Fair Pay in Vorarlberg - Ein Über- und Ausblick aus Sicht des Landeskulturförderung

Weit vor den Vorarlberger Landtagswahlen am 13. Oktober 2024 machte der Landeshauptmann deutlich, dass Vorarlberg 2025 einen Sparkurs fahren müsse. Vor dem Hintergrund der noch jungen Fair Pay-Strategie des Landes und den Ergebnissen aus der Studie zu den Einkommensverhältnissen Vorarlberger Künstler:innen scheinen die Aussichten für den ohnehin zu gering dotierten Anteil von Kultur am Gesamthaushalt des Landes nicht rosig. Nach offiziellem Start am 6. November in die Legislaturperiode der schwarz-blauen Koalition und der noch ausstehenden Budgetrealität für nächstes Jahr bleibt als Hoffnungsschimmer zumindest das Wissen, dass sich alle Landtagsparteien 2022 einstimmig zu Fairness in Kunst und Kultur aussprachen. Wir fragten noch vor der Landtagswahl bei der Kulturabteilung nach, wie sich Fair Pay seit 2022 realisieren ließ und welche Maßnahmen gemäß der Strategie zukünftig greifen sollen.

Einstimmiger Start
Im Frühjahr 2022 erteilte der Vorarlberger Landtag mit einstimmigem Beschluss der Vorarlberger Landesregierung den Auftrag, analog zu den Fair Pay und Fairness-Entwicklungen im Bund weitere Schritte einzuleiten. Diese beinhalteten eine Ist-Analyse des Vorarlberger Fair Pay-Gaps, das Einräumen eines angemessenen Diskussionsraums für „Fairness“ bei der Kulturenquete des Landes im Herbst 2022 und darauf aufbauend das Schaffen von Rahmenbedingungen, um gemeinsam und in Abstimmung mit dem Bund sowie den Vorarlberger Städten und Gemeinden Fair Pay im Kunst- und Kulturbereich zu implementieren. 

Diesem Auftrag folgte die Landesregierung insofern, als sie bei genannter Kulturenquete ein fachlich exzellent besetztes Podium dazu einlud, das Publikum mit Akteur:innen aus Kunst, Kultur, Verwaltung und Politik über Notwendigkeiten und Realitäten von Fair Pay im Förderwesen zu informieren. Inhaltlich bezog sich das Podium v.a. auf die Arbeitsrealitäten von Künstler:innen, jene von Kulturarbeiter:innen und Kulturveranstalter blieben von der Kulturabteilung des Landes bewusst unberücksichtigt. Eine offene Podiumsdiskussion, die den gesamten Sektor und sein Ringen um faire Bezahlstrukturen hätte beleuchten können, blieb bei der Enquete aus. 


Einkommensstudie
Um die vom BMKOES beim Österreichischen Gallup-Institut in Auftrag gegebene und im Januar 2022 veröffentlichte Umfrage zur finanziellen Situation von Kunst- und Kultureinrichtungen in Österreich um eine Vorarlberger Perspektive zu ergänzen und gemäß des Landtags-Auftrags einen weiteren umsetzenden Schritt zu setzen, gab die Vorarlberger Kulturabteilung eine Studie zu den Lebens- und Einkommensverhältnissen Kunstschaffender in Vorarlberg in Auftrag. Diese wurde von der FH Vorarlberg – Forschungsgruppe Empirische Sozialwissenschaften durchgeführt und mit etlichen Handlungsempfehlungen versehen, die auf der Grundlage qualitativ und quantitativ geführter Interviews entstanden. Basierend auf diesen Grundlagen wurde 2023 im Rahmen eines Kulturstrategie Updates auch eine Vorarlberger Fair Pay-Strategie vorgelegt.


