auch zukünftig kein eigenes EU- Kulturförderprogramm geben wird. Der eingeschlagene Pfad, Kultur- und Kreativwirtschaftsförderung (insbesondere die Film- und Medienförderung) unter einem gemeinsamen Dach zu behandeln, wird fortgesetzt. Damit einher geht die fast unveränderte Fortschreibung der Zielsetzungen: Neben Erhalt und Förderung der „sprachlichen und kulturellen Vielfalt und des kulturellen Erbes“ soll das Programm zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Kultur- und Kreativsektoren beitragen. Ob eine dritte Zielsetzung, wie vom Europäischen Parlament vorgeschlagen, Eingang findet, ist abzuwarten, gilt aber als unwahrscheinlich. 

Operativ wird das Programm wieder in die Aktionsbereiche KULTUR (für sämtliche Kultursparten außer dem audiovisuellen Bereich), MEDIA (für den audiovisuellen Bereich) und den SEKTORÜBERGREIFENDEN Aktionsbereich gegliedert sein.
 

Förderbereich Kultur

Kooperationsprojekte | Netzwerke | Plattformen 

Im Aktionsbereich KULTUR sollen die Förderschienen „Kooperationsprojekte“, „Netzwerke“ und „europaweite Plattformen“ fortgeführt werden. Die im aktuellen Programm verankerte Bevorzugung von gemeinnützigen Projekten wurde ersatzlos gestrichen. Ob weiterhin zwischen kleinen und großen Kooperationsprojekten differenziert wird, ist bislang offen. Das Europäische Parlament setzt sich dafür ein, dass klar zwischen kleinen, mittleren und großen Kooperationsprojekten differenziert wird und Klein- und Kleinstorganisationen besonders berücksichtigt werden sollen. Zusätzlich sollen höhere Ko-Finanzierungsraten für kleine Kooperationsprojekte möglich sein sowie die mit der Antragstellung direkt verbundenen Kosten abrechenbar sein. Ob der Rat diesen Vorschlägen zustimmt, bleibt abzuwarten.

Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, sieht der Programmvorschlag aktuell die Möglichkeit der Einführung von Finanzhilfen nach dem Kaskadenprinzip sowie Pauschalbeträge, Kosten je Einheit und Pauschalfinanzierungen vor. Dies ist jedoch lediglich als Möglichkeit definiert, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Arbeitsprogrammen konkretisiert werden.

Soll Creative Europe auch die Vielfalt im Kleinen fördern, braucht es verbindliche Zielsetzungen, wie Zugangsbarrieren für kleine Kulturorganisationen gesenkt werden können. Denn angesichts der geringen Erfolgschancen lohnt sich der bürokratische Aufwand einer Einreichung für viele kleine Kulturorganisationen schon lange nicht mehr. In den letzten fünf Jahren – fast genau seit der Zusammenlegung von Kultur-, Kreativwirtschafts und Medienförderung unter dem gemeinsamen „Creative Europe“ Dach – hat sich die Erfolgsquote von kleinen Organisationen halbiert.
 

Neue Kulturförderschienen und -schwerpunkte

Mobilitätsförderung | Sektorspezifische Maßnahmen | Direktförderungen | Exzellenzsiegel

Als fix gilt jedenfalls die geplante neue Mobilitäts-Förderschiene für KünstlerInnen und „Fachleute“ aus dem Kultur- und Kreativsektor. Damit öffnet sich das Programm und wird erstmals auch Einzelpersonen fördern. Aktuell läuft das Pilotprogramm zur Vorbereitung dieser Mobilitätsförderung – welches ausschließlich auf AkteurInnen aus dem bildenden und darstellenden Bereich abzielt. 

Neu ist ebenfalls, dass für ausgewählte Kultursparten sektorspezifische Maßnahmen entwickelt werden sollen. Dies galt bislang lediglich für literarische Übersetzungen. Nun sind spezifische Fördermaßnahmen für den Musiksektor, den Buch- und Verlagssektor, den Architektur- und Kulturerbesektor, Design und Mode und den Kulturtourismus geplant (der Film- und Medienbereich ist Gegenstand des Unterprogramms MEDIA). Andere „Kultur- und Kreativsektoren“ wie etwa soziokulturelle und transdisziplinäre Kulturarbeit, darstellende oder bildende Kunst bleiben außen vor.


Für sie sind lediglich die für alle Kultursparten offenen Fördermaßnahmen zugänglich. Hier wird die dem Programm zugrundliegende wirtschaftliche Logik offensichtlich, die den Fokus auf jene Sektoren legt, denen größere kommerzielle Verwertbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit zugeschrieben wird. Die geplanten sektorspezifische Maßnahmen wie „zielgerichtet Maßnahmen zur Förderung der Mobilität der Akteure, des Kapazitätsaufbaus, Publikumsentwicklung und Internationalisierung“, „länderübergreifende Projekte zur Förderung von Kooperation, Innovation oder Entwicklung im Sektor“ oder „Unterstützung der Datenerhebung und -analyse“, die nun für die identifizierten Sektoren vorgesehen sind, wären ohne Zweifel auch für andere Kultursektoren von Bedeutung. 

