Partizipation vs. Selbstorganisation?

Ansätze zur Entwicklung einer Kulturpolitik auf EU-Ebene sind bekanntlich immer mit dem Problem konfrontiert, dass Kultur im EU-Vertrag als Kompetenz der Nationalstaaten definiert und damit der Spielraum auf europäischer Ebene sehr begrenzt ist.

Ansätze zur Entwicklung einer Kulturpolitik auf EU-Ebene sind bekanntlich immer mit dem Problem konfrontiert, dass Kultur im EU-Vertrag als Kompetenz der Nationalstaaten definiert und damit der Spielraum auf europäischer Ebene sehr begrenzt ist. Vor diesem Hintergrund ist schon die Tatsache, dass die Europäische Kommission im Mai eine Mitteilung „über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“ veröffentlich hat, bemerkenswert und könnte sich im positiven Sinn als folgenreicher Schritt erweisen, auch wenn die Inhalte über weite Strecken wenig überzeugend sind.

Eine vom österreichischen Cultural Contact Point / BMUKK und der IG Kultur Österreich Anfang November in Wien veranstaltete Konferenz beschäftigte sich mit den Zielsetzungen der Kommissions-Mitteilung und vor allem mit der Frage nach den Möglichkeiten für eine Beteiligung der Kulturschaffenden an europäischer Kulturpolitik.

Gebetsmühle Creative Industries

Eigentlich sind es drei inhaltliche Zielsetzungen, die im Zentrum der Kommunikation stehen: „Förderung der kulturellen Vielfalt und des interkulturellen Dialogs; Förderung der Kultur als Katalysator für Kreativität im Rahmen der Strategie von Lissabon für Wachstum und Beschäftigung; Förderung der Kultur als wesentlicher Bestandteil der internationalen Beziehungen der EU“.

Die zweite Zielsetzung und damit die Ökonomisierung des Kulturbereichs wurde in mehreren Konferenzbeiträgen als eigentlicher inhaltlicher Schwerpunkt der Mitteilung analysiert und von verschiedenen Blickpunkten aus grundlegender Kritik unterzogen, die den Begriff der „Kreativität“ ebenso hinterfragte, wie die brüchige wissenschaftliche Basis der Creative Industries-Konzepte und die wenig zukunftsträchtigen Perspektiven hinter der Forcierung des Copyright-Regimes. Festgestellt wurde auch, dass diese Tendenz, die auch schon in den Ratspräsidentschaften der letzten Jahre sehr präsent war, mitunter auf die beiden anderen Zielsetzungen übergreift, wenn etwa im Zusammenhang mit interkultureller Kompetenz gleich wieder auf deren Nützlichkeit in einer globalen Wirtschaft hingewiesen wird.

Die Mühen fremdbestimmter Partizipation

Die Mitteilung der Kommission enthält auch zwei für den europäischen Kulturpolitikbereich neue Methoden für die Umsetzung der Ziele: Einerseits soll nun auch hier die so genannte „Offene Methode der Koordinierung“ eingesetzt werden, die schon in anderen Politikbereichen als Mittel erprobt wurde, um unter den Bedingungen vertraglicher Nationalstaatenkompetenz eine gewisse europäische Koordinierung zu ermöglichen. Sie besteht wesentlich darin, dass sich die EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten gleichsam auf freiwilliger Basis auf gemeinsame Ziele einigen, deren Umsetzung dann regelmäßig evaluiert wird.

Die zweite neue Strategie besteht in einem, verglichen mit früheren, recht halbherzigen Unternehmungen, nun relativ ernsthaften Versuch der Kommission, in Dialog mit den Kulturschaffenden zu treten, indem sie vor der Ausarbeitung der Mitteilung einen Konsultationsprozess mittels Online-Fragebogen durchführte und in der Mitteilung selbst die weitere Kooperation skizzierte. Die Teilnahme der Kulturschaffenden an der Konsultation war relativ rege, aber schon die Tatsache, dass die Frage „Erkennen Sie bestimmte Schwierigkeiten im Rahmen eines Dialoges zwischen dem kulturellen Sektor und den Europäischen Institutionen?“ von fast 90% mit Ja beantwortet wurde, verweist auf das Ausmaß der Distanzen.

In der Mitteilung wird die Bedeutung eines Dialoges mit dem Sektor unterstrichen, Formulierungen wie „Der Kultursektor sollte sich aus Gründen der Legitimität auch weiterhin selbst organisieren“ und „[Die Kommission] sieht eine wichtige Aufgabe darin, den Sektor stärker zu strukturieren“ klingen aber nicht gerade Vertrauen erweckend.

Auf der Konferenz wurde der Konsultationsprozess zwar auch teilweise positiv beurteilt – einerseits als ein erster Schritt zum Dialog und andererseits aufgrund der Annahme, dass er den Inhalt der Kommunikation tatsächlich positiv beeinflusst habe –, es überwog aber die Kritik sowohl an der durchgeführten Befragung (realitätsferner Fragebogen, Unklarheit über den weiteren Prozess, Aufforderung an prekär lebende Kulturschaffende, kostenlos Fachwissen abzuliefern usw.) als auch an den allgemeinen Voraussetzungen für einen weiteren Dialog (Ausschluss von MigrantInnen, Kontext gouvernementaler Strategien, Feigenblattdemokratie usw.).

Die Chancen für einen weiteren Dialog werden wohl stark davon abhängen, wie weit die EU-Institutionen bereit sein werden, Eigenlogik und Selbstorganisation des Kulturbereichs zu akzeptieren und an bestehende Ansätze anzuschließen, anstatt Versuche zu unternehmen, den Bereich (etwa ausgehend von der festgestellten „mangelnden Kommunikation zwischen den Kulturindustrien und anderen im Kulturbereich Tätigen“) von oben zu strukturieren. In diesem Sinne ist die auf der Konferenz formulierte Kritik als konstruktiver Beitrag zum beginnenden Dialog zu sehen.

Anmerkungen

Die Konferenz von IG Kultur Österreich und CCP Austria fand am 8. Nov. im WUK / Kunsthalle Exnergasse statt.

Eröffnung / Panels: Vincent Abbrederis, Juliane Alton, Claudia Schmied, Gerald Raunig, Monika Mokre, Emil Brix, Michael Wimmer, Paul Stepan, Therese Kaufmann, Christa Prets, Margarethe Makovec, Ljubomir Bratic´ .

Programm: Programm

Ein Konferenzbericht ist erhältlich bei der IG Kultur Österreich: office@igkultur.at, bzw. ist über IGKultur gemeinsam mit weiteren Informationen zur Konferenz abrufbar.

Raimund Minichbauer ist Mitglied des eipcp, lebt in Wien.

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