Katharina Rogenhofer und das Klimavolksbegehren: "Jetzt wird vielen Menschen klar, dass die Wirtschaft, wie sie bisher gearbeitet hat, nicht nachhaltig ist."

Das Thema Umweltschutz stand letztes Jahr noch groß auf der Agenda. Die Hoffnung, dass tatsächlich echte Maßnahmen ergriffen werden, waren nicht ganz unberechtigt. Dann kam Corona. Das Klimavolksbegehren muss nun trotzdem stattfinden, einer erst in Aussicht gestellten Verschiebung wurde vom Innenministerium nicht stattgegeben. Ein Gespräch mit Sprecherin Katharina Rogenhofer darüber, wie die Kampagne in dieser Situation läuft, was genau ihre Forderungen sind und ob die Krise auch eine Chance sein könnte. 

Katharina Rogenhofer, Klimavolksbegehren, Österreich

Patrick Kwasi: Ihr geht jetzt unverhofft ein wenig früher in die heiße Phase, nachdem zunächst alles nach einer Verschiebung der Eintragungswoche aussah. Das muss jetzt eine große Herausforderung für euch sein, unter diesen Bedingungen Menschen zu mobilisieren. Wie läuft die Kampagne?

Katharina Rogenhofer: Wir haben selber nicht mehr mit einer Eintragungswoche Ende Juni gerechnet, weil uns das Innenministerium eigentlich versichert hat, dass wir verschoben werden, wie auch Wahlen verschoben und Veranstaltungen abgesagt werden mussten. Jetzt wurde die Eintragungswoche kurzfristig aufgrund der Lockerungen doch von 22. Bis 29. Juni festgelegt. Das stellt uns vor die enorme Aufgabe eine Kampagne in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen. Es ist auch demokratiepolitisch fragwürdig, eine Eintragungswoche von einem so wichtigen direkten demokratischen Werkzeug in eine Zeit zu legen, in der die gesundheitlichen Bedenken der Menschen im Vordergrund stehen. Ein Volksbegehren lebt ja auch vom zwischenmenschlichen Austausch. Unsere Freiwilligen, die in den Startlöchern scharren, konnten keine Veranstaltungen machen, konnten auf der Straße nicht entsprechend präsent sein. Auch die Mobilisierung auf das Amt ist fragwürdig, man möchte ja auch nicht Menschen auffordern, in Strömen auf das Amt zu gehen, wenn es noch Sicherheitsvorkehrungen geben muss oder Menschen gleichzeitig aufgefordert sind, sich nicht in größeren Zahlen zu versammeln. 

Wir sind aber natürlich kämpferisch und nehmen die Herausforderung an. Wir haben in den letzten Monaten gezeigt, dass wir aus dem Klimavolksbegehren bereits ein „Erfolgsbegehren“ gemacht haben. Wir haben die Hürde von 100.000 Unterschriften, die für das Parlament benötigt werden, bereits gesammelt. Im Nationalrat muss unser Thema also behandelt werden. Einige Forderungen stehen auch wortwörtlich im Regierungsprogramm, das ist auch noch keinem Volksbegehren vor uns passiert. Wir konzentrieren uns jetzt auf die Umsetzung, denn Klimamaßnahmen sucht man noch immer mit der Lupe. Wir forcieren deshalb unsere politische Arbeit und hoffen von 22. bis 29. Juni auf starke Unterstützung, im besten Falle auch mit Handysignatur, was in solchen Zeiten ein wenig leichter möglich ist. 


Kwasi: Viele haben sich schon gedacht, dass sich das Klima wegen entfallender Flüge und weniger Individualverkehr aufgrund von Corona ein wenig von selbst rettet. Wie seht ihr das?

