Thinktank als zirzensische Methode?

Unser Anliegen war es, KollegInnen zu ermuntern, das Format eines Thinktanks im zirzensischen Bereich zu nutzen und zu etablieren.

Als österreichischer Kulturverein „FENFIRE“ haben wir gemeinsam mit Anna Weszelovszky aus Ungarn den ersten Thinktank der Spinning-Jonglage-Welt veranstaltet. In groben Zügen unterscheidet sich die Spinning-Jonglage von der klassischen Wurf-Jonglage insofern, dass sich das Objekt um ein Zentrum bzw. um sich selbst gedreht wird. Dazu zählt auch die Manipulationsform der Kontakt-Jonglage, in der Objekte in Kreisbewegungen am Köper balanciert werden. Zum Thinktank wurden internationale ArtistInnen eingeladen, um in einem konzentrierten Setting eine noch sehr junge Technik gemeinsam tiefergehend zu erforschen („Fishtail“ - kippende Balance eines linearen Objektes vorwiegend am Handgelenk, wobei der Arm meist eine liegende Acht um den Körper zeichnet). Wir bedienten uns sowohl wissenschaftlicher, als auch praktischer Methoden und kamen durch diese interdisziplinäre Herangehensweise in nur drei Tagen zu Ergebnissen, die diese spezielle zirzensische Technik erheblich bereichert. Gastgeberin war das Inspirál Circus Centrum in Budapest.

 

DIE SITUATION

 

Spinning-Jonglage lebt und entwickelt sich hauptsächlich durch die weltweit gut vernetzte Community. Video- und SocialMedia Plattformen, sowie einschlägige Festivals und Workshops sind die üblichen Formate, in denen sowohl der Austausch, als auch die Ausbildung stattfindet. Diese eingeschränkte „Kommunikation“ führt meist zu einer eher oberflächlichen Auseinandersetzung mit der Thematik. Die wenigen kreativen Köpfe, die an neuen Techniken arbeiten, haben selten persönlich die Möglichkeit sich zeitlich und thematisch fokussiert auszutauschen. So auch Sebastian Berger (Kulturverein „FENFIRE“), der als Vorreiter der Technik „Fishtail“ gilt. Meist kocht er in Österreich, allein auf weiter Flur, sein eigenes Süppchen – in dem Wissen, dass es Romain Margueritte (F), Michael Caden Pike (GB) oder/und David Barron (USA) u.a. genauso ergeht und die kreative und konzeptuelle Entwicklung darunter leidet.

thinktank groundwork


DIE METHODE

 

Ein Thinktank versteht sich als Kollektiv von VordenkerInnen, das Analysen, Konzepte und Ideen entwickelt. Man begegnet diesem Begriff zwar meist in politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen, aber er stellt auch die perfekte Beschreibung für unser Vorgehen dar. Ziel war es, theoretische (z.B.: „What is a Fishtail in words?“ Ein Versuch einer Definition) und praktische Fragestellungen (zB.: „Is an inverted vertical stall possible?“) gemeinsam zu bearbeiten, neue Konzepte zu erforschen und vermeintliche Grenzen aufzubrechen. Erstaunlich für uns war die grafische Aufarbeitung der Bewegungsabläufe, die einiges zur Klärung, aber auch zur Horizonterweiterung beitrug. So sorgte das zweidimensionale, grafische Herunterbrechen, und das Neuanordnen auf Papier von zwei grundlegenden „Fishtail“-Figuren, zu einem neuen Bewegungsrepertoire von unzähligen neuen Tricks. Die wagemutige Behauptung „was am Papier funktioniert, funktioniert auch in real“, trieb uns zwar an die Grenze, aber gewährte uns auch einen Einblick in die Welt der Zukunft, die mit unzähligen Trainingsstunden gepflastert sein wird.

 

DER RAUM

 

Für eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre spielt Raum eine große Rolle: Aus Ermangelung an räumlichen Möglichkeiten bzw. Unterstützung in Wien, wichen wir nach Ungarn aus. Das Inspirál Circus Centrum in Budapest genießt staatliche Unterstützung und fördert wiederum ArtistInnen und international wichtige Entwicklungen, wie dieser Thinktank es für die Spinning Jonglage darstellt.

Als Beitrag zu dem bereitgestellten Raum wurde nach dem Thinktank täglich eine Workshopreihe seitens der internationalen Thinktank TeilnehmerInnen angeboten. Dies trug zur Belebung der ungarischen Szene und des Zentrums bei. Die Einnahmen kamen den Reisekosten der Thinktank-TeilnehmerInnen und dem Inspiral Circus Centrum zugute. Eine Hand wäscht (oder wie wir im Zirkus sagen: stützt) die Andere und so konnte auch ein kleiner Beitrag für die bevorstehende finanzielle Hürde des Zentrums (neue Heizung für 16.000€) geleistet werden.

FAZIT

Unser Anliegen war es, KollegInnen zu ermuntern, das Format eines Thinktanks im zirzensischen Bereich zu nützen und zu etablieren. Es war NICHT Ziel, das Erarbeitete sofort umzusetzen, wie es beispielsweise in einem Workshop oder bei „Tricksharing“ der Fall ist. Vielmehr ging es darum, Konzepte zu entwickeln und Möglichkeiten zu erweitern. Die Verschränkung von wissenschaftlichen und praktischen Herangehensweisen, die Zusammenstellung des Teams, in der jedeR unterschiedliche Zugänge zur Technik einbrachte, und die konzentrierte Arbeitsatmosphäre machten unserer Meinung nach einen großen Teil des Projekterfolges aus. Das Potential ist groß, die Spielwiese noch viel größer.

 

Christiane Hapt und Sebastian Berger arbeiten seit mehreren Jahren weltweit als professionelle, selbstständige ArtistInnen im Bereich der Objektmanipulation.

Fotos © Bosznay Réka und Christiane Hapt

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