Fair Pay-Strategie: Eine Frage der Reihenfolge
In konkreten Arbeitsschritten formuliert soll laut Aussage der Kulturabteilung Fair Pay strategisch als zentrales Handlungsfeld der Zukunft eingebettet werden. Welche Kultureinrichtungen zuerst bezüglich fairer Bezahlstrukturen für das angestellte wie auch beauftragte Kunst- und Kulturpersonal  berücksichtigt werden, entscheidet sowohl der Grad der Steuerungsrolle des Landes als auch die Budgetrelevanz. Das bedeutet, dass landeseigene Einrichtungen, zu denen das Kunsthaus Bregenz, das Vorarlberger Landestheater und das vorarlberg museum gehören, sowie landesnahe Einrichtungen, wie bspw. das Frauenmuseum Hittisau oder das Jüdische Museum Hohenems, sich vor gebietskörperschaftlich unabhängige Einrichtungen („freie Szene“) reihen . Und deren Bearbeitung mit Zahlflüssen ist folglich eine Frage des noch verfügbaren Budgets.


Weitere Ansätze der Strategie
Neu ist jedenfalls, dass sich Fair Pay in der Kommissionsarbeit abbildet und damit jenen Fachleuten und Expert:innen zugutekommt, die in den spartenbezogenen und viermal jährlich tagenden Kommissionen eingereichte Ansuchen nach den Richtlinien für die Förderung nach dem Vorarlberger Kulturförderungsgesetz sichten und diese auf deren Förderungswürdigkeit bewerten. Schließlich empfehlen die Kommissionen förderungswürdige Ansuchen an die politisch verantwortliche und entscheidende Stelle, welche auch in der neuen Legislaturperiode von Landesrätin Dr. Barbara Schöbi-Fink besetzt wird.

Das Thema Fair Pay solle weiterhin eine „andauernde Diskussion, Sensibilisierung und Kommunikation“ erfahren, heißt es weiters aus der Kulturabteilung. Die Fair-Pay-Strategie des Landes Vorarlberg umfasse sowohl Maßnahmen, die sich budgetrelevant direkt in den Haushaltsvoranschlägen abbilden, als auch solche, die auf kommunikative und inhaltliche Schwerpunktsetzungen sowie eine Evaluierung und gegebenenfalls Anpassung der zur Verfügung stehenden Förderinstrumente zielen.

Die Kulturabteilung informierte, dass neben der Evaluierung und schrittweisen Schließung des Fair-Pay-Gaps bei landeseigenen Einrichtungen KUGES (vorarlberg museum, Vorarlberger Landestheater, Kunsthaus Bregenz) auch eine Evaluierung und schrittweise Schließung des Fair-Pay-Gaps bei sogenannten „landesnahen“ Einrichtungen erfolgte. "Als landesnah verstanden werden unabhängige Kulturorganisationen, in denen das Land neben weiteren Stakeholdern aufgrund der thematischen Relevanz oder der überregionalen Strahlkraft der Einrichtung in Steuerungsgremien (mit)vertreten ist. Die Anstellungsverhältnisse ebenso wie die Bezahlstrukturen abseits der Anstellungsverhältnisse (d. h. freie Dienst- und Werkverträge, Honorarnoten etc und damit direkt die freie Szene betreffend) wurden geprüft und angepasst", so die Kulturabteilung.


Was bedeutet das für die freie Szene?
Seit 2022 begann die Kulturabteilung, erstmals in allen Sparten Mehrjahresvereinbarungen zu realisieren, die eine schrittweise Erhöhung der Förderbeiträge von Seiten des Landes vorsehen. Die Maßnahme zielt auf Planungssicherheit für die fördergebende und fördernehmende Seite ab. Voraussetzung für Mehrjahresförderungen ist allerdings eine Deckung der jeweils jährlich beschlossenen Haushaltsvoranschläge. 

Laut Auskunft der Kulturabteilung wurden bis dato (Stand Oktober 2024) rund 1.000.000,- EUR an zusätzlichen Mitteln an selbstständige Künstler:innen sowie Vereine oder andere unabhängige Kulturanbieter in den Sparten Musik, Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Literatur und Kulturveranstalter von Seiten des Landes Vorarlberg zur Verfügung gestellt. 
Bei Förderzusagen durch das Land Vorarlberg werde bis auf wenige Ausnahmen allerdings weder bei Projektbeiträgen noch bei Jahresförderungen eine Zweckwidmung ausgesprochen. Das heißt, dass die Verantwortung für eine entsprechende Verwendung im Sinne einer Verbesserung von Bezahlstrukturen bei den Förderempfänger:innen liegt.