Umstritten ist bislang die von der Kommission im Programmentwurf vorgeschlagene Direktförderung ausgewählter Kulturorganisationen, die ohne Einreichung Finanzhilfen erhalten sollen – konkret die European Film Academy und das European Youth Orchestras. Weder Rat noch Parlament stimmen diesem Vorschlag vorbehaltlos zu.

Ebenfalls fraglich, aber sehr wahrscheinlich ist, dass das vorgeschlagene „Exzellenzsiegel“ kommen wird. Gedacht ist das Siegel für FörderwerberInnen, die zwar von der Jury als förderwürdig befunden werden, aus budgetären Gründen jedoch keine Förderung erhalten. Der Mehrwert eines solchen Siegels erschließt für die AntragstellerInnen erschließt aus dem bisherigen Entwurf nicht.  
 

Sektorübergreifender Förderbereich

Politische Zusammenarbeit | Creative Europe Desks | Creative Innovation Labs | pluralistisches Medienumfeld

Im sektorübergreifenden Aktionsbereich finden sich Förderschienen für die transnationale politische Zusammenarbeit, etwa zum Beitrag von Kultur zum sozialen Zusammenhalt und zur Kunstfreiheit. Fortgeführt werden auch zukünftig die Kontakt- und Beratungsstellen zum Programm, die Creative Europe Desks. Ebenfalls angekündigt sind sogenannte „Creative Innovation Labs“ deren Ziel und Struktur nur sehr grob und wenig aussagekräftig umrissen sind. 

Neu ist, dass erstmals ein Fokus auf die Förderung eines pluralen Medien-/Nachrichtensektor verankert wird – der ein vielfältiges, pluralistisches Medienumfeld, Standards in Medienproduktion und -inhalten sowie die Medienkompetenz beinhaltet.

Der „Garantiefonds “ ist zukünftig kein Teil des Programms mehr. Er wandert quasi in den geplanten Fonds „InvestEU“.
 

Parlament fordert Verdoppelung des Budgets 

Offen ist bislang die Dotierung des Programms, da diese vom Beschluss des allgemeinen Finanzrahmens der EU abhängt. Der Vorschlag der Kommission zum zukünftigen EU-Budget 2021-2027 sieht vor, dass die Mittel für das Programm Creative Europe um ca. 27%, von 1.46 Milliarden (2014-2020) auf 1.85 Milliarden für den Zeitraum 2021-2027, angehoben werden. Im Gesamtzusammenhang betrachtet wäre diese Steigerung minimal: Angesichts der vorgeschlagenen Erhöhung des EU-Gesamthaushalts würde sich der Anteil des Programms Kreatives Europa am EU-Globalbudget im nächsten Finanzrahmen lediglich um 0.02% erhöhen. Während der Rat sich mit Verweis auf die offenen Budgetverhandlungen noch nicht positioniert hat, fordert das Parlament eine Verdoppelung des Budgets von Creative Europe auf 2.8 Milliarden Euro - ein Erfolg der gemeinsame Kampagne #Double4Culture des europäischen Kultursektors. Nicht strittig ist, wie das Budget - unabhängig von der Gesamtsumme - auf die einzelnen Aktionsbereiche aufgeteilt werden soll: 

  • 33% für den Aktionsbereich KULTUR
  • 58% für den Aktionsbereich MEDIA und
  • 9 % für den sektorübergreifenden Aktionsbereich. 


Was bleibt in der Zusammenschau dieser geplanten Änderungen? Auch wenn vieles noch offen und in Diskussion ist, ist eine grundsätzliche Trendwende nicht absehbar. Auch dieses Programm versucht den Spagat zwischen Wirtschafts- und Kulturförderung, bewegt sich aber durchwegs auf dem alten Pfad, EU-Kulturförderung aus einer wirtschaftlichen Argumentationslogik heraus zu rechtfertigen - als Beitrag zu Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Kreativität. Versuche, das Programm stärker an den strategischen Zielsetzungen der Neuen Kulturagenda - welche neben der wirtschaftlichen auch die soziale und internationale Dimension von Kultur betont -  sind in Ansätzen vorhanden. Diesen Ansätzen fehlt jedoch die Konkretisierung, oder, in einer positiven Deutung, lassen sehr viel Flexibilität und Interpretationsspielraum zu. Verbindliche Leitlinien dazu finden sich nicht. Dass diese durchwegs möglich wären, zeigt das Parlament in seinem Bericht auf, welches eine Lanze für den Zugang von Klein- und Kleinstorganisationen und die demokratiepolitische Dimension von Kulturarbeit bricht. Dass diese durchwegs politisch brisant sind, zeigt sich daran, dass der Programmentwurf erstmals auch Fragen der Kunstfreiheit, des Medienpluralismus und von Kultur und sozialem Zusammenhalt aufgreift - und auf Ebene der (freiwilligen) zwischenstaatlichen politischen Zusammenarbeit ansiedelt. Aber immerhin: In sämtlichen Förderschienen, wo anwendbar, sollen geeignete Kriterien zur Erzielung von "Gender Equality" definiert werden.  

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Photo: Ibrahim Rifath

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