Rogenhofer: Was hier oft zitiert wird, sind die Luftschadstoffe, die sich durchaus reduziert haben, aber das ist kein Grund für Euphorie, denn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt trotzdem, weil wir immer noch mehr ausstoßen, als wir binden können. CO2 kann in Biomasse gebunden werden. Solange wir mehr ausstoßen als gebunden werden kann kumuliert das in der Atmosphäre. Wir haben jetzt eine höhere Konzentration als letztes Jahr, insofern ist das keine Verbesserung. Die Geschwindigkeit hat sich nun ein wenig verringert, aber darauf sollten wir uns nicht ausruhen, denn nun wird die Wirtschaft wieder hochgefahren. Die Finanzkrise 2008 hat gezeigt, dass der Rückgang der Emissionen wieder aufgeholt wurde. Es braucht keinen Lockdown, der auch in Grundrechte eingreift, um die Umwelt zu schonen, wir brauchen eine systemische demokratische langfristige Veränderung in Richtung nachhaltiger und regionalerer Produktion, beispielsweise einer Kreislaufwirtschaft, und auch tatsächliche Klimaschutzmaßnahmen, ein Sanierungsprogramm und so weiter. Man muss gute politische Maßnahmen setzen, die eine langfristige Verbesserung sicherstellen und nicht, dass man kurzfristig Menschen wegsperren muss, um der Natur die Gelegenheit zu geben, sich zu erholen. Das wäre ja absurd. 

 

 

 

Klimavolksbegehren, Katharina Rogenhofer

 

Kwasi: Letztes Jahr war Klimaschutz noch ganz oben auf der Agenda. Kann es nach Corona damit weitergehen oder besteht die Gefahr, dass mit dem Argument, dass die Wirtschaft sich erst mal erholen muss, alle ernsthaften Maßnahmen abgewehrt werden?

Rogenhofer: Man sieht schon Tendenzen in beide Richtungen.  Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš meinte, dass wir uns den Green Deal auf EU-Ebene in die Haare schmieren soll, weil jetzt erstmal die Wirtschaft anlaufen muss. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Gegenbeispiele, weil auf EU-Ebene oder auch Österreich viele Menschen nach vorne treten, auch Wirtschaftswissenschafter, die sagen, dass wir dieses Problem nur gemeinsam lösen können. Dieser Meinung sind wir auch, weil wir die große Gefahr sehen, dass wenn nun in eine Wirtschaft investiert wird, wie wir sie davor hatten, wir in die nächste Krise stolpern, nämlich eine Klimakatastrophe, gegen die es keine Impfung gibt. Helga Kromp-Kolb, eine der bekanntesten Klimawissenschafterinnen, beschreibt es so, dass wir jetzt in einem Erdbeben sind und unser Haus eingebrochen ist und es unsinnig wäre, es genauso wie vorher aufzubauen. Wir sollten gleich ein Haus errichten, das stabiler, besser ist, das sich mit den Umständen und Gegebenheiten arrangiert. Es gibt bereits Studien dazu, dass wenn man die auf uns zukommende Wirtschaftskrise mit der Klimakrise zusammendenkt, es viele Vorteile haben kann, die Lösungen zu verbinden, sowohl am Arbeitsmarkt, für die Wirtschaft selbst, als auch für den Klimaschutz. 


Kwasi: Meint ihr das, wenn ihr sagt, dass die Krise auch eine Chance sein kann?

Rogenhofer: Jetzt wird vielen Menschen klar, dass die Wirtschaft, wie sie bisher gearbeitet hat, nicht nachhaltig ist. Wir haben momentan mit einer Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen, mit vielen Menschen, die ihren Job verloren haben und gleichzeitig eine enorme Summe auf dem Tisch, die in die Wirtschaft investiert werden soll. Davor war von der schwarzen Null die Rede und jeder Wirtschaftswissenschafter begrüßt, dass die nun vom Tisch ist, denn einer Wirtschaftskrise begegnet man nicht mit rigoroser Sparpolitik, sondern mit Investitionen. Und die tätigt man am besten in die richtigen Bereiche. Wenn wir in erneuerbare Energien investieren würden, würden wir uns auch aus der Abhängigkeit erdölexportierender Staaten lösen, inklusiver ihrer Preisvorgaben und geopolitischen Strategien. 

Wir zahlen immer noch 9,1 Milliarden im Jahr dafür, um Öl, Kohle und Gas zu importieren. Das ist Geld, die man in Wertschöpfung vor Ort investieren könnte, was auch Arbeitsplätze schafft. Das wären je nach Studie ca. 80.000 bis 100.000 kurzfristige und 200.000 langfristige Arbeitsplätze alleine in der Branche der Fotovoltaik. In der Sanierung sieht das ähnlich aus, man müsste auch den Gebäudebestand rigoros sanieren und Ölkessel tauschen gegen nachhaltige Alternativen, was langfristig 136.000 Arbeitsplätze bringen könnte. Das könnte auch Perspektiven für die unzähligen Arbeitslosen schaffen. Auf der anderen Seite bringt es auch den Haushalten etwas, weil es Energiekosten senkt. 

