Offener Brief: Bessere soziale Absicherung

Interessengemeinschaften aus Kunst und Kultur und die gewerkschaftliche Initiative vidaflex fordern in einem offenen Brief von der Bundesregierung dringende Anpassung der Sozialversicherungsleistungen für Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Nehammer,
sehr geehrter Herr Bundesminister Kocher,
sehr geehrter Herr Bundesminister Kogler,
sehr geehrter Herr Bundesminister Rauch,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Mayer!

 

Solo-selbstständige, atypisch und hybrid beschäftigte Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen erwirtschaften mit ihrer Kreativleistung für ihre Auftraggeber_innen hohe Umsätze, sind aber selbst sozialrechtlich höchst vulnerabel. Ein Ungleichgewicht, das nicht mehr hingenommen werden kann, schon gar nicht im „Kulturland“ Österreich.

Soziale Absicherung außerhalb der Konstellation "Arbeitgeber*in –Arbeitnehmer*in" ist in Österreich problematisch bis kaum existent. Die ständig wachsende Gruppe der atypisch bzw. hybrid Beschäftigten, Neuen Selbständigen und insbesondere auch Solo-Selbständigen braucht Lösungen.

Der Kunst- und Kulturbereich ist ein Sektor, in dem sozialversicherungsrechtliche Spezialkonstellationen kulminieren – kaum
eine Kombination aus Spezialregeln mit speziellen Unterregeln, für die nicht Beispiele aus Kunst und Kultur gefunden werden können. Es existieren in diesem Berufsfeld teils äußerst komplexe Beschäftigungsverhältnisse, welche jedoch in den Sozialversicherungs-Gesetzen weder mitgedacht noch abgesichert werden. Lösungsvorschläge liegen auf dem Tisch.

Wir, die Unterzeichnenden, haben vor einem Jahr ein bewusst knapp gehaltenes Positionspapier vorgelegt – fokussiert auf vier einfach umsetzbare Schritte. Der Text liegt im österreichischen Parlament als parlamentarische Petition auf und wird von zahlreichen
Unterstützer*innen getragen. Ein angekündigter Runder Tisch mit Beteiligung aus BMKOeS, BMS, Sozialversicherungen, dem KSVF und Vertreter*innen der Unterzeichnenden hat stattgefunden, angekündigte weitere Schritte verliefen im Sand.

Ein Ergebnis haben wir trotzdem: In einem Punkt gab es zuletzt eine deutliche Verschlechterung. Die vom VFGH verfügte Einbeziehung mehrfach geringfügig Beschäftigter in die Arbeitslosenversicherung wurde vom BMA zum Anlass genommen, ebenjene Gruppe systematisch in die soziale Unsicherheit zu befördern. Eine rechtsmaterien- und institutionenübergreifende Beratungsstelle und Informationen in mehreren Sprachen, aber zumindest auf Englisch, eine gute Absicherung von Solo-Selbstständigen im Krankheitsfall oder Anpassungen im Arbeitslosenversicherungsrecht gibt es nach wie vor nicht.

Das Positionspapier ist aktueller denn je: https://kulturrat.at/sozialversicherung-fuer-kuenstler_innen-in-oesterreich

Wir brauchen eine zukunftsorientierte und langfristig angelegte Strategie zur Verbesserung der sozialen Absicherung der Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen, die sonst in der (Alters)armut und in den sozialen Transferleistungen landen. Wir wollen, dass die Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen aus eigener Kraft und aufgrund sie nicht benachteiligender Gesetze arbeiten, Einkommen erzielen und für ihre soziale Absicherung vorsorgen können. Hierfür brauchen sie die Unterstützung der Politik und der Gesetze!

Wir stehen für eine konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen als Vertreter*innen der Regierung weiterhin bereit! Die nächsten Wahlen
stehen vor der Tür, die Zeit drängt.

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