Ohne Schulterschluss der Gebietskörperschaften?
Auch wenn sich Bund, Länder und Gemeinden im Fairness Codex 2022 gemeinsam zugunsten fairer Arbeitsbedingungen aussprachen, gibt es keine Verpflichtung oder gemeinschaftlich getragene Modelle für die Gebietskörperschaften, entsprechende Mittel für Fair Pay in Kunst und Kultur zur Verfügung zu stellen. An diesem Punkt wird eine planungssichere Umsetzung von Fair Pay für Kulturveranstalter:innen zum Spießrutenlauf. Nicht alle subventionierten Kulturvereine erhalten Förderungen vom Bund, sie erhalten finanzielle Mittel von der entsprechenden Stadt oder Gemeinde und im besten Fall vom Land Vorarlberg. Sollten die entsprechende Gemeinde bereits einen Umgang mit Fair Pay definiert haben – was uns aktuell nicht bekannt ist – und bereits Gespräche geführt und ein Vorgehen mit der Vorarlberger Kulturabteilung vereinbart werden konnte, sehen sich Vereine vor der schwierigen und noch immer planungsunsicheren Aufgabe, Fair Pay dauerhaft in den Personal-Strukturen zu implementieren. 

Eine Umfrage bei Mitgliedern im Herbst 2023 zeigte die gegenseitige Abhängigkeit von Förderstellen, deren fehlende Aussagen zum gemeinsam verantworteten Umgang mit Fair Pay und Planungsunsicherheiten als Hauptverantwortliche dafür, dass Fair Pay nur ausgezahlt werden könne, „wenn es sich budgetär ausgeht“. Ein weiterer maßgeblicher Faktor dafür seien Inflation und Teuerungen bei gleichbleibenden Kulturbudgets. Lediglich die Marktgemeinde Lustenau passte die Jahresförderungen von subventionierten Vereinen 2024 um 10% Erhöhung an, von anderen Gebietskörperschaften Vorarbergs ist uns das nicht bekannt.


Fair Pay in der neuen Legislaturperiode 2024 - 2029
Die budgetären Abhängigkeiten vor dem Hintergrund der Vorarlberger Landtagswahlen lassen das Fair Pay-Thema weiter in der Unwägbarkeit. Inzwischen wurde mit der neuen Regierung in schwarz-blauer Koalition ein Arbeitsprogramm veröffentlicht, das im Bereich Kultur u.a. das Thema Fairness explizit nennt: 

Faire Honorare und Professionalisierung in der freien Szene:
Die Landesregierung setzt sich – aufbauend auf dem „Fairness Codex in Kunst und Kultur in Österreich“ – gemeinsam mit Bund, Gemeinden und Trägern für eine fairere Bezahlung ein. Dazu werden Veranstaltungen zu steuerlichen, sozial- und versicherungsrechtlichen Themen organisiert. Eine zusätzliche Datenerhebung soll Handlungsempfehlungen, Zeitrahmen und Kosten für Verbesserungen liefern. Um Menschen in Kunst und Kultur grundlegende Kenntnisse in Projektmanagement, Recht und Fördermöglichkeiten zu vermitteln, wird der Ausbau von Beratungen in Kooperation mit bestehenden Institutionen erwogen.

Unsere gesamte Einschätzung zu Kultur im aktuellen Regierungs-Arbeitsprogramm hier
 

Bei der Kulturabteilung nachgefragt

Inwieweit Maßnahmen für den freien Sektor greifen und Fair Pay gemäß der Gehaltsschemata und Honorarrichtlinien der IG Kultur in Kooperation mit der GPA umgesetzt werden kann, hängt wie immer von der Dotierung der Kulturbudgets ab. In Vorarlberg sollte das im Dezember 2024 vom Landtag beschlossen werden. Uns interessierte zu all den Themen die Einschätzung der Vorarlberger Kulturabteilung, deren Antworten (noch vor Bekanntgabe der neuen Landesregierung) wir an dieser Stelle teilen:

 

Welchen Ausblick gibt es für Kulturvereine und welche Herausforderungen stellen sich förderseitig und aus Ihrer Sicht für die Förderpraxis?