Wenn wir 2040 Klimaneutral werden wollen, darf eigentlich kein Ölkessel mehr verbaut werden, den die sind dann wieder bis zu 20 Jahre in Betrieb. Insofern ist die Wirtschaftskrise mit dem Geld, dass investiert werden soll, eine große Chance, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. 


Kwasi: Was genau sind eure Forderungen?

Rogenhofer: Der Überbegriff der Forderungen ist, dass klimafreundliches Verhalten und Produkte zur Norm und allen zugänglich gemacht werden müssen. Das aktuelle System ist eines, in dem die klimaschädliche Variante die Norm ist und man sich für die klimaverträgliche Variante entscheiden muss, die aber damit verbunden sein kann, dass es teurer oder umständlicher ist. Da gehört öfter auch einiges an Überwindung dazu, das in Kauf zu nehmen. Klimafreundliches Verhalten muss aber zur Norm werden, es muss das Logischste sein, was man tun kann. Nur dann wird es auch von allen Menschen angenommen. Dazu braucht es Änderungen, woher wir unsere Energie beziehen, also nicht fossile Brennstoffe aus dem Ausland zu, sondern vor Ort gewonnene, die Sanierung von Häusern, Ausbau und billiger Machen des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, damit alle darauf umsteigen können. 
Klimaschädigendes Verhalten muss außerdem einen Preis haben. Damit das nicht auf jene abgewälzt wird, die eh schon wenig haben, muss ein sozialer Ausgleich geschaffen werden, zum Beispiel in Form eines Klimabonus, der an Haushalte ausgezahlt wird. 

Österreich hat sich unserer Forderung entsprechend das Ziel gesetzt, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Wenn das klappen soll, braucht die Politik einen konkreten Plan. Wir brauchen einen Reduktionspfad für Emissionen, wir brauchen ein CO2-Budget, das jedes Jahr geringer wird und das auch eingehalten wird. In allen Sektoren muss das umgesetzt werden, um 2040 in einer klimaneutralen Welt zu landen. Das ist möglich, wenn auch nicht durch die momentanen politischen Rahmenbedingungen. Um sicherzustellen, dass die sich ändern, ist ein Volksbegehren ein probates Mittel – um unsere Stimme zu erheben und dafür einzutreten. 

 

Katharina Rogenhofer, Klimavolksbegehren

 

Katharina Rogenhofer, Biologin und Zoologin, holte Friday for Future nach Österreich und ist nun Sprecherin des Klimavolksbegehren. 

 

 

 

 

Beitag als Podcast: 

 


 

Ähnliche Artikel

In der Dezember Ausgabe des Kulturradios hört ihr eine Diskussionsrunde zur Klimakrise, aufgenommen in der QL Galerie Graz im Rahmen einer Ausstellung von Bernhard Wolf sowie ein Gespräch mit Barbara Alt zum Projekt Klimakultur, das gemeinsam von TKI und Klimabündnis Tirol koordiniert wird.
Die neue Ausgabe des IG Kultur Magazins ist da und wirft Schlaglichter auf die Vielfalt zeitgenössischer Kulturarbeit in ländlichen Regionen. Wie geht es Kulturarbeiter*innen „abseits vom Schuß“? Welche Rahmenbedingungen finden sie vor, welche bauen sie auf, welche bräuchten sie? Wie gestalten sie Gemeinschaften und Entwicklungsprozesse mit? Und was heißt überhaupt „am Land“? Ein Dossier über Kulturarbeit im ländlichen Raum.
Herausforderungen Kultur Künstliche Intelligenz, schlechte Kulturstrategien, mangelnde Partizipation, geringe Einbindung der Jugend, Verschwinden des Publikums, Klimakatastrophe, steigender Rassismus, Rechtsextremismus im Aufwind und die humanitäre Krise im Mittelmeer - Herausforderungen gibt es genug. Während die Kulturpolitik weitgehend an den Realitäten des Kulturbetriebs vorbei agiert, scheint auch die Kultur teilweise an der Vielzahl drängender gesellschaftlicher Probleme vorbeizugehen. Sind wir mit der Vielzahl an Herausforderungen überfordert?