weiblich und prekär

Die aktuelle Ausgabe der DIE BRÜCKE - Kärntens Kulturzeitschrift widmet sich anlässlich des internationalen Frauentages, der alljährlich am 8. März begangen wird, unter dem Thema "Mitgemeint" Frauen in Kunst und Kultur. Elena Stoißer beschäftigt sich in "weiblich und prekär" damit, wie sich prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Kulturbereich auf Frauen auswirken und wie Fair Pay dazu beitragen kann, Ungleichheiten zu beseitigen.

Fair Pay ist eine von der IG Kultur Österreich 2011 ins Leben gerufene Kampagne, die unter dem Motto „Kulturarbeit ist Arbeit und verdient eine faire Entlohnung“ für eine gerechte Bezahlung im Kultursektor kämpft. Beim "Fair Pay Day" im Container 25 präsentierte die IG KiKK die Plakataktion „FAIR PAY statt UNBEZAHLT", um auf die lückenhafte Finanzierung von Kulturarbeit hinzuweisen.

Ein Artikel von Elena Stoißer, erschienen in der 40. Ausgabe der DIE BRÜCKE - Kärntens Kulturzeitschrift. Feber März 2024.

Kulturarbeit ist prekär.

Der Kultursektor ist geprägt von prekären Arbeitsbedingungen und hybriden Beschäftigungsverhältnissen. Niedrige Entlohnung und schlechte Einkommensperspektiven stehen an der Tagesordnung. Anstellungen sind meist nur auf geringfügiger oder Teilzeit-Basis möglich und oft als Projektarbeit befristet, auf Mehrfachbeschäftigung folgen unbezahlte Phasen. Dadurch unterscheiden sich die Erwerbsbiografien von Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen meist stark von herkömmlichen. Sie arbeiten mit viel Engagement und Herzblut. Um Projektumsetzung trotz geringer finanzieller Mittel zu ermöglichen, sparen sie beim eigenen Honorar. Dies etabliert und manifestiert die vorherrschende Selbstausbeutung und das Lohndumping im Kulturbereich.

Die ökonomischen Rahmenbedingungen der Erwerbsarbeit und die sozialen Regulative bauen in Österreich jedoch auf der Vollbeschäftigung im Angestelltenverhältnis als Standard auf. Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen sind daher mit finanzieller Unsicherheit und fehlender sozialer Absicherung konfrontiert. Nebeneffekte dieser Beschäftigungsverhältnisse sind Unterbrechungen der Sozialversicherung, fehlende Einzahlungsmonate für die Pensionsversicherung oder Arbeitslosenversicherung. Gepaart mit niedrigem Einkommen ist die Gefahr der Altersarmut groß.

Auch die Arbeitszeiten im Kulturbetrieb weichen von der Norm ab. Kulturarbeit und künstlerische Tätigkeit findet (auch) abends und am Wochenende statt. Zu den eigenen Probe- und Aufführungsterminen kommen noch weitere Veranstaltungsbesuche dazu, die ebenso Teil des Berufes sind. Diese Arbeitszeiten sind besonders für Personen mit Betreuungspflichten problematisch. Die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen sind traditionell Frauenarbeit, diese Zusatzbelastung wird mitsamt dem zugehörigen Mental Load größtenteils von Frauen getragen.

Kulturarbeit ist weiblich.

Frauen sind ein essenzieller Teil des Kulturbetriebs, sei es als Künstlerinnen, Kulturarbeiterinnen, in der Kulturverwaltung aber auch als Besucherinnen. Sie zeigen statistisch ein höheres Interesse an kultureller Betätigung. Trotz des hohen Frauenanteils herrschen auch im Kulturbetrieb patriarchale Arbeitsstrukturen. Je mehr Macht, Geld und Prestige in einer Position versammelt sind, desto unwahrscheinlicher hat sie eine Frau inne: Es fehlt an weiblichen Führungspersonen. In den vier landesnahen Kulturinstitutionen in Kärnten/Koroška sind von sechs Direktorinnen oder Geschäftsführerinnen nur zwei Frauen.

In der freien Szene ist der Anteil an Frauen in Leitungsteams oder im Vorstand tendenziell höher. Dort sind jedoch auch die Arbeitsbedingungen tendenziell prekär und die Finanzierung unsicher. Unter den bezahlten Beschäftigungen wies die IG KiKK Basisdatenerhebung 2019 ein Verhältnis von 40% zu 60% zum Vorteil der Männer aus. Frauen zeigen im Bereich der ehrenamtlichen Arbeit ein höheres Engagement als Männer. Sie erledigen eher die (unbezahlte oder unterbezahlte) Bürotätigkeit und Hilfsarbeit, die weder Anerkennung noch Sichtbarkeit verleihen.

