kulturrisse 04/05

Mit dem Entstehen der Kulturindustrie verwandelte sich die Virtuosität in Massenarbeit. Zu jenem Zeitpunkt haben die VirtuosInnen begonnen, die Stechkarte zu benützen. In der Tat stellt die Tätigkeit ohne Werk, also das Kommunizieren, das in sich selbst seine Erfüllung findet, in der Kulturindustrie ein prägendes, zentrales, ja notwendiges Element dar.
„Die ganze Welt wird durch das Filter der Kreativindustrie geleitet“ – so könnte das Fazit ausfallen, betrachtete man die Kampagne „Du bist Deutschland!“ durch die Adornosche Brille: „Denn dort kann schließlich einer noch sein Glück machen, sofern er nur nicht allzu unverwandt auf seine Sache blickt, sondern mit sich reden lässt“ (Adorno/Horkheimer 1998: 134; 139f.).
Das Grünbuch beginnt mit den Worten „Everyone is Creative“ und schnell werden die grundlegenden Ideen klar. Der Ansatz besteht darin, den Zugang zu Kunst und Kultur für ProduzentInnen ebenso wie für KonsumentInnen zu erweitern, besonders für jene, die diese Felder bisher nicht als „die ihren“ betrachteten.
Wie zwei ausgezeichnet recherchierte Artikel F.E. Rakuschans (2001a/b) über das MQ belegen, hat man diesen Avantgarde-Effekt auch in Wien zu nutzen gewusst, indem Gruppen und Initiativen in der Umbau phase Räume zur Verfügung gestellt wurden, die der Baustelle MQ Leben eingehaucht haben. Nun, nach der Fertigstellung, sind diese Gruppen nicht mehr da. An ihrer Stelle gibt es einen Verband namens Quartier21, unter welchem sich eine sehr arbiträre Vielfalt von Entitäten verbirgt.
Studien zur den Creative Industries (CI) boomen allerorts. Dies allerdings in verschiedenster Qualität. Während sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung (besonders im internationalen Raum) immer stärker auf Details konzentriert und Tiefenstudien unternimmt, scheinen politische EntscheidungsträgerInnen und PolitikberaterInnen hierzulande immer simplistischeren Konzepten anzuhängen.
Jede bessere Fachhochschule leistet sich einen Studiengang „Kulturmanagement“ und auch unser Schwerpunkt „Kulturindustrie“ an der Frankfurter Universität wird gerne studiert, wenn man in die PR und Werbung möchte, oder im Journalismus und an Betriebszeitungen zur Pflege der corporate identity und natürlich in der Politikberatung und in der politischen Propaganda arbeiten möchte.
Nachdem Ende Oktober dieses Jahres im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois zwei Jugendliche auf der Flucht vor der Polizei durch Stromschläge getötet wurden und der amtierende Innenminister Nicolas Sarkozy in Reaktion auf den Vorfall seine rassistischen Verbalattacken auf die EinwohnerInnen der Vorstädte fortsetzte und sogar noch zuspitzte, wurden die französischen Banlieues über Wochen hinweg zum Schauplatz von Unruhen.
Der Bereich des künstlerischen Schaffens wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein gleich jenem der Wissenschaft als ein Reich der Freiheit vorgestellt, welches von den Zwängen des Marktes konsequent zu entkoppeln sei.