Gender Report: Dringender Handlungsbedarf für die nächste Regierung!

Der erste Gender Report im Bereich Kunst und Kultur für Österreich ist veröffentlicht. Die quantitative Analyse bestätigt, was Vielen im Sektor schon lange bewusst war: Kunst und Kultur ist im Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter kein Vorbild, im Gegenteil. Die Ergebnisse sind ein klarer Auftrag an die Verhandler*innen der zukünftigen Regierung dringend notwendige Gleichstellungsmaßnahmen zu ergreifen und diese im Regierungsprogramm zu fixieren.

 

Der erste Gender Report im Bereich Kunst und Kultur für Österreich ist veröffentlicht. Ja, 2024! Die quantitative Analyse bestätigt, was Vielen im Sektor schon lange bewusst war: Kunst und Kultur ist im Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter kein Vorbild, im Gegenteil.

Die Ergebnisse sind ein klarer Auftrag an die Verhandler_innen der zukünftigen Regierung dringend notwendige Gleichstellungsmaßnahmen zu ergreifen und diese im Regierungsprogramm zu fixieren. Konkret bedarf es:

  • Verpflichtung größerer Kunst- und Kulturinstitutionen Frauenförderpläne zu entwickeln und Gender Mainstreaming umzusetzen. Führungskräfte müssen Aus- und Weiterbildung im Bereich Gender-Kompetenz und Diversity-Management nachweisen können.
  • Verstärkung der Maßnahmen zur Reduktion prekärer Arbeitsverhältnisse vor allem in kleineren Kulturvereinen, insbesondere durch Weiterentwicklung von Fair Pay in der Förderpolitik und Fortführung der Fair-Pay-Strategie der Gebietskörperschaften 2022.
  • Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die die spezifischen Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten von in Kunst und Kultur Tätigen berücksichtigen sowie Maßnahmen zur Aufteilung der Betreuungszeit auf alle Elternteile.
  • Bereitstellung ausreichender Budgetmittel für Vernetzungsaktivitäten von Frauen in Kunst und Kultur und Bekenntnis zur öffentlichen Finanzierung einer bundesweiten Interessenvertretung für diese

 

Was steht im Gender Report?

  • Insgesamt arbeiten mehr Frauen als Männer bezahlt in Kunst und Kultur (55% zu 42%). Je höher das Einkommen, je besser abgesichert der Job, desto höher ist jedoch der Anteil der Männer (bei Führungskräften in der höchsten Einkommensklasse 64% Männer).
  • Frauen verdienen in Kunst und Kultur rund 37% weniger als Männer. Unter den ganzjährig Vollzeit Angestellten beträgt die Differenz immer noch 18,7% und ist damit größer als über alle Branchen gerechnet. 
  • Das Publikum entspricht in der Zusammensetzung (soweit hier erhoben werden konnte) exakt der Verteilung der Beschäftigten (55% Frauen zu 42% Männer)
  • Die Sichtbarkeit von Werken nach Geschlecht zeigt ein spiegelverkehrtes Bild (55% Männer zu 42% Frauen) 
  • 51% meinen, die Gleichstellung von Männern und Frauen sei eher nicht oder überhaupt nicht erreicht, in Bezug auf andere Geschlechter meinen dies sogar 65%.
  • In Hinblick auf die Gleichstellung nicht-binärer Personen ist das Bewusstsein, möglicherweise zu wenig Maßnahmen zu setzen, signifikant größer (13%). Gleichzeitig sehen sich dort relativ viele Institutionen (24%) erst gar nicht in der Lage, überhaupt ein Urteil abgeben zu können.

Diese allgemeinen Zahlen ergeben ein Überblicksbild. Kunst und Kultur sind so vielfältig wie ihre organisatorische Basis. Die Studienautor_innen arbeiten intersektional, mit einem strategischen Essentialismus eingrenzend auf Männer und Frauen, am Rande beziehen sie auch weitere Geschlechtsidentitäten ein. Ein Blick in die Sparten ist mit dieser Studie schon möglich, in die Details der Sparten kaum. Sie ziehen ihr Fazit daher auch nur in großen Linien, z. B. in Bezug auf die Größe der Institutionen: Je größer eine Institution (in Bezug auf Budget, aber auch die Anzahl der Mitarbeitenden), desto dringender ist der Handlungsbedarf, weil es technisch zumutbar und praktisch machbar wäre (gesetzlich vorgeschrieben ohnedies). Je kleiner eine Institution, desto vordringlicher ist die Lösung der sozialen Fragen (stabile Beschäftigung und Einkommen), weil das - wie in der Studie gezeigt - direkt mit der Geschlechterverteilung korreliert.
 

Was ist zu tun?

Die Studie ist hier vorsichtig formuliert wenig mutig. Die enthaltenen Handlungsempfehlungen sind stringent, sinnvoll und umsetzbar - zielen jedoch auf einen großen Zeithorizont. Sie formulieren, was zu tun ist, um die Basis einer Gleichstellungs-Politik zu verbreitern:
Frauenförderpläne, ein effektives Gender-Budgeting und Nachhilfe in Gender-Kompetenz und Diversity-Management für Führungskräfte insbesondere für große Institutionen. Vorhandene Bemühungen gegen prekäre Beschäftigungsformen und ein neuer Anlauf, mit interministeriellen Arbeitsgruppen für Bewegung in Einkommen und sozialer Absicherung zu sorgen, insbesondere bei kleineren Kulturvereinen, sind ebenso notwendig wie die Verbesserung der Datenbasis und parallele Studien, die in Bezug auf andere Diskriminierungskriterien, Publikum oder die konkrete Sichtbarkeit von Werken und ihre immanente Botschaft in die Tiefe gehen.
Für eine echte Gleichstellungspolitik braucht es aber darüber hinaus konkrete Umverteilung, praktische Unterstützung von Initiativen und Bestrebungen, den männlichen Kanon der Kunst auf der Bühne auch im Publikum zu brechen.

 

Downloads

Gender Report im Bereich Kunst und Kultur 2017-2021. Petra Unger, Johannes Klotz, Michaela Lebisch, Alexander Toplitsch. September 2024.

Österreichischer Film Gender Report (1-3). zuletzt April 2024

Soziale Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittlerinnen und -vermittler in Österreich 2018. L&R Sozialforschung und österreichische kulturdokumentation. September 2018

 


Weitere Links:

FIFTITU%: feministisches Forum für Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen

maiz: Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen

Gemeinsame Forderungen kulturschaffender Frauen in Österreich

#istnoetig: 8. Feministische und queere Positionen Aus dem Forderungskatalog der Plattform #istnoetig „15 Forderungen an die Kulturpolitik“

„Frauen in der Kunst“ – feministische Kulturpolitik. In: 42 Monate IMAG – eine Bilanz. Hg. Kulturrat Österreich, Wien, Dezember 2012

 

 

 

 

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