Gesetzesentwurf zu Aus für AMS-Zuverdienst vorgelegt: Soziale Absicherung für Kunst und Kultur auf der Kippe

Das Aus für den Zuverdienst zum Arbeitslosengeld soll Mitte Juni im Rahmen des Budgetbegleitgesetz 2025 beschlossen werden. In Sektoren wie Kunst und Kultur sind geringfügige Tätigkeiten jedoch fixer Bestandteil von Erwerbsbiographien: Hier ein Drehtag, dort ein Artist Talk, hier ein Gesangsabend, dort die Übersetzung einer Kunstkritik. Wird das Gesetz in der vorliegenden Form beschlossen, eröffnet dies nicht nur neue Armutsfallen sondern ist kontraproduktiv für die Arbeitssuche. Statt die sozialen Absicherung in Kunst und Kultur zu verbessern wird sie angegriffen und ihre Erwerbsrealitäten ignoriert. Wir resümieren: Zurück an den Start!

Die soziale Absicherung auf der Kippe; Bild von Cindy Tang via Unsplash

 

Das Aus für den Zuverdienst zum Arbeitslosengeld soll Mitte Juni im Rahmen des Budgetbegleitgesetz 2025 beschlossen werden (Artikel 45). Begründung: Eine geringfügige Beschäftigung würde "in vielen Fällen" ein Hindernis bei der Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung sein. Alle, bei denen das nicht der Fall ist: Pech gehabt. In Sektoren wie Kunst und Kultur sind geringfügige Tätigkeiten jedoch fixer Bestandteil von Erwerbsbiographien: Hier ein Drehtag, dort ein Artist Talk, hier ein Gesangsabend, dort die Übersetzung einer Kunstkritik.

Was bedeutet das in Zukunft? Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, muss sich entscheiden: Entweder einen geringfügigen Job annehmen und Arbeitslosengeldanspruch verlieren. Oder absagen, weil das Arbeitslosengeld unverzichtbar ist, um über die Runden zu kommen. Nur 100% arbeitslos ist möglich, wenn das Parlament diese Gesetzesänderung beschließt. Das eröffnet neue Armutsfallen. Und es ist kontraproduktiv für die Arbeitssuche – gerade in Branchen wie Kunst und Kultur, wo berufliche Aktivität und Präsenz essenziell für Folgebeschäftigungen sind. Die vorgesehenen Ausnahmen, wo Zuverdienst doch möglich sein soll, sind unzureichend.  

 

Was ist geplant?

Die vorgeschlagenen Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) sehen im wesentlichen zwei große Punkte vor:

  • Die weitgehende Abschaffung von Zuverdienstmöglichkeiten während dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, mit vier unzureichenden Ausnahmen.
  • Eine neuerliche Beschränkung der via Höchstgericht festgestellten Arbeitslosenversicherung für Personen mit mehrfach geringfügigen Beschäftigungen, die insgesamt die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschreiten.


Zur Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeiten:

Konkret geplant ist die Beschränkung von Zuverdienstmöglichkeiten auf vier unzureichende Ausnahmen. Dazu kommt: Der bisherige Gesetzesteil, in dem definiert wurde, wer trotz allgemeiner Beschränkungen doch als arbeitslos gilt, soll nun schlicht in eine Liste von Beschäftigungen und Tätigkeiten, die jedenfalls als geringfügig gelten (und damit Leistungen aus dem AMS verhindern), umgewandelt werden. Das betrifft zentral auch geringfügige selbstständige Tätigkeiten, die ein Arbeitslosengeld nun weitgehend ausschließen sollen (egal ob vor, während oder nach einem Arbeitslosengeldbezug). Diese spezifische Situation all jener, die beispielsweise einmal im Jahr ein Vortragshonorar erhalten oder Tantiemen ausbezahlt bekommen, wird in der vorgeschlagenen Novelle bisher offenbar nicht mitgedacht. Die Folgen sind aber katastrophal. 
 

Zur Arbeitslosenversicherung von mehrfach geringfügig Beschäftigten:

Nach zwei höchstgerichtlichen Entscheidungen (2022 und 2024) und teilweise rechtswidrigen Umsetzungen stellt der aktuelle Gesetzesentwurf einen neuen Anlauf dar, Ausschlüsse von der Arbeitslosenversicherung nun auch gesetzlich zu beheben: Mehrfach geringfügig Beschäftigte, die insgesamt über der Geringfügigkeitsgrenze verdienen, werden nun auch per Gesetz in die Arbeitslosenversicherung einbezogen. Gleichzeitig wird aber ein neuer Ausschluss vollzogen: Geringfügige Beschäftigungen neben vollversicherten Beschäftigungen werden erneut nur pensions-, kranken- und unfallversichert, nicht aber in die Arbeitslosenversicherung einbezogen (was sich in der Folge neuerlich als rechtswidrig herausstellen wird).

 

Wir halten fest:

Der Artikel 45 muss aus dem Budgetbegleitgesetz 2025 herausgelöst werden und zurück an den Start. Das erschließt sich schon aus dem Regierungsprogramm, in dem es heißt: „Die arbeits- und sozialrechtliche Absicherung von Künstlerinnen, Künstlern und Kulturarbeitenden soll verbessert werden. Dabei müssen die besonderen Erwerbsrealitäten und die damit einhergehenden arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.“

Mit dem hier vorgesehen Artikel 45 des Budgetbegleitgesetz 2025 wird die soziale Absicherung von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen dagegen angegriffen und nachhaltig beschädigt – noch bevor die im Regierungsprogramm hierzu angekündigte interministerielle Arbeitsgruppe überhaupt eingerichtet ist. Und: Die besonderen Erwerbsrealitäten in Kunst und Kultur (hybrid, gesamtgesellschaftlich atypisch) werden ignoriert. Viel mehr noch: Die geplanten radikalen Beschränkungen von sozialer Absicherung treffen ganz besonders diese Gruppe.

 

Wir resümieren: Zurück an den Start!

Das geplante Gesetz ist ein Angriff auf die soziale Absicherung – nicht nur von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen. Wir erinnern die Bundesregierung an ihr Programm: Die soziale Absicherung in Kunst und Kultur verbessern!


 

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