Wie kann Fair Pay helfen?

Fair Pay kämpft für gerechte Bezahlung von Kulturarbeit und künstlerischem Schaffen. Die Entlohnung entlang der Empfehlung der Interessensgemeinschaften macht den Wert und die Notwendigkeit dieser Arbeit sichtbar. Fair Pay bedeutet auch bessere Lebensbedingungen, solidarische Arbeitsbedingungen und korrekte Verträge.

Angemessene Bezahlung sorgt dafür, dass die in Kunst und Kultur Tätigen auch von ihrer Arbeit leben können. Diese finanzielle Absicherung nimmt vor allem den psychischen Druck, erhöht die Lebensqualität und ermöglicht soziale Absicherung: Sind vermehrt Anstellungen möglich, können Betroffene Leistungen wie durchgehende Versicherungszeiten, Urlaub oder Krankenstand in Anspruch nehmen. Mehr Einkommen ermöglicht Freischaffenden die Einzahlung in private Arbeitslosen- und Pensionsversicherungen. Damit beugt eine angemessene Bezahlung auch der Altersarmut vor und entlastet damit zukünftige Sozialbudgets. Fair Pay hilft somit nicht nur auf individueller, sondern auf gesellschaftlicher Ebene.

Gerechte Entlohnung mindert neben Überlebensängsten auch den Produktionsdruck. Wenn Kulturarbeiterinnen und Künstlerinnen die Möglichkeit haben, weniger Projekte zu besseren Konditionen durchzuführen, können sie insgesamt ihr Arbeitspensum reduzieren und der Überarbeitung entgegenwirken. Gleichzeitig geben adäquate Einkommen die Entscheidungsfreiheit zurück, indem sie die Not mindern, einen Auftrag um jeden Preis anzunehmen. Weiters erleichtert faire Bezahlung die Organisation professioneller Kinderbetreuung, was Müttern mehr Flexibilität im Beruf erlaubt. Darüber hinaus können Eltern, die über der Armutsgrenze verdienen, ihren Kindern eine bessere Bildung und damit bessere Zukunftschancen ermöglichen.

Fairness im Kultursektor umfasst viele Ebenen. Über faire Bezahlmodelle und ausgewogene Geschlechterverhältnisse hinaus sind dies u.a. transparente Kommunikation, faire Förderkriterien sowie die Bereitstellung von Infrastruktur. In Konsequenz bedeutet Fair Pay, die Kulturorganisationen als Arbeitgeberinnen besser auszustatten. Wird die chronische Unterfinanzierung überwunden, können auch Kapazitäten frei werden, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dann können Kulturorganisationen in eine gesellschaftliche Vorreiterrolle gehen, um das Aufbrechen herkömmlicher Strukturen voranzutreiben: Wie können wir Frauen in Positionen verhelfen, in denen sie selbst die Rahmenbedingungen gestalten und das derzeitige Ungleichgewicht ändern können? Erste Schritte könnten der Abbau von Hierarchien, die Auseinandersetzung mit traditionellen Rollenbildern, die Entwicklung neuer Führungsmodelle, das Angebot von Kinderbetreuung bei Veranstaltungen und die Berücksichtigung von Betreuungspflichten bei Terminvereinbarungen sein.

Durch Fair Pay lassen sich die herrschende Selbstausbeutung und Lohndumping abwenden. Voraussetzung dafür sind auch korrekte Subventionsansuchen und höhere (Selbst)Bewertung der eigenen Arbeit! In letzter Konsequenz ist Fair Pay auch die Forderung nach einem fairen Fördersystem, das sich an den Kosten der Kunst- und Kulturproduktion orientiert. Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss ihren Wert auch in finanzieller Form ausdrücken – und dies trifft nicht nur auf Kulturarbeit, sondern auch auf soziales Engagement und Carearbeit zu. Letztlich geht es darum, die Leistung von Frauen anzuerkennen, denn sie leisten genug.

 

Elena Stoißer
Büroleitung IG KiKK – Interessensgemeinschaft der Kulturinitiativen in Kärnten | Koroška

www.igkikk.at

https://www.fairpaykultur.at

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