Vereinnahmung und Verausgabung

„Kultur muss sich lohnen“, der Slogan der Kampagne Fair Pay für Kulturarbeit, erscheint heute, nach nicht ganz einem Jahr ihrer Laufzeit, in einem ganz neuen Licht. Die InitiatorInnen der Kampagne hatten damit sowohl die „Entlohnung“ von KulturarbeiterInnen als auch den Nutzen für die kulturinteressierte Öffentlichkeit vor Augen.

Die Fair Pay-Kampagne der IG Kultur vor dem Hintergrund jüngster Entwicklungen in der regionalen Kulturpolitik.

„Kultur muss sich lohnen“, der Slogan der Kampagne Fair Pay für Kulturarbeit, erscheint heute, nach nicht ganz einem Jahr ihrer Laufzeit, in einem ganz neuen Licht. Die InitiatorInnen der Kampagne hatten damit sowohl die „Entlohnung“ von KulturarbeiterInnen als auch den Nutzen für die kulturinteressierte Öffentlichkeit vor Augen. Die dritte Protagonistin im Dreieck des kulturellen Geschehens, die Politik, sahen sie in der Rolle der Gesprächspartnerin, die für die Veränderung der Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt des kulturellen Sektors zuständig ist. Die jüngsten Entwicklungen in der regionalen Kulturpolitik zeigen aber, dass diese Rolle zu kurz gegriffen ist, denn „Kultur muss sich auch für die Kulturpolitik lohnen“!

Kulturpolitik unter der „Herrschaft der Sachzwänge“

Der Herrschaft der Sachzwänge ausgeliefert und unterworfen, werden politische EntscheidungsträgerInnen gegenwärtig zu nationalen HeldInnen stilisiert, weil sie in vorbildlicher Weise demonstrieren, dass ihre Entscheidungen keine Entscheidungen sind, sondern lediglich mechanische Schritte, die von der kapitalistischen Ideologie angesichts der Wirtschafts-, Finanz- oder Schuldenkrisen alternativlos vorgegeben werden. Die zwingende Logik des Marktes ist inzwischen auf alle politischen Bereiche übertragen worden. Die Zeichen dafür sind in der Kulturpolitik deutlicher als bisher sichtbar. Strukturbereinigungen und Reformen werden mit Schlagworten wie „Effizienzsteigerung“, „Ergebnisorientierung“ und „Internationalisierung“ untermauert, um tief greifende Veränderungen in den kulturpolitischen sowie den kulturellen Aufgabenbereichen in Gang zu setzen. Die Abschaffung von unabhängigen Beratungsgremien, die Zensurierung von Entscheidungen unabhängiger Jurys, die Subsumierung der Kulturverwaltung unter ein Ressort für „Europa, Kultur und Außenbeziehungen“, die zunehmende Fokussierung von Subventionen auf Projekte und „künstlerische Produkte“ sind nur einige Beispiele für diese Entwicklung.

Kulturarbeit ist Arbeit an der Gesellschaft, ist intellektuelle Arbeit, die die gesellschaftlichen Realitäten beobachtet, kritisch hinterfragt und Denkräume für Veränderungen schafft. Die politische Entscheidung, Kultur auf ihren Warencharakter zu reduzieren und auf den internationalen Markt zu werfen, kommt einer Unterdrückung von autonomer Wissens- und Ideenbildung gleich. Zur internationalen Handelsware verkommen kann Kultur davon abgehalten werden, mit den lokalen Wirklichkeiten verbunden zu bleiben. Sie soll einer Vereinheitlichung unterzogen werden und das Immergleiche (also Waren) produzieren, damit sie möglichst folgenlos für die gesellschaftliche Entwicklung wird und nur mehr als Dekoration eines rein ökonomischen Entwicklungsmodells dient.

Ein zusätzliches Ziel für die Fair Pay-Kampagne

Angesichts dieser politischen Vereinnahmungen und Verausgabungen der Kultur braucht es für die drei Ziele der Kampagne Fair Pay: (1) Kultur ist Zukunftssache; (2) Mehr Kohle; (3) FAIRSicherung FAIRPay FAIRSteuerung eine Erweiterung, die mehr einer Forderung als einem zusätzlichen Ziel entspricht und in dieser Funktion für die Weiterverfolgung und Erreichung der Ziele zweckmäßig und wirksam wird: (4) FAIRHandlung.

Sie erinnert die kulturpolitisch Verantwortlichen daran, dass der Austausch der Ideen mit den Kulturschaffenden die Grundlage ihrer Arbeit ist, die darin besteht, Rahmenbedingungen für die kulturelle Produktion zu schaffen und kulturelle Entwicklungen zu fördern. Wenn KulturpolitikerInnen sich darauf zurückziehen, marktorientierte Tendenzen in der Kultur zu forcieren und nur diese zu fördern, anstatt die Wirtschaftspolitik daran zu hindern, den Kulturbereich beherrschen zu wollen, stellen sie damit ihre Legitimität in Frage. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Rückzug durch den ungebrochenen Glauben an die kapitalistische Ideologie oder die Resignation gegenüber einem unbeherrschbaren, die kulturpolitischen Handlungsmöglichkeiten zerstörenden Markt ausgelöst wird.

Eine Entpolitisierung der Kultur wird damit wohl nicht zu haben sein. Im Gegenteil, angesichts der sozialen Realitäten, mit denen Kulturschaffende gegenwärtig konfrontiert sind – wie Prekariat und Armut –, kann es zu einer Ausweitung der Thematisierung von Arbeitsbedingungen auf weitere Gruppen von Betroffenen kommen. Und damit werden Wege zu gemeinsamen, bereichsübergreifenden Strategien gegen die Zumutungen einer starren und gegenüber Veränderungen blinden kapitalistischen Ideologie erschlossen.

Anita Hofer ist Künstlerin, Kulturarbeiterin und im Vorstand der IG Kultur Steiermark und der IG Kultur Österreich.

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