Aufgabe und Ziel der Vorarlberger Kulturförderung ist die Schaffung und Gewährleistung möglichst günstiger Rahmenbedingungen für das kulturelle Leben. Dabei sind Kunst und Kultur keine in sich geschlossenen Systeme: eine sich verändernde Umwelt mit massiven ökologischen Herausforderungen, rasanter digitaler Fortschritt und damit verbunden eine sich verändernde Informationslandschaft, ökonomische Weichenstellungen, die über Verteilungsfragen der Zukunft entscheiden, Professionalisierungstendenzen in allen Teilbereichen der Gesellschaft, sich verändernde Arbeitswelten sowie zunehmender Druck auf öffentliche Haushalte haben auch Auswirkungen auf die Kunst- und Kulturlandschaft in Vorarlberg. Ganz konkret trifft der Wunsch von Fördernehmer:innen, diesen vielfältigen Anforderungen inhaltlich gerecht werden zu können, nach Planungssicherheit und Abfederung von steigenden Kosten in den unterschiedlichsten Bereichen durch die öffentliche Hand auf eine zunehmend herausfordernde Budgetrealität.

 

Wie sieht das - angesichts des von Landeshauptmann Mag. Markus Wallner angekündigten Sparkurses für das Budgetjahr 2025 - im nächsten Jahr hinsichtlich Fairness in Kunst und Kultur und dezidiert für weitere Schritte Richtung Fair Pay aus?

Ende 2023 wurde im Rahmen des Updates der Kulturstrategie die „Fair-Pay-Strategie“ des Landes Vorarlberg publiziert, parallel dazu sowie im laufenden Jahr 2024 konnten bereits konkrete Umsetzungsschritte gesetzt werden. Es ist davon auszugehen, dass die eingeschlagene Richtung beibehalten wird und auch im Regierungsprogramm der zukünftigen Landesregierung ein grundsätzlicher Beitrag des Landes Vorarlberg im Rahmen des eigenen Wirkungsbereichs zur Verbesserung von Arbeits- und Einkommensverhältnissen von Kunst- und Kulturarbeiter:innen verankert werden wird. Die Geschwindigkeit, mit der wir diesen Weg beschreiten, d.h. ganz konkret, welche und wie viele Schritte wir im nächsten Jahr gehen können, hängt maßgeblich vom Beschluss des Haushaltsvoranschlags 2025 durch die Landesregierung ab.

Programmeinschränkung vs. Fair Pay für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen? Bei gleichbleibenden Kulturbudgets stellt sich immer wieder Frage, wo der Sparstift angesetzt werden soll: beim Programm oder beim Personal? Wie soll die freie Szene mit diesem Spannungsfeld umgehen?

Für die landeseigenen Betriebe sowie für diejenigen Kulturanbieter und Institutionen, in denen das Land Vorarlberg in strategisch-steuernder Funktion mitverantwortlich ist, wurde vor dem Hintergrund steigender Kosten in allen Bereichen bei gleichzeitig zunehmend herausfordernden Budgetsituationen öffentlicher Haushalte der Weg eingeschlagen, einer angemessenen und faireren Entlohnung der Arbeit von Kulturarbeiter:innen und Künstler:innen den Vorrang zu geben. Das betrifft sowohl selbständige wie auch unselbständige Arbeit. Da derzeit eine verpflichtende Bezahlung nach den von der IG empfohlenen Honorarmodellen nicht Voraussetzung für eine Förderung durch das Land Vorarlberg ist, liegt die Entscheidung über den einzuschlagenden Kurs innerhalb der freien Szene bei den Kulturveranstaltern selbst. Hervorzuheben ist allerdings, dass eine Reduktion von Programm zugunsten der Anhebung von Gehältern und Honoraren keinesfalls automatisch zu einer Reduktion von Fördermitteln durch das Land Vorarlberg führt.

Downloads
Bericht_BMKÖS_Fair Pay.pdf938.32 KB

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