Kulturarbeit im sozialen Off

Wer im Kulturbereich hat diese eine Erfahrung noch nicht gemacht? Je eher der Personalkostenanteil in den Förderanträgen versteckt, verschleiert oder überhaupt ausgeklammert wird, umso eher hat ein Projekt Aussicht auf Finanzierung. Je unscheinbarer die Anzahl der Menschen, die bei der Bewerkstelligung des Erfolges letztendlich Hand anlegen, desto generöser erweist sich die Geberlaune.
Wer im Kulturbereich hat diese eine Erfahrung noch nicht gemacht? Je eher der Personalkostenanteil in den Förderanträgen versteckt, verschleiert oder überhaupt ausgeklammert wird, umso eher hat ein Projekt Aussicht auf Finanzierung. Je unscheinbarer die Anzahl der Menschen, die bei der Bewerkstelligung des Erfolges letztendlich Hand anlegen, desto generöser erweist sich die Geberlaune. Die Kulturschaffenden haben sich dabei bereits jede Menge Tricks und Kniffe angeeignet. Oft verweist man auf die persönliche Bereitschaft zum Ehrenamt. Die Förderstellen sehen mit Genugtuung dabei zu. Wenn das so weiter geht, werden beide Teile voneinander Abschied nehmen müssen. Denn ohne Berücksichtigung der sozialen Dimension bleibt von Kunst und Kultur eines Tages auch nichts mehr übrig.

Das Volksbegehren Sozialstaat Österreich sollte im Kulturbereich als Weckruf verstanden werden. Denn es ist höchste Zeit, sich des Umstands zu besinnen, dass die sozialen Grundlagen gerade in der Kulturarbeit noch immer als äußerst dramatisch einzustufen sind. Eine Studie der IG Kultur Österreich hat bereits 1997 aufgezeigt, dass knapp 23% der KulturarbeiterInnen mit einem Monatseinkommen unter 872 Euro das Auslangen zu finden haben. Nicht einmal 20% erwerben einen Anspruch auf Pensionsversicherung. Im kulturpolitischen Forderungsprogramm "Klimawechsel" wurde die Problemstellung bereits zwei Jahre später sehr deutlich auf den Punkt gebracht: "Durch die symbolische Aufladung von Kultur einerseits und das Verständnis von Kulturarbeit als Widerstandsform andererseits wird die miserable soziale Situation der Schlechterverdienenden verdeckt." Daran hat sich bis heute leider nichts geändert.

Auch nicht für die Künstler. Die neue Sozialversicherung hat sie bestenfalls in das System der Neuen Selbständigen eingebunden. Aus dem ersatzweise geschaffenen Zuschussfonds der Künstler-Pensionsversicherung wurde ein Instrument, das zahlreichen künstlerisch Tätigen, die von ihrem Einkommen her dafür in Frage kommen, die Künstlereigenschaft aberkennt sowie ökonomisch erfolglosere und ökonomisch erfolgreichere Künstler und künstlerische Tätigkeiten überhaupt ausschließt.

Das Volksbegehren bietet jetzt die Chance, auch im kulturellen Feld die soziale Verträglichkeit erneut offensiv ins Treffen zu führen. Mit der Forderung: Kunst- und Kulturarbeit muss mit der Perspektive einer Existenzsicherung zu verknüpfen sein!

Martin Wassermair ist Sprecher der IG Kultur Österreich

Dieser Text erschien zuerst in kunstfehler, März/April 2002.

Ähnliche Artikel

Mehrfach geringfügige Beschäftigungen sind in Kunst und Kultur keine Seltenheit. Änderungen in der Arbeitslosenversicherung seit 1.4. 2024 ziehen nun potentiell gravierende Auswirkungen für alle Betroffenen nach sich. Eine Erstinformation zum aktuellen Stand.
AMS-Debakel für geringfügig Beschäftigte: Startschuss für Rückforderungswelle Arbeitsministerium nutzt wichtige VfGH-Entscheidung für Verschärfungen – rechtswidrig, aber in Kraft
rote leere Sessel im Theater Ob auf der Bühne oder hinter den Kulissen: Wer am Theater arbeitet, kommt um das Theaterarbeitsgesetz (TAG) und seine zwingenden Sonderbestimmungen nicht herum. Zuerst muss aber die geeignete Beschäftigungsform her: Ensemblevertrag, Gastvertrag oder doch Werkvertrag? Ein Balanceakt mit Auswirkungen. Ab Herbst 2025 soll eine Gesetzesnovelle die Abgrenzung erleichtern. Für uns ein Anlass, das TAG und die Neuerungen näher zu beleuchten.